Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Mittwoch, 27. März 2013

Il tempo degli avvoltoi (Die Zeit der Geier) 1967 Nando Cicero


Inhalt: Der Frauenheld Kitosch (George Kennedy) kann die Finger vom weiblichen Geschlecht nicht lassen, weshalb er regelmäßig Ärger mit seinem Boss Mendoza (Eduardo Fajardo) bekommt, nachdem er auf dessen Ranch mit der Frau eines Anderen erwischt wurde. Doch die Bestrafung mit ein paar Peitschenhieben nimmt er dafür lächelnd in Kauf. Das ändert sich, als er mit der Ehefrau (Pamela Tudor) seines Chefs entdeckt wird, der seine Leute gegen ihn aufhetzt. Brutal zusammen geschlagen endet er am Strang und wird im letzten Moment von Tracy (Frank Wolff) gerettet, einem gefürchteten Pistolero, der ihn zuvor noch ausgeliefert hatte.

Dankbar schließt er sich ihm an und begleitet ihn auf dem Weg in dessen ehemalige Heimat, wo Tracy noch eine Rechnung zu begleichen hat. Selbst als dieser ihn als Lockvogel dafür nutzt, den ihn verfolgenden Sheriff und dessen Leute aus dem Hinterhalt zu erschießen, bleibt er solidarisch, aber zunehmend muss auch er erkennen, wer dieser Mann wirklich ist...


Seitdem George Hilton in Lucio Fulcis "Le colt cantarono la morte e fu... tempo di massacro" (Django - sein Gesangsbuch war der Colt, 1966) erstmals in einem Italo-Western mitgewirkt hatte, war er zum festen Bestandteil des Genres geworden. Die Rolle des "Kitosch" hatte er zuvor schon in "Kitosch, l'uomo che veniva dal nord“ (Der Mann, der aus dem Norden kam, 1967), einer italienisch/spanischen Produktion unter der Regie von José Luis Merino, gespielt, an die er in "Il tempo degli avvoltoi" (Die Zeit der Geier) in der Charaktergestaltung unmittelbar anknüpft - nicht erstaunlich, da beide Drehbücher von Fulvio Gicca Palli stammen. George Hilton verkörpert mit breitem Grinsen einen Typus, der für jeden Unsinn zu haben ist und nur wenig von einem Revolverheld hat. Entsprechend erinnert Nando Ciceros erster von drei Western zu Beginn eher an eine Komödie, wenn Kitosch mit wechselnden Frauen anbandelt und zwei zusätzliche Peitschenhiebe fordert, als er von seinem Boss Don Jaime Mendoza (Eduardo Fajardo) dafür bestraft wird, dass er mit der Frau eines anderen Cowboys geschlafen hatte - sie wäre es wert gewesen.

Das Blatt wendet sich plötzlich, nachdem er bei der Frau (Pamela Tudor) seines Bosses erwischt wurde. Aus dem bisher eher humorigen Treiben wird ansatzlos blutiger Ernst und Kitosch sieht sich Don Mendoza und seinen Männern gegenüber, die ihn zuerst quälen und dann aufhängen wollen. Selbst die Flucht in den nächsten Ort hilft ihm nicht, da der Sheriff ihn wie einen Verbrecher festnimmt und wieder an Mendoza übergibt. Als sich das Seil schon um seinen Hals zuzieht, taucht der „schwarze Tracy“ (Frank Wolff) auf und rettet ihm das Leben. Ein Moment, der schon in vielen Western das klassische Szenario eines Rachefeldzugs ausgelöst hatte - der „Underdog“ kehrt als inzwischen erfahrener Pistolero zurück und rächt sich an seinen Peinigern. Nicht so in Nando Ciceros ungewöhnlichem Western, der zwei Charaktere in den Mittelpunkt stellt, deren weitere Wege überraschend bleiben.

