Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Ieri, oggi e domani (Gestern, heute und morgen) 1963 Vittorio De Sica

Inhalt: 1. Episode "Adelina"

Adelina (Sophia Loren) soll in ein neapolitanisches Gefängnis, da sie unversteuerte Zigaretten verkauft hatte, und ihre Strafe nicht zahlen kann. Doch der Anwalt Verace (Agostino Salvietti) hilft ihr,
indem er ihr mitteilt, dass sie als schwangere Frau - sie erwartet ihr zweites Kind - nicht verhaftet werden darf, bis das Kind 6 Monate alt ist. Als die Polizei deshalb ein halbes Jahr nach der Geburt wieder bei ihr vorbei kommt, müssen die Beamten feststellen, dass Adelina schon wieder schwanger ist. Ihr Mann Carmine (Marcello Mastroianni) hatte rechtzeitig dafür gesorgt, aber nachdem auf diese Weise, Jahre später, schon das siebte Kind geboren wurde, stellen sich zunehmend Verschleisserscheinungen ein...


2. Episode "Anna"

Anna (Sophia Loren) langweilt ihr luxuriöses Leben. Während ihr erfolgreicher Mann auf Geschäftsreise ist, lernt sie den jungen Autoren R
enzo (Marcello Mastroianni) kennen, mit dem sie ein Verhältnis eingeht. Sie träumt von romantischen Reisen und aufregenden Abenteuern, aber Renzo merkt schnell, dass er für die schöne Anna austauschbar ist...

3. Episode "Mara"

Mara (Sophia Loren) arbeitet als Edel-Prostituierte in einer römischen Dachwohnung, wo sie Geschäftsreisende empfängt. Gerade hat sich wieder Augusto (Marcello Mastroianni) aus Bologna angemeldet, der sehr in die attraktive Anna vernarrt ist und sich schon auf ein Schäferstündchen freut. Dabei kommen ihm aber die Nachbarn in die Quere, denn der junge Enkelsohn, der sich zum Priester weihen lassen möchte, hat kein Interesse mehr daran, nachdem er Mara kennenlernte. Ausgerechnet seine Großmutter, die Mara zuvor immer verteufelte, bittet sie jetzt um Hilfe...



Als Vittorio De Sica "Ieri, oggi e domani" (Gestern, heute und morgen) 1963 drehte, hatte er ein sehr bewegtes Leben als Darsteller und Regisseur hinter sich, das ihn nach einer Phase populärer Komödien in den 30er Jahren über eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gegenwartsproblemen Italiens ("Neorealismus") wieder zu einer leichteren Betrachtung des Alltags zurückführte. Zudem hatte Cesare Zavattini, sein bevorzugter Drehbuchautor, der bei fast allen seiner Filme mitgewirkt hatte, den Episodenfilm für sich entdeckt. De Sica hatte entsprechend 1954 mit "L'oro di Napoli" einen sechsteiligen Episodenfilm geschaffen, allerdings als allein zuständiger Regisseur.

Erst bei "Boccaccio '70", bei dem De Sica für die vierte und letzte Episode verantwortlich zeichnete, war es zu einer Zusammenarbeit mit anderen Regisseuren gekommen. Allerdings wirkte De Sicas Kurzfilm "La riffa" im Vergleich zu den absurd, ernsten Episoden Monicellis, Fellinis und Viscontis wie ein Fremdkörper in seiner zwar ironischen, aber eher komödiantisch harmlosen Machart, was letztlich ein Jahr später zu "Ieri, oggi e domani" führte. Hier konnten sich De Sica und Zavattini ganz unter eigenen Vorzeichen ausleben und sie griffen konsequenterweise auf die Hauptdarstellerin aus "La riffa", Sophia Loren, wieder zurück, die in den drei Episoden ihres neuen Films jeweils die Hauptrolle mimen sollte. Auch in "L'oro di Napoli" hatte sie schon in einer Episode mitgewirkt.

Der Bogen dieser filmischen Phase lässt sich noch weiter spannen bis zum 1964 entstandenen "Matrimonio all'italiana" (Heiraten auf italienisch), wieder mit Sop
hia Loren in der Hauptrolle, wieder mit Marcello Mastroianni, der in "Ieri,oggi e domani" jeweils ihr Partner ist, aber diesmal mit Eduardo De Filippo als Drehbuchautor, der zuvor schon für die erste Episode in "Ieri, oggi e domani" zuständig war. Inhaltlich liegen die Filme sehr nah beieinander, da sie komplett auf die Präsenz und den Charakter Sophia Lorens als temperamentvolle Italienerin zugeschnitten sind und jeweils von deren Mann Carlo Ponti produziert wurden.

