
Um den Schuldigen für den Tod ihres Kollegen zu finden, werden wahllos Studenten festgenommen, bevor der gleich zu Beginn der Demo verhaftete Massimo Trotti (Luigi Diberti) als Hauptverdächtigter präsentiert wird. Richter Sola (Martin Balsam) bekommt die Ermittlungen übertragen, ohne zu ahnen, dass sein Sohn der wirkliche Täter ist...

Beginnend 1967 mit Elio Petris „A ciascuno il suo“ (Zwei Särge auf Bestellung), über Damiano Damianis „Il giorno della civetta“ (Der Tag der Eule) von 1969, und weiteren zwei Filmen von Elio Petri - „Ingadine su un cittadino al di sopra di ogni sospetto“ (Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger) und „La classe oparaia va in paradiso“ (Die Arbeiterklasse kommt ins Paradies)1970 und 1971 - , steht Bologninis Film über die Studentenproteste am Ende einer Reihe von höchst brisanten, jeweils von Pirro geschriebenen Polit-Filmen. Doch während Elio Petris und Damianis Film über mafiöse Strukturen in der Politik sehr pessimistisch angelegt waren, und sich Petris spätere Filme durch ihren beißenden, teils überzeichneten Blick auszeichneten, wirkt Bologninis Film aus heutiger Sicht unspektakulär und zurückhaltend. Selbst der historische Film „Il Giardino dei Finzi Contini“ (Im Garten der Finzi Contini), den Pirro gemeinsam mit Vittorio De Sica zwischen den Petri-Filmen entwarf, schien in seiner Gesellschaftskritik relevanter, weshalb „Imputazione di omicidio per uno studente”, der auch als einziger der zuvor genannten Filme keinen Preis gewann, bis heute nahezu unbekannt blieb.


Auch ihr jeweiliger Hintergrund ist ähnlich differenziert gestaltet. Zwar wurde mit Massimiliano Trotti (Luigi Diberti) ein Student festgenommen und des Mordes an dem Polizisten angeklagt, aber als Richter Sola professionell beginnt, die Ermittlungen der Polizei zu hinterfragen, werden Aggressionen innerhalb der Truppe spürbar. Einen Moment keimt der Eindruck auf, es könnte für den Richter gefährlich werden – wie oft im italienischen Polit-Thriller – aber an Verschwörungen hat der Film kein Interesse. Im Gegenteil wird dem ehrgeizigen und aus seiner Abneigung gegenüber den Studenten kein Geheimnis machenden Commissario Cottone (Pino Colizzi), der zunehmend in Verdacht gerät, selbst geschossen zu haben, der gemäßigte ältere Commissario Malacarne (Turi Ferro) gegenüber gestellt, der diesen mehrfach in die Schranken weist. Immer bleibt die Polizeiarbeit in einem Gleichgewicht zwischen Wut auf die Studenten und dem gesteigerten Interesse, schnell einen Schuldigen zu präsentieren, und einer möglichst objektiven Ermittlungsarbeit.

Durch diesen bewussten Verzicht auf Polemik und eine vordergründige Sympathiebekundung, erntete der Film nicht nur keine Zustimmung von irgendeiner politischen Seite, sondern setzte sich zudem dem Verdacht aus, keine Stellung zu beziehen, was sich noch durch die scheinbare Unentschiedenheit des Endes bekräftigen ließe. Doch tatsächlich bewies der Film Mut, indem er die Thematik von üblicher Ideologie befreite und sich auf den Generationskonflikt konzentrierte, der nach der Phase des Wiederaufbaus nach dem 2.Weltkrieg kommen musste und der letztlich der Auslöser für die Proteste wurde. Es ist auch falsch, dem Film keine klare Haltung zu unterstellen, nur weil er von politischen Statements absah. Im Gegenteil versuchte er sich damit nur, den üblichen ideologischen Verdächtigungen zu entziehen, aber aus seiner Haltung, dass sich die Gesellschaft verändern muss, machte er kein Geheimnis.
"Imputazione di omicidio per uno studente" Italien 1972, Regie: Mauro Bolognini, Drehbuch: Ugo Pirro, Darsteller: Martin Balsam, Massimo Ranieri, Valentina Cortese, Salvo Randone, Petra Pauly, Laufzeit: 96 Minuten
- weitere im Blog besprochene Filme von Mauro Bolognini :
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