Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 27. Februar 2015

Come, quando, perché? (Wo, wann, mit wem?) 1969 Antonio Pietrangeli, Valerio Zurlini

Inhalt: Als Ehefrau von Marco (Philippe Leroy), Spross einer alteingesessenen Adelsfamilie, hat Paola (Danièle Gaubert) eine Vielzahl repräsentativer Aufgaben, besonders wenn zu großen Feiern unter den Augen ihrer strengen Schwiegermutter (Elsa Albani) Familienangehörige und Würdeträger zusammenkommen. Für die schöne junge Frau eine selbstverständliche Rolle, die sie sehr zur Zufriedenheit ihres Ehemanns ausfüllt - einzig der Nachwuchs steht noch aus.

Auch Alberto (Horst Buchholz), ein langjähriger Freund ihres Mannes, der aus geschäftlichen Gründen für kurze Zeit in Italien weilt, nimmt sie sich auf einer solchen Feier an, da er sonst Niemanden kennt. Als Paola ihm eine junge Frau zur Seite stellen will, lässt Alberto sie charmant wissen, dass sie ihm die liebste Begleitung wäre. In den folgenden Tagen trifft sie sich mehrfach mit ihm in der Stadt, da ihr Mann nur wenig Zeit für ihn hat - sehr zu Albertos Gefallen, der aus seinen entstehenden Gefühlen für die Frau seines Freundes immer weniger ein Geheimnis macht...


"Wie, wann, warum?"

Scheinbar handelt es sich nur um eine Marginalie, dass Antonio Pietrangelis Filmtitel "Come, quando, perché" nicht nur für den deutschen Verleih in "Wo, wann, mit wem?" verändert wurde. Doch damit bestätigten die Verfasser die Vorurteile und Erwartungshaltung des Publikums an einen Film, der sich dem damals so aktuellen, wie anrüchigen Thema des Ehebetrugs widmete. Besonders die Frage nach dem "mit wem?" unterstellte der Protagonistin, nach Belieben zwischen ihren Sexualpartnern wählen zu wollen – und das „wo“ und „wann“ sollte nur die Umstände für den geplanten Seitensprung klären. Eine verfälschende Aussage, die die vorherrschende Meinung über untreue Ehefrauen aber bestätigte. Und Pietrangelis Intention, sich den wiederstreitenden Emotionen zwischen Erziehung, Konvention und zunehmender Liberalisierung differenziert und vorurteilslos zu nähern, von vornherein unterlief.

Der Roman "Amour terre inconnue" (Liebe, unbekanntes Terrain) von Martin Maurice diente als Vorlage für das von Pietrangeli und Tullio Pinelli verfasste Drehbuch und führte tief in die Ursachensuche des Regisseurs. Obwohl bereits 1928 erschienen, baute Pietrangeli seine aktuelle, Ende der 60er Jahre spielende Story auf dessen Basis einer sozial noch stark reglementierten Gesellschaft auf. Die Handlung des Films beginnt entsprechend mit einer etwa drei Jahrzehnte zurückliegenden Vorgeschichte, die von den ersten amourösen Erlebnissen des heranwachsenden Marco erzählt. Nachdem ihn seine liebevoll autoritäre Mutter (Elsa Albani), mit der er bei Verwandten weilt, zu Bett schickte, kommt das dort lebende, etwas ältere schöne Mädchen heimlich zu ihm aufs Zimmer – eine klassische Konstellation, die viel über die inneren moralischen Regeln nicht nur der Oberschicht in Italien aussagt. Wie dem von Burt Lancaster gespielten Fürsten in Viscontis „Il gattopardo“ (Der Leopard, 1962) stand es den Männern zu, heimliche Liebschaften zu pflegen, solange nach außen die moralische Integrität gewahrt blieb. Entscheidend dafür war die Rolle der Ehefrau, die als Mutter und Hüterin der Familie vorbildlich auftrat – die jeweiligen Geliebten wären dafür nicht in Frage gekommen.