Als Ausgangspunkt für diese sehr erfolgreiche Phase, die "Ieri, oggi e domani" den Oscar für den "besten fremdsprachigen Film" 1965 einbrachte und "Matrimonio all'italiana" immerhin noch eine Nominierung für den selben Preis im Jahr darauf (während ein Film wie "Boccaccio '70" dort keinerlei Zuspruch fand), kann "Es begann in Neapel" von 1960 gelten. Hier spielten Vittorio De Sica und Sophia Loren neben Hollywood-Star Clark Gable, der einen zynischen Typen mimt, dem von der jungen Italienerin neues Leben eingehaucht wird. Dieses damals sehr populäre Rollenklischee zeichnete, gemeinsam mit den pittoresken Bildern der alten Städte und der Mittelmeerstrände, ein sehr positives, lebensfrohes Bild Italiens, das sich auch von Armut und Bürokratismus nicht den Spaß verderben ließ, aber trotz aller frivolen Anspielungen und kleineren kriminellen Verfehlungen immer moralisc
h einwandfrei blieb.

Trotz des vorherrschenden komödiantischen Untertons lag De Sica damit in einer Hinsicht auf einer Linie mit seinen ern
sten neorealistischen Werken wie "Ladri di biciclette",(Fahrraddiebe, 1948), "Miracolo a Milano" (Das Wunder von Mailand, 1951) oder dem bereits erwähnten "L'oro di Napoli". Diese verdeutlichten zwar die Missstände der Nachkriegszeit in Italien ohne Verharmlosung, idealisierten aber den einfachen Menschen, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte und solidarisch für die Belange seines Nächsten eintrat. Nicht von ungefähr waren Vittorio De Sicas Filme damals deutlich populärer als Viscontis und Rossellinis zeitgleich entstandene Filme des Neorealismus, da für ihn immer die Umstände die Schuld an den Missständen trugen, die erst zum Fehlverhalten Einzelner führten. 

Zum Entstehungszeitraum von „Ieri, oggi e domani“ war die Diskrepanz zu den aktuellen realistischen Filmen eines Luchino Visconti („Rocco e i suoi fratelli“(Rocco und seine Brüder, 1960)) noch gewachsen, ganz abgesehen von den in der Tradition des Neorealismus stehenden jungen Regisseuren Francesco Rosi oder Pier Paolo Pasolini, die wesentlich pessimistischer das Verhalten der Menschen beurteilten. Eine kritische Haltung, die auch De Sica weiter in Filmen auslebte, die heute kaum noch bekannt sind. 1956 brachte er mit "Il tetto" (Das Dach) einen letzten Film in der neorealistischen Tradition heraus, der seine Karriere als Regisseur um Jahre zurückwarf, und mit "Il boom" (1963) erschien eine bitter-böse Komödie nur wenige Monate zuvor, die in ihrer kritischen Haltung von rigider Konsequenz war. Mit dem Ergebnis, dass der Film außerhalb Italiens nicht vermarktet wurde. Vielleicht ein weiterer Grund für seinen genehmeren Stil ab "Ieri, oggi, domani".

Betrachtet man die drei Episoden des Films einzeln, dann fällt auf, dass nur im Titel die Bezeichnung „Gestern, heute und morgen“ fällt, während die Episoden selbst nach ihren weiblichen Hauptfiguren benannt wurden. Tatsächlich spielen sie alle zur selben Zeit, Anfang der 60er Jahre, in den Städten Neapel, Mailand und Rom, weshalb der Filmtitel nur als Bewertung zu verstehen ist.