Besonders dem us-amerikanischen Mimen Frank Wolff, der erstmals in „Salvatore Giuliani“ (Wer erschoss Salvatore G.?) von Francesco Rosi in Italien besetzt wurde – der Beginn einer intensiven Phase im italienischen Film bis zu seinem Selbstmord 1971 – gelingt es der Figur eines sadistischen und rücksichtslosen Killers menschliche Züge zu verleihen. Dank der Rettung Kitoschs vor dem Strang, kann er sich nicht nur dessen Dankbarkeit sicher sein, sondern gewinnt auch Sympathien, trotz seiner wenig fairen Art, Gegner aus dem Hinterhalt zu erschießen. Gefördert wird diese Wirkung mit dem gewohnten Kniff im Italo-Western, die bürgerliche Gesellschaft – hier verkörpert durch den Gutsbesitzer Mendoza und dessen Vasallen – noch brutaler und ungerechter zu charakterisieren als die Gesetzlosen.

Doch der schwarze „Tracy“ hat wenig gemein mit den Revolverhelden eines Clint Eastwood oder Lee Van Cleef, sein wortkarges Auftreten entbehrt jeder Komik oder Coolness und seine Wut ist unbarmherzig. Gemeinsam mit Kitosch macht er sich auf den Weg zu Traps (Maria Grazia Marescalchi), seiner ehemaligen Geliebten, die ihn verraten und ins Gefängnis gebracht hatte. Seine anfänglich noch positive Wirkung wird zunehmend demontiert, denn Tracy erweist sich als unberechenbar und bar jeden moralischen Anstands, ohne sich deshalb in die Massen an eindimensionalen Killern einzureihen, die das Western-Genre bevölkerten. Im Gegenteil erzeugt der von epileptischen Anfällen geplagte, Jedem misstrauenden Mann auch Mitleid, wodurch sich Kitoschs solidarische Haltung zu ihm erklärt.

Der vom uruguayischen Darsteller George Hilton gespielte Kitosch wirkt anfangs unbedarft, fast naiv. Selbst als er von der aufgewiegelten Meute seines Dienstherrn verfolgt wird, wendet er keine Gewalt an, weshalb die Lynchjustiz gegen ihn aus reiner, rachlustiger Willkür geschieht. Erst als ihm Tracy das Schießen beibringen will, beweist Kitosch plötzlich seine überragenden Fähigkeiten mit dem Revolver. Diese Wendung wirkt zuerst wenig nachvollziehbar, relativiert sich aber dadurch, dass er im weiteren Verlauf des Films zuerst noch gewaltlos bleibt. Es ist ein ungewöhnliches Duo, dass Nando Cicero hier auf die Leinwand bringt, bestehend aus dem Sympathieträger des Films und einem Sadisten, dessen brutale Taten Kitosch lange Zeit verborgen bleiben. Dank dieser Konstellation bleibt ihre weitere Vorgehensweise jederzeit unberechenbar, besonders als Kitosch rücksichtsloser und gewalttätiger wird. Nando Cicero scheut sich nicht davor, auch seine Identifikationsfigur in Frage zu stellen und als sich der Kreis schließt und er wieder auf die Ranch seines früheren Bosses Mendoza zurückkehrt, ist die Rollenverteilung keineswegs so eindeutig wie der Beginn des Films erwarten ließ.

Nando Ciceros zweiter Film wirkt vom Aufbau etwas uneinheitlich – erst die komödiantischen Sequenzen, dann die sadistische Treibjagd, bevor die Handlung in eine andere Richtung abdriftet und sich Tracys Rachefeldzug widmet. Erst um Schluss kehrt der Film wieder an seinen Ausgangspunkt zurück, aber unter neuen Vorzeichen. Trotzdem bleibt "Il tempo degli avvoltoi" jederzeit schlüssig in der Entwicklung des Konfliktes zwischen Kitosch, dem „Schwarzen Tracy“ und einem von Egoismen und Verlogenheit geprägten Umfeld. Begleitet von Piero Umilianis Filmmusik, die weniger einzelne Szenen betont, als den Charakter des Films widerspiegelt, entsteht große Spannung aus einer Situation, deren Ausgang nicht vorauszusehen ist. Cicero und seinem Drehbuchautor Fulvio Gicca Palli gelang ein außergewöhnlich guter Beitrag zum Italo-Western-Genre, der sich nicht an den typischen Erwartungshaltungen orientierte.

"Il tempo degli avvoltoi" Italien 1967, Regie: Nando Cicero, Drehbuch: Fulvio GiccaDarsteller : George Hilton, Frank Wolff, Pamela Tudor, Eduardo Fajardo, Femi Benussi, Laufzeit : 92 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Nando Cicero:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.