Von diesen archaischen Mustern ist in „Come, quando, perchè?“ nur noch wenig zu spüren. Alles atmet die Moderne der späten 60er Jahre. Zwar wohnt Marco (Philippe Leroy) mit seiner Frau Paola (Danièle Gaubert) in einem schlossartigen Gebäude, aber er lebt das Leben eines modernen Geschäftsmanns in der Großstadt. Paola wirkt gleichberechtigt in der Ehe. Sie nimmt die repräsentativen Pflichten an der Seite ihres Mannes selbstverständlich wahr und geht auch keiner regelmäßigen Arbeit nach, aber darüber hinaus bestimmt sie selbst über ihre Tage, geht zu Vernissagen oder trifft sich mit Freundinnen. Doch dieser äußerliche Eindruck täuscht, denn an den inneren Regeln hat sich nur wenig verändert. Während sich Marco eine Geliebte hält, der er nicht nur die Wohnung finanziert, steht Paolas Rolle als zukünftige Mutter schon fest.

Wie bei Antonio Pietrangeli gewohnt, ist es die Frau, die im Mittelpunkt seines Films steht. Und doch betrat er Neuland in „Come, quando, perchè?“. Erstmals arbeitete er nicht mit Ruggero Maccari und Ettore Scola zusammen, die bis zu seinem letzten Langfilm „Io la conoscevo bene“ (Ich habe sie gut gekannt, 1965) gemeinsam mit ihm jeweils die Drehbücher zu seinen Filmen verfasst hatten, sondern mit Tullio Pinelli, Federico Fellinis bevorzugtem Autor (zuletzt „Giulia degli spiriti“ (Julia und die Geister, 1965)). Schon Pietrangelis Kurzfilm „Fata Marta“, der als vierte Episode in „Le fate“ (Die Gespielinnen) 1966 erschienen war, entstand ohne ihre Mitarbeit, aber Ruggero Maccari war als Drehbuchautor noch an einer der anderen Episoden beteiligt. Trotzdem wies „Fata Marta“ schon auf den entscheidenden Unterschied zu Pietrangelis bisherigem Werk hin. Stammten die jungen Frauen, denen sein besonderes Interesse galt, zuvor aus den unteren Gesellschaftsschichten, war er mit seiner Episode zu „Le fate“ in die High Society gewechselt. Materielle Sorgen oder soziale Ausgrenzung – Themen, die in Pietrangelis Filmen trotz ihres hohen Unterhaltungswerts immer mitschwangen – spielten in „Come, quando, perchè?“ scheinbar keine Rolle mehr.

Darin erinnert sein Film an Michelangelo Antonio, der seine Trilogie „L’avventura“ (Die mit der Liebe spielen, 1960), „La notte“ (Die Nacht, 1961) und „L’eclisse“ (Liebe 1962, 1962) über die sich nach dem Krieg verändernde Sozialisation in Italien von alltäglichen Einflüssen entschlackte, um seine Intentionen klarer herausarbeiten zu können. Auch Pietrangelis Protagonistin Paola verfügt immer über genügend Geld, hat ein eigenes Auto und kann ihre Zeit selbst gestalten. Ob sie länger am mondänen Badeort auf Sardinien bleibt oder früher ein Flugzeug zurücknimmt, obliegt allein ihrer Entscheidung. Die gleichen Voraussetzungen gelten auch für Alberto, der sich alle Freiheiten nehmen kann, um um die begehrte Frau zu werben, auch wenn er dafür seine geschäftlichen Planungen vollständig ändern muss. Anstatt wieder kurzfristig in die USA zurückzukehren, mietet er in Italien eine Wohnung an.