1. Episode „Adelina“

Die Geschichte von der jungen Adelina, die ein Kind nach dem anderen bekommt, um nicht ins Gefängnis zu müssen, verkörpert am stärksten das Bindeglied zwischen Lorens Rolle in „Es begann in Neapel“ und dem ein Jahr später entstandenen „Heiraten auf italienisch“. Vor allem wird in dem knapp einstündigen Film deutlich, wie sehr sich De Sica von seinen neorealistischen Wurzeln entfernt hatte. Dabei zeigt Neapel mit seinen engen Gassen, den überbevölkerten Wohnungen, der hohen Arbeitslosigkeit und der zur Schwarzarbeit gezwungenen Bevölkerung nicht weniger Missstände als i
n seinen zehn Jahre zuvor entstandenen Filmen, aber über allem liegt der Zuckerguss der Lebensfreude und Gemeinsamkeit, während die Kamera in wunderschönen Panoramen schwelgt.

Ideal besetzt als Gegenpart zur dominanten Loren, ist Marcello Mastroianni, der immer so wirkt, als wollte er ein Macho sein, der in Wirklichkeit aber ein lie
benswerter, weicher Zeitgenosse ist. Von ihm gehen deshalb auch die komischsten Momente aus, da es ihm gelingt, auch die Schattenseiten eines Lebens aufzuzeigen, dass ihm zwar eine Traumfrau an die Seite stellte, die jederzeit Sex mit ihm haben will, das Ganze aber zunehmend zum Akkord verkommt, da er sie immer zielgerecht schwängern soll. Obwohl die Probleme der Menschen und auch die allgegenwärtige Armut immer präsent bleiben, kommt keinen Moment das Gefühl von Hoffnungslosigkeit auf, selbst als Adelina letztendlich doch ins Gefängnis gehen muss, weil ihr Mann von Schlaflosigkeit (nicht erstaunlich mit sieben Kindern in einer Ein-Raumwohnung) geschwächt, nicht mehr zum Sex in der Lage ist.

Zuvor hatte Adelina einen Moment damit geliebäugelt, einen anderen Mann dafür einzuspannen, aber als dieser sogleich begeistert beginnt, an ihr herum zu fummeln, entfernt sie sich angewidert. In dieser Szene wird deutlich, wie wenig De Sica riskiert, denn auch wenn ausgeübte Sexualität quasi die Grundlage der hier erzählten Geschichte darstellt, bleibt diese doch immer ganz moralisch im Rahmen einer Ehe. Allein das immer frische Gesicht der Loren, ihre zwar einfachen, aber hübschen Kleidchen und ihre tadellose Figur, lassen keinen Moment den Gedanken zu, in „Adelina“ würde es wirklich realistisch zugehen. Anders als De Sicas frühere Werke
, will der Film nicht mehr die real in diesen Missständen lebenden Menschen erreichen, sondern verwandelt für ein internationales Publikum die kritische Dokumentation eines Zustands in eine leicht verdauliche, optimistisch stimmende Heiterkeit mit dezenten Anklängen an die Realität. Der Erfolg gab ihm recht.

 2. Episode „Anna“

Erst mit dem zweiten Teil wird deutlich, wie De Sica und Zavattini die Bezeichnung „Ieri“ (gestern) für die erste Episode gemeint hatten. Denn anders als die vor Lebensfreude sprühende Geschichte in einem Armenviertel Neapels, ist Mailand hier das Mekka des Egoismus. Die Geschichte von Anna, der Ehefrau eines reichen Geschäftsmanns, die von ihrem luxuriösen Leben gelangweilt ist, geht auf eine Erzählung Alberto Moravias zurück, was nicht überrascht, da dieser sich häufig dem ziellosen Müßiggang der modernen Gesellschaft gewidmet hatte. Innerhalb der Dreier-Konstellation dieses Films, verkommt der knapp 20minütige und damit mit Abstand kürzeste Teil zu einer einseitig plakativen Abrechnung mit den Wohlhabenden, wie sie von Moravia in dieser Eindimensionalität niemals gemeint war, die a
ber der Loren die Gelegenheit gab, einmal eine zutiefst unsympathische Frau zu spielen.

Schon die rücksichtslose Art, mit der sie ihren Rolls-Royce durch Mailand bewegt, spottet jeder Realität, denn der Film vermittelt eine unterwürfige Haltung der „Normalbevölkerung“ gegenüber den Reichen, die nicht einmal für offensichtliches Fehlverhalten gerade stehen müssen. Auch Mastroiannis Rolle bleibt in diesem Zusammenhang zweifelhaft, da nur das Aussehen Annas als Grund dafür herhalten kann, warum er es nur einen Moment mit dieser arroganten, keine Realität kennenden Frau aushält.

