Er könnte es sich leisten in eine richtige Wohnung zu ziehen, aber tagsüber, wenn die Kinder in einem Käfig eingesperrt sind und die Mütter einfachen Arbeiten nachgehen, sucht er das Vergnügen in seiner Umgebung. Durch seinen Geiz und herrschsüchtiges Verhalten zieht er zunehmend den Zorn seiner Familie auf sich und als er zudem noch Iside (Maria Luisa Santella), eine schwergewichtige junge Prostituierte, mit zu sich ins Ehebett bringt, beschliessen seine Verwandten ihn umzubringen...

Für die ersten konkreten Tätigkeiten am Morgen ist die Jüngste zuständig - kein Kind mehr, aber noch nicht erwachsen - die sich eine Vielzahl leerer Kanister um die schmalen Schultern hängt und zum zentralen Wasserhahn der Barackenansammlung läuft. Während sie mit ihren gelben Stiefeln über eine Mauer tänzelt, ist im Hintergrund Rom zu erkennen. Die Kuppel des Petersdoms zeichnet sich undeutlich ab. Das Mädchen übernimmt auch die zweite morgendliche Aufgabe, indem sie sämtliche Kinder zusammentreibt und in einen selbst gebauten Verschlag aus Maschendraht einsperrt, wo sie sich auf wenig Raum beschäftigen müssen, bis ihre Mütter von der Arbeit wiederkommen, während die jungen Männer auf ihren Motorrädern zum Stehlen in die Innenstadt fahren.

In seinem dokumentarischen Stil erinnert er dabei an De Sicas neorealistischen Film "Miracolo a Milano" (Das Wunder von Mailand) von 1951, der auch in einem Slum spielte, und noch unmittelbarer an den 1961 entstandenen "Accattone" von Pasolini, der seinen Film ebenfalls in Barackensiedlungen am Rande Roms ansiedelte. Während De Sicas Film die Zustände nach dem Krieg anklagte und die Menschen dort als Opfer der Umstände stilisierte, verdeutlichte Pasolini schon die innere Abstumpfung des Einzelnen, die einen Ausweg aus einem Leben am Rande der Gesellschaft zunehmend unmöglich machte. Trotzdem waren auch für ihn diese Menschen Opfer einer Gesellschaftsform, die sich nicht mit ihren Ärmsten solidarisierte.

Auch der Titel „Brutti sporchi e cattivi“ erinnert nicht zufällig an Leones „Il Buono, il brutto, il cattivo“ (Zwei glorreiche Halunken, 1966), denn Scolas Film ist dem Italo-Western in seiner dreckigen Unmittelbarkeit, die sich nur am Ausleben eigener Bedürfnisse orientiert und sich gnadenlos nach dem Gesetz des Stärkeren richtet, am nächsten. Doch auch diese Filme verfügten innerhalb ihres gesetzlosen Treibens über moralische Standards, die letztlich darüber entschieden, welche Konsequenzen dem Einzelnen widerfuhren.
"Die Schmutzigen, die Häßlichen und die Gemeinen“ fügt diese unterschiedlichen Genres nicht nur zusammen, sondern nimmt ihnen ihre moralische Komponente und damit jede übliche Einordnung. Scola verzichtet dazu auf einen Vergleich mit bürgerlichen Lebensformen und konfrontiert den Betrachter ausschließlich mit Menschen, die sich nur auf das rücksichtslose Ausleben unmittelbarer Bedürfnisse beschränken – Fressen und Sex (wenn man von der ständig vor dem Fernseher sitzenden Großmutter absieht). Beides wird in einer Selbstverständlichkeit eingefordert und ohne jedes ästhetische Gefühl ausgelebt, die keinerlei Kultur mehr erkennen lässt.

Iside ist es, die letztlich das Fass zum Überlaufen bringt. Denn Giacinto, der von der Versicherung eine Million Lire erhielt, als er bei einem Arbeitsunfall ein Auge verlor, denkt gar nicht daran, einem Familienmitglied auch nur eine Lira abzugeben. Der vielfache Familienvater, der mit seiner Mutter, Ehefrau und zahlreichen Nachkommen in der kleinen Baracke ohne fließendes Wasser lebt, will auch gar nicht aus diesen Verhältnissen heraus, obwohl er es sich leisten könnte. Stattdessen lebt er seine Macht rücksichtslos aus, schießt auf einen seiner Söhne, als er glaubt bestohlen worden zu sein (er hatte nur das Versteck vergessen) oder erpresst seine Schwiegertochter zum Sex. Als er die sehr füllige Iside, eine junge Prostituierte kennen lernt, wird er plötzlich großzügig, kleidet sie neu ein und lässt sie mit im Ehebett schlafen. Es kommt zum Showdown zwischen ihm und der übrigen Familie, die seinen Tod plant, aber obwohl dabei einiges zu Bruch geht, verändert sich im Endeffekt nichts – einen solch positiven Ausgang, egal in welche Richtung, gesteht Scola seinen Protagonisten nicht zu.

"Brutti sporchi e cattivi" Italien 1976, Regie: Ettore Scola, Drehbuch: Ettore Scola, Ruggero Maccari, Darsteller : Nino Manfredi, Marie Luisa Santella, Francesco Anniballi, Maria Bosco, Marina Fasoli, Laufzeit : 111 Minuten
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