Diese idealisierte Situation war notwendig, um die verborgenen Emotionen Paolas langsam nach außen kehren zu können, wie die nur vordergründig absurde Schlüssel-Szene des Films offenbart: Paola begibt sich allein in ein Kino, wo sie von einem gepflegt gekleideten jungen Mann sexuell belästigt wird. Er lässt sich von ihrer heftigen Gegenwehr nicht abbringen und folgt ihr noch, als sie den Kinosaal fluchtartig verlässt. In dieser Szene ist auf der Kinoleinwand ein kurzer Ausschnitt aus „Fata Elena“, dem dritten unter der Regie Mauro Bologninis entstandenen Teil des Episodenfilms „Le Fate“, zu sehen, der den ehelichen Seitensprung überspitzt als selbstverständlichen Bestandteil einer zeitgemäßen Lebensführung wohlhabender Kreise beschreibt. Ein ironischer Kommentar zu Paolas unterdrückten Gefühlen, die der junge Mann ebenso spürt wie die Urlaubsbekanntschaft (Colette Descombes) auf Sardinien, deren Begeisterung für Paola eindeutige sexuelle Züge annimmt – nur dass es die Angebetete selbst nicht wahrhaben will.

Einzig Alberto gelingt es, zu ihr vorzudringen, aber dafür muss er sich vollständig auf ihre Ebene einlassen. Während der junge Mann im Kino und die junge Frau auf Sardinien wie Boten einer neuen Zeit wirken, verkörperte Horst Buchholz eine adäquate Alternative zu dem nicht weniger souverän als Ehemann auftretenden Philippe Leroy – gutaussehend, weltgewandt, gemäßigt konservativ und wohlhabend. Allein die Zeit, die sich Pietrangeli nahm, um Albertos Annäherung an Paola zu schildern, ihr dabei zuzusehen, wie sie trotz ihrer entstehenden Gefühle nur langsam ihre anerzogenen Konventionen aufgibt, lässt das „mit wem?“ im deutschen Filmtitel nur als Fehlgriff begreifen.

„Come, quando, perchè?“ ist kein Plädoyer für den Seitensprung, wie es auch der katholische Filmdienst damals missverstand, sondern Pietrangeli versuchte wie in allen seinen Filmen, die Komplexität unter einer Eindeutigkeit vorgebenden Oberfläche offenzulegen. Die sozialen Veränderungen nach dem Krieg brachen zwar mit alten Mustern, aber lösten damit nicht automatisch deren Probleme. Paola gerät unmittelbar in den Konflikt zwischen Moderne und Konvention, ohne sich entscheiden zu können. Alberto hat trotz der Liebes-Affäre nie wirklich eine Chance, denn er ist ihrem Mann zu ähnlich. Doch auch ihrem bisherigen Leben treu zu bleiben, kann nicht über ihre unterdrückten Gefühle hinwegtäuschen.

Regisseur Valerio Zurlini vollendete Pietrangelis letzten Film, der zuvor bei einem Unfall verstarb, änderte aber nichts an dessen letztlicher Aussage – die Fragen nach dem „wie“, „wann“ und „warum?“ blieben offen. Leider hatte Antonio Pietrangeli keine Gelegenheit mehr, weiter nach Antworten zu suchen.

"Come, quando, perché?" Italien, Frankreich 1969, Regie: Antonio Pietrangeli, Valerio Zurlini, Drehbuch: Antonio Pietrangeli, Tullio Pinelli, Martin Maurice (Roman), Darsteller : Danièle Gaubert, Philippe Leroy, Horst Buchholz, Lilli Lembo, Elsa Albani, Colette Descombes, Laufzeit : 102 Minuten

- weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Pietrangeli :

"Porträt Antonio Pietrangeli" 

"Il sole negli occhi" (1953)
"Amori di mezzo secolo" (1954)
"Adua e le compagne" (1960) 
"La parmigiana" (1963) 
"La visita" (1963)
"Io la conoscevo bene" (1965)
"Le fate" (1966)

Lief in der deutschen Kinofassung am dritten Tag des 14. Hofbauer-Kongress' vom 02. bis 06.01.2015 in Nürnberg - eine äußerst seltene Gelegenheit.