Könnte man den Film in einer solitären Rolle noch als amüsante, bewusst einseitige Abrechnung mit dem Kapital verstehen, wird der Film in seiner Position als „oggi“(heute), unangenehm, da er das pittoreske Leben des ersten Teils noch zusätzlich adelt. Das Gestrige erhält in diesem Zusammenhang den typischen Charakter des Wunsches nach „der guten, alten Zeit“ als der Mensch zwar arm, aber glücklich war.

 3. Episode „Mara“

Vielleicht sollte die Bezeichnung „domani“ (morgen) nach dem bösen Mittelteil wieder Hoffnung wecken. Anders ist der Begriff nur schwer nachzuvollziehen, da die Geschichte über die römische Edel-Prostituierte Mara keinerlei Zukunftsausblick beinhaltet. Trotzdem handelt es sich um den interessantesten und komplexesten Teil des Films, da hier moderne Elemente der Gegenwart wie Prostitution und Geschäft mit Tradition und Solidarität verknüpft werden, ohne einseitige Schlüsse daraus zu ziehen. Tatsächlich ist die Geschichte von der alten Frau, die zuerst kein gutes Haar an ihrer unmorali
schen Nachbarin lässt, diese dann aber um Hilfe bittet, als ihr Enkel sich nicht mehr zum Priester weihen lassen will, nachdem er Maras weiblicher Vorzüge gewahr wurde, voll komischer Momente.

Doch obwohl Sophia Loren wieder im Zentrum des Geschehens steht, ist das vor allem Mastroiannis hintergründiger Art zu verdanken. Seine Darstellung eines in Liebe zu einer Prostituierten verfallenen Geschäftsmanns, der einerseits mit Mara schlafen will, sich andererseits vor den Anrufen seines strengen Papas fürchtet, ist eine wunderbare Karikatur des modernen Mannes. Dagegen mimt die Loren letztendlich immer die gleiche Figur, auch wenn sie durch Äußerlichkeiten wie arm, reich oder prostituiert nach Außen den Eindruck vermittelt, unterschiedliche Charaktere zu spielen. Sie bleibt immer stark und gegenüber Mastroianni dominant und sogar als Prostituierte moralisch einwandfrei. Wirkliche Schwächen oder gar Ambivalenzen kommen bei ihr nicht vor, auch wenn sie in der dritten Episode noch am wenigsten einseitig agiert.

Insgesamt hinterlässt „Ieri, oggi e domani“ einen zwiespältigen Eindruck. Obwohl es sich hier um keinen typischen Episodenfilm handelt, da De Sica jeweils Regie führte, wirken die drei Teile untereinander nicht homogen und trotz des Filmtitels ohne inhaltliche Linie. Im Gegenteil bleibt der Film in seinem nach Außen hin behaupteten Bemühen, ein facettenreiches Bild Italiens zu zeichnen, oberflächlich und ohne den sezierenden Blick von De Sicas neorealistischen Filmen oder dem kurz zuvor erschienenen
"Il boom". Stattdessen wird hier die ewige Mär von den armen, aber lebensfrohen Menschen erzählt, die mit ihrer Improvisations - Lust auch den widrigsten Bedingungen des Lebens ein Schnippchen schlagen, während die bornierten Reichen sich zu Tode langweilen. Gut gespielt, gefällig und nicht ohne Witz inszeniert, traf das Anfang der 60er Jahre wahrscheinlich den Nerv eines Publikums, das die Nachkriegsjahre hinter sich gelassen hatte und wohlig optimistisch in die Zukunft sehen wollte.

"Ieri, oggi e domani" Italien, Frankreich 1963, Regie: Vittorio De Sica, Drehbuch: Cesare Zavattini, Eduardo De Filippo, Darsteller : Sophia Loren, Marcello Mastroianni, Aldo Giuffrè, Agostino Salvietti, Tina Pica, Laufzeit : 119 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Vittorio De Sica:

"Ladri di biciclette" (1948)
"Miracolo a Milano" (1951)
"Umberto D." (1952)
"Stazione Termini" (1953)
"L'oro di Napoli" (1954)
"Il tetto" (1956)
"La ciociara" (1960)
"Boccaccio '70" (1962)
"I sequestrati di Altona" (1962) 
"Il boom" (1963) 
"Le streghe" (1967)

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.