Am nächsten Tag erfahren sie, dass es bei dem Vorfall im Stadion einen Toten gab, aber die Polizei hegt keinen Verdacht gegen konkrete Personen und auch der Auto- und Motorraddiebstahl wird den üblichen Verdächtigen - Einwanderern und politischen Aktionisten - in die Schuhe geschoben. Als die drei Freunde am nächsten Tag von der Arbeit nach Hause fahren, stoßen sie beinahe mit einem Lastwagen zusammen, der die Vorfahrt missachtet hatte, und sie zusätzlich noch verhöhnt. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, bei der Mainardi den Fahrer mit einem Schraubenzieher ersticht.
Als sich wieder die Zeugenaussagen als unzureichend herausstellen und die Polizei keine Spur hat, beginnen die Drei systematisch mit mörderischen Aktionen...


Da ist zum Einen Ovidio Mainardi (Joe Dallesandro, ein us - amerikanischer Darsteller, der aus Andy Warhol's Factory stammte und dort als männliches Nacktmodell berühmt wurde), der als Techniker in einer Computerfabrik arbeitet. Auch wenn die veralteten Geräte heute einen steinzeitlichen Eindruck hinterlassen, überrascht die Modernität in der Betrachtung des Arbeitslebens. Sowohl die umgebende Architektur, als auch Kleidung und Arbeitsklima haben nichts an Aktualität verloren, auch wenn der pessimistische Blick auf die Eintönigkeit der Tätigkeit, die der Film hier beschreibt, sicherlich einer damals vorherrschenden Skepsis vor der neuen Technik entsprang.
Sehr gelungen ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Commissario Santaga (Enrico Maria Salerno) das erste Mal auftaucht. Der gehbehinderte, ältere Beamte befindet sich in einem Vortragsraum der Computerfirma, wo er als Vertreter der Polizei in die neue Technik eingewiesen werden soll. Nachdem der Vortragende seine von Fachbegriffen geprägte Rede beendet hatte, stellt ihm der Commissario eine ebenso verschlüsselte Frage. Dafür bekommt er wegen seiner Mitarbeit viel Lob, eine Antwort erhält er natürlich nicht, denn so offensichtlich seine Frage nur Fachwissen vortäuschte, so wenig war der Vortragende in der Lage, es zu durchschauen. Diese ironische, seine Umwelt jederzeit entlarvende Sprache behält der Commissario über die gesamte Spielzeit bei, was dem Film eine angenehm humorvolle Komponente verleiht.
Als sich die beiden Protagonisten bei dieser Gelegenheit das erste Mal begegnen, lag der erste mörderische Akt schon zurück, wurde aber noch nicht als solcher betrachtet. Mainardi hatte, nachdem er in seiner Firma ein Experiment mit weißen Mäusen betrachtet hatte, spontan diese Erfahrung bei einem Fussballspiel von Juventus Turin umgesetzt. Der Zusammenhang zwischen dem Aggressionsverhalten von eingesperrten weißen Mäusen und Fußballfans in einem vollen Stadion, wirkt im ersten Moment etwas vereinfacht, bekommt aber hinsichtlich der Vorkommnisse im Brüsseler Heysel-Stadion zehn Jahre später, bei dem 39 Fans von Juventus Turin starben, eine tragische, vorausschauende Komponente, die verdeutlicht wie nah der Film, den Salerno wie schon mehrfach zuvor gemeinsam mit Ernesto Gastaldi entwickelte (darunter "La lunga spiaggia fredda" (Rocker sterben nicht so leicht, 1971), der Realität kam. Mit zwei Freunden hatte Mainardi eine Kettenreaktion ausgelöst, die eine Schlägerei provozierte, bei der ein Mann stirbt, während er das Stadion schon wieder verlassen hatte, um ein Auto zu stehlen. Mit diesem verursachen die drei Männer weitere Unfälle bis sie zwei Motorradfahrer mit einer geöffneten Tür herunterholen, um mit deren Maschine zu fliehen.

Parallel zur wachsenden Brutalität ihrer Vorgehensweise, vertieft der Film deren gesellschaftlichen Hintergrund, der zu drei Typisierungen führt. Mainardi, verheiratet mit einer attraktiven Ärztin, die ihn aus Karrieregründen betrügt, gehört zur bürgerlichen Oberschicht, während sein aus Italiens Süden stammender Kollege Teil einer Großfamilie ist, die in einem heruntergekommenen Mietshaus lebt. Er schämt sich für seine ärmliche Verwandtschaft. Der Dritte, Giacomo Boato, lebt noch bei seiner Mutter, die ein strenges Regime in ihrem Haushalt führt. Es ist bemerkenswert, mit welcher Fülle an Details der Film - trotz seiner verhältnismäßig kurzen Laufzeit - aufwartet und damit eine Komplexität entwickelt, die unmittelbare Klischees vermeidet.

"Fango bollente" gelingt es mühelos, seine schnelle, jederzeit unterhaltende Story mit der Beschreibung einer egoistischen, dummen und aggressiven Gesellschaft zu kombinieren. Obwohl die Morde der drei Männer detailliert geschildert werden, verhindert er damit deren Dämonisierung, da er diese als logische Reaktion auf ihre Umwelt erscheinen lässt. Einzig Commissario Santaga kann in seiner zynischen Art noch Sympathiepunkte sammeln, aber auch er irrt letztlich, denn in einem Punkt ist sich der italienischen Film in seiner Beschreibung der Realität der 70er Jahre einig, egal ob künstlerisch, politisch oder als Unterhaltungsfilmm motiviert: ein Lösung existiert nicht.
"Fango bollente" Italien 1975, Regie: Vittorio Salerno, Drehbuch: Vittorio Salerno, Ernesto Gastaldi, Darsteller: Joe Dallesandro, Enrico Maria Salerno, Salvatore Borghese, Luigi Casellato, Martine Brochard, Umberto Ceriani, Laufzeit: 80 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Vittorio Salerno:
"No, il caso è felicamente risolto" (1973)
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