Samstag, 21. Februar 2015

Le fate (Die Gespielinnen) 1966 Luciano Salce, Mario Monicelli, Mauro Bolognini, Antonio Pietrangeli

Inhalt: Episode 1 „Fata Sabina“ (Regie Luciano Salce):  
Sabina (Monica Vitti) rennt panikartig durch den Wald, verfolgt von einem Mann, der sie mit allen Mitteln zu fassen versucht. Glücklicherweise kommt ihr ein Autofahrer zu Hilfe, der die flüchtende Frau mitnimmt. Aufgeregt schildert Sabina diesem die vorherigen Ereignisse, alles in detaillierter Form ausmalend. Wenig später rennt sie erneut durch den Wald…

Episode 2 „Fata Armenia“ (Regie Mario Monicelli): 
Der Kinderarzt Dr. Aldini (Gastone Moschin) ersteigt das Dach eines Palazzo, um ein Baby zu untersuchen, das dort aus seiner Sicht in prekären Verhältnissen lebt. Die ledige junge Mutter Armenia (Claudia Cardinale) betrachtet die Situation dagegen sehr entspannt und konfrontiert den Doktor nicht nur mit ihrer leichtfertigen Art, sondern auch mit einer direkten Erotik, der er nicht gewachsen ist. Als sie am nächsten Tag mit ihrem Kind bei ihm in der Praxis steht, selbstverständlich die Warteschlange ignorierend, ist er unfähig, ihr Einhalt zu gebieten…

Episode 3 „Fata Elena“ (Regie Mauro Bolognini): 
Luigi (Jean Sorel) scharwenzelt um die schöne Elena (Raquel Welsh) herum und versucht einen Kuss zu erhaschen. Diesen gewährt sie ihm, ziert sich sonst aber und widmet sich scheinbar ihrer Handarbeit. Als plötzlich ihr Ehemann das moderne Haus betritt, sieht Luigi zu, dass er durch den Hintereingang verschwindet, um ins Nachbarhaus zurückzugehen…

Episode 4 „Fata Marta“ (Regie Antonio Pietrangeli): 
Giovanni (Alberto Sordi) arbeitet bei einer mondänen Abendveranstaltung als Kellner und versucht so gut es geht, Ruhe innerhalb der immer ausgelasseneren Gesellschaft zu bewahren. Doch als die betrunkene Marta (Capucine) ihn zu sich bestellt und ihn unmissverständlich verführt, kann er sich nicht entziehen und schläft mit ihr. Überraschend erfährt er am nächsten Morgen, dass ihn die Gastgeberin des Festes als Diener und Chauffeur bei Marta und deren Mann, einem bekannten Arzt, empfohlen hat. Erfreut nimmt er die Stelle an, in der Hoffnung Marta näher zu kommen…


Betrachtet man die vielfältigen Filmtitel, unter denen "Le fate" international vermarktet wurde, wirft das ein bezeichnendes Licht auf den Versuch der Verleihfirmen, das jeweilige Publikum auf einen Film einzustimmen, der die üblichen Erwartungshaltungen an eine frivole Komödie nicht erfüllen wollte. Und sprach auf diese Weise das Urteil über vier schöne, erotische Frauen, die in der ihnen jeweils gewidmeten Episode weder unbekleidet zu sehen sind, noch beim Sex mit einem Mann. Mit Ausnahme eines sehr eingeschränkten Beispiels in der vierten Episode "Fata Marta", haben sie überhaupt keinen Sex.

Verleihtitel in den USA
Die häufigste, in mehreren Sprachen gewählte Variante war sie als "Königinnen" zu bezeichnen (US-Titel "The queens"), vielleicht um damit ihre Unerreichbarkeit für die Männer noch zu betonen. Weniger freundlich klang der spanische Titel "Las cuatro brujas" (Die vier Hexen), der den Frauen Absicht bei ihrer nicht eingelösten Verführungskunst unterstellte. Eine Ansicht, die offensichtlich auch der französische Titel "Les ogresses" teilte, der die Frauen in die Nähe weiblicher Ungeheuer rückte, speziell "männerfressende". Dagegen kam der deutsche Verleihtitel "Die Gespielinnen" optimistischer daher, löste aber das damit gegebene sexuelle Versprechen nicht ein. Außerhalb Italiens verwendete Niemand den Originaltitel "Le fate" (Die Feen), obwohl diese Bezeichnung den irrealen, nicht greifbaren Charakter sehr schön erfasste – nicht allein in seiner Signifikanz für das weibliche Geschlecht, mehr noch für die Unmöglichkeit einer funktionierenden Interaktion zwischen Mann und Frau.

