Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Donnerstag, 3. März 2011

Il profumo della signora in nero (Das Parfüm der Dame in Schwarz) 1974 Francesco Barilli

Inhalt: Silvia Hacherman (Mimsy Farmer) lebt allein in einer großen Wohnung in einem herrschaftlichen alten Gebäude. Außer zu ihren Nachbarn, Signor Rossetti (Mario Scaccia), und der jungen Francesca (Donna Jordan), hat sie nur zu wenigen Menschen Kontakt und auch ihr Freund Roberto (Maurizio Bonuglia) hat es nicht immer leicht mit ihr. Denn Silvia ist gerne allein und zieht sich in ihre Wohnung zurück. Als sie nach einem Abend mit Roberto erst am nächsten Nachmittag von ihrer Haushälterin geweckt wird, erschrickt sie, denn sie hatte noch nie so lange geschlafen. Zudem liegt das alte Familienbild mit zersplittertem Rahmen auf dem Boden, weshalb sie es zur Reparatur weggibt. 

Die merkwürdigen Ereignisse häufen sich und Silvia sieht immer wieder Menschen, die scheinbar nicht real sind. Zunehmend empfindet sie ihre Umgebung als Bedrohung, aber die Gefahr lauert auch in ihrer Wohnung, in die sich sich zunehmend flüchtet...


Als Francesco Barilli mit "Il profumo della signora in nero" seinen ersten Film drehte, hatte er trotz seiner Jugend schon einige Erfahrungen als Darsteller, Regie-Assistent und Drehbuchautor gesammelt. Das der Film, neben "Pensione paura" aus dem Jahr 1977, sein einziger Kinofilm blieb, ist angesichts seiner Qualitäten auch als Regisseur bedauerlich, verdeutlicht aber auch die intensive Beziehung zu seinen wenigen Werken.

Silvia Hachermann, verkörpert von der amerikanischen Darstellerin Mimsy Farmer, wird von Barilli in einer Art inszeniert, die von einer unmittelbaren Emotionalität zu der selbst erdachten Hauptfigur zeugt. Es ist nicht nur die weibliche Schönheit, die fließenden Kleider, der leichte Gang und die anmutigen Bewegungen, die diesen Eindruck erzeugen, sondern eine Aura der Einsamkeit und Verletzlichkeit, die Silvia vom ersten Moment an umgeben. Obwohl äußerlich gesellschaftlich integriert - sie hat einen gut bezahlten Job und mit Roberto (Maurizio Bonuglia) einen attraktiven, gebildeten Freund - wirkt sie nie wie ein Teil dieser Realität. Auch sexuell entzieht sie sich einer plumpen Zuordnung - den wenigen Momenten ihrer Nacktheit fehlt jeglicher voyeuristischer Anstrich, so wie der einzige Sexualakt mit ihrem Freund fast grob wirkt in seiner Unmittelbarkeit, damit schon die Entfremdung zwischen Silvia und Roberto verdeutlichend.

Barillis Blick auf diese weibliche Figur überträgt sich in einer Art auf den Betrachter, welche die Identifikation mit ihr weniger durch eine charakterliche Nähe prägt, als dem Miterleben ihrer solitären Situation. Schon in den ersten sehr ästhetischen Bildern, untermalt von einer gleichzeitig altmodisch wie geheimnisvoll klingenden, immer wieder kehrenden Musik, baut sich eine innere Spannung auf und wird der Betrachter zum Teil ihres sehr geordneten, ruhigen Lebens. Dieses Tempo behält Barilli über die gesamte Laufzeit bei, verfällt nie in schnelle Bewegungen, sondern verharrt selbst in den Momenten des Erschreckens in einer Ruhe, die sich nie der Banalität einer Realität hingibt.

Auch die Silvia umgebenden Figuren, neben Roberto vor allem die hübsche Francesca (Donna Jordan), die auch in ihrem Haus wohnt, der väterliche Nachbar Signor Rossetti (Mario Scaccia) oder Andy (Jho Jhenkins), ein Bekannter von Roberto, der Silvia mit seinen Erzählungen über afrikanische Kult-Handlungen erschreckt, sind ausgesprochen freundlich und wohl erzogen, aber der Film fokussiert sie zunehmend aus Silvias Blickwinkel, durch den alles Außenstehende bedrohlich wirkt. Dabei gelingt es dem Film, das Vertrauen in die Menschen, mit denen Silvia befreundet ist, zu verändern - Skepsis verursachende Personen erweisen sich als vertrauenswürdig, schützende Menschen wirken plötzlich gefährlich. Doch wirklich konkret wird der Film nie, sondern behält immer den Blickwinkel einer durch Silvias Empfinden geprägten Subjektivität.

Das gilt auch für ihre Vergangenheit und sie stark prägende Ereignisse ihrer Kindheit, die Barilli nie mit einem aufklärerischen Gestus verfolgt, sondern nur durch Andeutungen, real wirkende Verknüpfungen und dem Auftauchen einer geheimnisvollen Dame in Schwarz, die sich mit Parfüm bestäubt - offensichtlich Silvias Mutter. Diese Szenen scheinen, vor allem wenn sich Silvia mit sich selbst als Kind unterhält, ein deutliches Anzeichen für die geistige Verwirrtheit der Protagonistin abzugeben, aber der Film verweigert trotzdem eine eindeutige Bewertung dieses Verhaltens - ist es ihr sich verschlechternder geistiger Zustand, wie ihr Freund Roberto vermutet, oder nur eine Reaktion auf eine sie real bedrohende Umwelt ?

Die sich langsam steigernde Gefahr, die sich häufenden verwirrenden Ereignisse, entziehen sich üblichen Erklärungen und einer nachvollziehbaren Logik, da Barilli nie deutlich werden lässt, ob sie im Innen- oder Außenraum stattfinden. Das gilt letztlich auch für die abschließende Szene, die in ihrer groben Schockwirkung scheinbar aus dem Rahmen fällt - weniger durch die konkrete Handlung, als durch ihren realistischen Anstrich, der sich einen Moment von der Ästhetik des Films entfernt und eine unwirkliche Kälte annimmt. Doch die Finsternis des Endes, aus dem der Betrachter auf die weit entfernte Silvia blickt, lässt erahnen, dass damit der Schrecken noch nicht beendet ist.


"Il profuma della signora in nero" Italien 1974, Regie: Francesco Barilli, Drehbuch: Francesco Barilli, Barbara Alberti, Amedeo Pagani, Darsteller : Mimsy Farmer, Maurizio Benuglia, Mario Scaccia, Jho Jenkins, Donna Jordan, Laufzeit : 99 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Francesco Barilli:

1 Kommentar:

Raul hat gesagt…

Super Blog gefällt mir sehr gut weiter so

Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.