Mitte der 60er Jahre boomte das Thema Sex. Die Nacktdarstellungen blieben zwar noch zurückhaltend, aber die thematische Aufarbeitung hatte nach dem Ende der prüden 50er Jahre beinahe schon inflationäre Ausmaße angenommen, auch dank der an „Le fate“ beteiligten Regisseure und Drehbuchautoren. Mario Monicelli, dessen Komödien schon in den 50er Jahren mit moralischen Tabus brachen, hatte eine Episode zu „Boccaccio ‘70“ (1962) beigesteuert, der Initialzündung nicht nur für den italienischen Episodenfilm der 60er Jahre, sondern auch der Nährboden für eine respektlose Analyse des immer gleichen Themas – der Beziehung zwischen Mann und Frau. Galt der konkrete Umgang mit der Sexualität in den 50er Jahren noch als Provokation links-intellektueller Regisseure wie Alberto Lattuada („La spiaggia“ (Der Skandal, 1954)), gehörten Themen wie Sex vor der Ehe, wechselnde Partnerschaften oder Seitensprünge in der Ehe inzwischen zum gängigen Repertoire.

Luciano Salce hatte in „La voglia matta“ (Lockende Unschuld, 1962) auf tragi-komische Weise die Konfrontation der älteren Generation mit einer offen ihre Sexualität lebenden Jugend thematisiert und war im Jahr zuvor mit der vielsagenden Episode „La moglie bionda“ (Die blonde Ehefrau) am Episodenfilm „Oggi, domani, doppodomani“ (1965) beteiligt, dessen Titel „Heute, morgen, übermorgen“ ähnlich wie „Boccaccio ‘70“ einen Blick in die Zukunft der Beziehungsentwicklung andeuten sollte. Mauro Bolognini konzentrierte sich zwischen 1964 und 1967 ausschließlich auf den Episodenfilm, schuf insgesamt neun Kurzfilme, die sich alle um das Thema Frau, Sex und Begierde drehten und Antonio Pietrangeli galt schon seit seinem Erstling „Il sole negli occhi“ (Die Sonne in den Augen, 1953) als profunder Dokumentar der Rolle der Frau in der italienischen Gesellschaft. 1965 war sein exemplarisches Werk „Io la conoscevo bene“ (Ich habe sie gut gekannt) über die nur scheinbare neue Freiheit junger Frauen entstanden.

Angesichts dieser Voraussetzungen und der illustren weiblichen Besetzungsliste Monica Vitti, Claudia Cardinale, Raquel Welsh und Capucine lag die Erwartungshaltung an ein frech, frivoles Werk nah. Und genau das wurde es auch, aber ohne gängige Muster zu bedienen. Die Frauen sind das reinste Versprechen. Die Kamera streichelt ihre Körper, deutet nur an, ohne konkret werden zu müssen. Kleidung, Frisuren, Autos und die Architektur strahlen Extravaganz aus - nicht zuletzt auch die ärmliche Behausung von Armenia (Claudia Cardinale) in der 2. Episode „Fata Armenia“, die auf dem Dach eines römischen Palazzo wohnt. Und die Männer? – Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Der gereifte Lebemann und Cabriolet-Fahrer Gianni (Enrico Maria Salerno), Dr. Aldini (Gastone Moschin), ein sympathisch vertrottelter Kinderarzt, der schöne Nachbar Luigi (Jean Sorel) und der Diener und Chauffeur Giovanni (Alberto Sordi).

Gemeinsam ist allen, dass sie nicht zueinander finden. Keineswegs in der typischen Form einseitiger Anziehung und Ablehnung, wie es die diversen Filmtitel suggerieren, sondern in einem komplexen Wirrwarr aus unterdrückten Emotionen und aufrecht erhaltenen Konventionen, mit denen die Regisseure und ihre nicht weniger prominenten Drehbuchautoren – darunter Suso Checchi D’Amico, Ruggero Macchari und Tonino Guerra – die sexuelle Liberalisierung als äußerlichen Schein enttarnten.

Dafür griffen sie auch zu plakativen Mitteln wie in der ersten Episode „Fata Sabina“ unter der Regie Luciano Salces. Diese beginnt damit, dass Sabina (Monica Vitti) vor einem Mann flüchtet, der sie offensichtlich vergewaltigen will. Er lässt erst von ihr ab, als ein anderer Mann mit seinem Auto am Straßenrand anhält und sie mitnimmt. Aufgeregt und empört schildert sie ihrem Retter, einem bürgerlich biederen Typen, was ihr wiederfahren ist, dabei ganz in ihrer sexy Körperlichkeit aufgehend. Mit dem Ergebnis, dass der Mann nach kurzer Zeit nicht mehr an sich halten kann und ebenfalls versucht, sie zu vergewaltigen. Bis sie erneut dank der Hilfe eines Cabriolet-Fahrers (Enrico Maria Salerno) entkommen kann. Dieser lässt sich durch ihr exaltiertes Auftreten nicht aus der Ruhe bringen und entpuppt sich als erfahrener Liebhaber, wie sie bei einem Telefonat mit einer anderen Frau mitanhören muss – schließlich ist sie es, die ihn verfolgt.

Der knapp 20minütige Kurzfilm dreht sich um das Vorurteil, dass Frauen zwar beachtet werden wollen, sich dann aber wundern, wenn ihnen ein Mann zu Nahe tritt. Werden sie dagegen ignoriert, gefällt es ihnen auch nicht, worauf sie vehement Aufmerksamkeit einfordern. Monica Vittis Aktionismus und Salernos phlegmatische Reaktion wandelten die Thematik in einen überdrehten Witz, der aber keinen Zweifel an der Verklemmtheit aller Beteiligten beließ – und damit die Richtung für den gesamten Film vorgab. Jede Episode widmet sich einem typischen Frauen-Klischee und spielt es in zugespitzter Form durch.

Claudia Cardinale mimt in Episode 2 „Fata Armenia“ unter Mario Monicellis Regie eine junge ledige Mutter aus einfachen Verhältnissen, die einen Kinderarzt mit ihrer unberechenbaren, fordernden Art beinahe in den Wahnsinn treibt, der sich ihrer erotischen Ausstrahlung aber nicht entziehen kann, die diametral zu seinem sonstigen Umfeld steht. „Fata Armenia“ zitiert einen klassischen Komödien-Stoff – eine quirlige junge Schönheit verführt einen etwas steifen älteren Intellektuellen mit Vorteilen für beide Seiten. Sie entkommt der Armut, er wird zu einem sozialen Wesen. Eine vielfach von Sophia Loren verkörperte Rolle („It started in Naples" (Es geschah in Neapel, 1960)), die trotz ihrer offen eingesetzten Sexualität in moralisch einwandfreie Verhältnisse münden musste. Erwartungsgemäß wählte „Fata Armenia“ eine eigenständige Auflösung jenseits des üblichen Happy-Ends, blieb aber innerhalb des Films die freundlichste Episode.

Im Gegensatz zum dritten Teil „Fata Elena“, der sich dem Thema „Gelangweilte Ehefrau in besten Verhältnissen hält sich einen Hausfreund“ annahm. Mauro Bolognini inszenierte diese kürzeste Episode in einem hoch stilisierten Umfeld mit einer unterkühlt erotischen Raquel Welsh im Mittelpunkt. Alles ist hypermodern und artifiziell. Die junge Elena vertreibt sich die Zeit mit Handarbeiten, während der nicht minder attraktive Luigi (Jean Sorel) charmant versucht eine Berührung oder einen Kuss von ihr zu erhaschen. Elena ziert sich, um im nächsten Moment verführerische Nähe herzustellen – bis ihr Ehemann auftaucht, weshalb Luigi sich durch einen Nebeneingang entfernt. In Richtung eines im selben modernen Architektur-Stil gebauten Nachbargebäudes, wo seine hübsche junge Ehefrau ebenfalls bei ihren Handarbeiten sitzt, während ein anderer Mann das Haus verlässt. Pflegten die ersten beiden Episoden einen eindeutig komödiantischen Stil, verbirgt die dritte ihren sarkastischen Humor unter technologischer Stringenz – der Seitensprung wird zum angesagten Bestandteil eines modernen Lebensstils.

Dass Regisseur Antonio Pietrangeli einen Ausschnitt dieser dritten Episode „Fata Elena“ in seinem folgenden Film „Come, quando, perché“ (Wo, wann, mit wem?, 1969) zitierte – er zeigt eine Szene daraus bei einem Kinobesuch der Protagonistin – , war als ironischer Kommentar zu verstehen, verdeutlicht aber auch die Problematik hinsichtlich der Interpretation des Episodenfilms. Beschrieb Pietrangeli in seinem wegen seines Unfalltods letzten Film ernsthaft und ohne zu urteilen den Konflikt einer jungen Ehefrau zwischen Konventionen und moralischer Liberalisierung, barg die Zuspitzung von Klischees in „Le fate“ die Gefahr einseitiger Sympathien zugunsten der Männer. Gut an den internationalen Filmtiteln abzulesen. Besonders die vierte unter Pietrangelis Regie entstandene Episode „Fata Marta“ betonte dieses Ungleichgewicht durch die Gegenüberstellung der französischen Darstellerin Capucine mit dem beliebten italienischen Volksschauspieler Alberto Sordi.

Die damals 40jährige Capucine, ein ehemaliges Mannequin, ist wunderschön in ihrer Rolle als standesbewusste Ehefrau eines hochangesehenen Arztes, schläft mit ihrem Diener und Chauffeur Giovanni (Alberto Sordi) aber nur unter Alkoholeinfluss, um ihn am nächsten Tag, ohne sich an ihre nächtlichen Abenteuer zu erinnern, wieder wie einen Domestiken zu behandeln. Giovanni hegt dagegen ernsthafte Gefühle für sie und spricht sie vorsichtig darauf an - mit niederschmetterndem Ergebnis. Am Ende toleriert er ihre Erniedrigungen, um in ihrer Nähe bleiben zu können – sein letzter Blick fällt durch den Fahrzeug-Spiegel auf ihre Beine.

Pietrangeli nahm in „Fata Marta“ die Thematik unterdrückter Emotionen seines nächsten Films vorweg, reihte sich aber mit seiner Episode in den sonstigen Charakter des Films ein, die Klischeehaftigkeit dieser Konstellationen humorvoll zu übertreiben. Angesichts der schönen Frauen und unterhaltsam inszenierten Stories ein abwechslungsreiches Vergnügen, dessen Erotik unterschwellig blieb. Allerdings bedarf es einer erheblichen Abstrahierung, um den Subtext einer generellen Beziehungsunfähigkeit beider Geschlechter zu erfassen und die Schuld nicht allein den Frauen zuzuweisen.

"Le fate" Italien, Frankreich 1966, Regie: Luciano Salce, Mario Monicelli, Mauro Bolognini, Antonio Pietrangeli, Drehbuch: Suso Cecchi D'Amico, Tonino Guerra, Ruggero Maccari, Luciano Salce, Giorgio Salvioni, Luigi Magni, Roberto Sonego, Darsteller : Monica Vitti, Claudia Cardinale, Raquel Welsh, Capucine, Enrico Maria Salerno, Jean Sorel, Gastone Moschin, Alberto Sordi, Laufzeit : 110 Minuten


weitere im Blog besprochene Filme von Luciano Salce:

"La voglia matta" (1962)
"Come imparai ad amare le donne" (1966)
"Fantozzi" (1975)

- weitere im Blog besprochene Filme von Mario Monicelli :
"La ragazza con la pistola" (1968)
"I nuovi mostri" (1977)

- weitere im Blog besprochene Filme von Mauro Bolognini :


- weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Pietrangeli :

"Porträt Antonio Pietrangeli" 

"Il sole negli occhi" (1953)
"Amori di mezzo secolo" (1954)
"Adua e le compagne" (1960) 
"La parmigiana" (1963) 
"La visita" (1963)
"Io la conoscevo bene" (1965)
"Come, quando, perché" (1969)

Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.