Schwarz gekleidete Sargträger empfangen die junge Witwe Giselle
(Catherine Spaak) am Bahnhof des kleinen Ortes, um den Leichnam von Don Ciccio
erst zu dessen Mutter und dann weiter zum Friedhof zu transportieren. Die
jungen Männer des Ortes stellen kurz die Juke-Box aus, um dem Toten Respekt zu
erweisen, lassen ihre Augen aber nicht von dessen hübscher Witwe. Doch das
ändert sich schnell, als Jeder der mit ihr in Berührung kommt kurz darauf
selber in einem Sarg landet…Episode 2: Fatebenefratelli (GutgemachtBruder)
Ghiga (Catherine Spaak) schwimmt im Meer noch seelenruhig
ein paar Bahnen, während ihr viel älterer Liebhaber ungeduldig auf sie wartet.
Er hat einen dringenden Termin, was sie nicht weiter interessiert. Viel mehr
will sie mit seinem Mercedes-Cabriolet allein weiter fahren – ein Wunsch, den
er ihr nur zähneknirschend und verbunden mit guten Ratschlägen erfüllt.
Zwecklos, denn Ghiga fährt rücksichtslos davon, um nur wenig später einen
schweren Unfall zu bauen und in der Krankenstation eines nahegelegenen
Mönchklosters zu landen. Doch trotz ihrer zahlreichen Brüche hat sie schon bald
das nächste Ziel ins Auge gefasst: den schüchternen jungen Mönch Fra Felice (John
Phillip Law), der sie betreut…Episode 3: La moglie bambina (Die kindliche Ehefrau)
Ausgelassen tanzt Cirilla (Catherine Spaak) im Kreis ihrer
jugendlichen Freundinnen, ohne zu bemerken, dass Giuliano (Enrico Maria
Salerno), Architektur-Professor und ihr viel älterer Ehemann, nach Hause kommt.
Als die Mädchen unter die Dusche wollen, treffen sie Giuliano dort in der
Badewanne an. Kichernd verabschieden sie sich und lassen Cirilla mit ihrem Mann
allein. Er hatte nicht stören wollen. Ein Verhalten, dass seiner jungen Frau
zunehmend Sorgen bereitet, denn schon seit Wochen wirkt er depressiv. Sein
Psychiater (Adolfo Celi) ist der Meinung, er leide unter zu großer Liebe zu
seiner jungen Frau. Abhilfe könnten Verabredungen mit anderen Frauen schaffen –
ein Vorschlag, den Cirilla zuerst noch ablehnt…
Gemessen an ihrer damaligen Popularität und ihrer Bedeutung
für die sexuelle Liberalisierung im Film der 60er Jahre sind die italienischen
Episodenfilme inzwischen nahezu aus dem Filmgedächtnis verschwunden – ganz
abgesehen von ihrer Symbolik für die jahrzehntelange tiefgreifende
Zusammenarbeit italienischer Filmschaffender über Genre-Grenzen hinweg (siehe
„L’amore in città und die Folgen – der italienische Episodenfilm“). Während in
Italien einzelne Episodenfilme noch medial verbreitet werden, sind sie in
Deutschland quasi nicht mehr existent, obwohl ein Großteil davon in den hiesigen
Kinos lief. Das gilt auch für „Tre notti d’amore“, der unter dem Titel „Drei
Liebesnächte“ im Oktober 1965 hierzulande Premiere feierte. In der Hochphase
des Episodenfilms in die Kinos gekommen, steht der Film wie viele seiner
Genre-Brüder exemplarisch für die Entwicklung der „Commedia all’italiana“ zur
„Commedia sexy“ – nicht nur thematisch, sondern auch hinsichtlich der am
Film mitwirkenden Künstler.Die damals 19jährige Catherine Spaak, seit „La voglia matta“ (Lockende Unschuld, 1962) zu einem Star in der „Commedia all’italiana“ aufgestiegen und in den 60er Jahren auf der Kinoleinwand quasi omnipräsent, spielte in allen drei Episoden die Hauptrolle, darunter je einmal an der Seite von Renato Salvatori und Enrico Maria Salerno. Am Regie-Pult standen das Neorealismus-Urgestein Renato Castellani („Sotto il sole di Roma“ (Unter der Sonne von Rom, 1948)), der seit mehr als 10 Jahren erfolgreiche Luigi Comencini ("Pane, amore e fantasia" (Liebe, Brot und Fantasie, 1953)) und Franco Rossi. Rossi beteiligte sich allein bis 1968 an sieben Episodenfilmen und gehört damit zu den einflussreichsten Wegbereitern der erotischen Komödie - ebenso wie die Drehbuch-Autoren Massimo Franciosa, Luigi Magni, Franco Castellano und dessen Dauer-Partner Giuseppe Moccia („Castellano e Pipolo“), die im selben Jahr auch am nicht weniger stilprägenden Episodenfilm „Extraconiugale“ (Seitensprünge, 1964) mitwirkten.
Handelte es sich bei „Extraconiugale“ um eine Zusammenarbeit
junger Regisseure am Beginn ihrer Karriere, standen den prominenteren Beteiligten
an „Tre notti d’amore“ deutlich mehr Produktionsgelder zur Verfügung. Doch
trotz des visuellen Erlebnisses in Technicolor und der selbstbewusst jugendlichen
Catherine Spaak in so frivol wie provokanten Geschichten um die sich
verändernden Geschlechterrollen, ereilte auch „Tre notti d’amore“ das Schicksal
vieler nah am Zeitgeist angesiedelter Filme – sie wurden von der rasanten
Entwicklung überholt und gerieten in Vergessenheit. Dabei verfielen die Macher
keineswegs in Aktionismus, sondern nutzten die einzelnen Episoden, die mit 30
Minuten bzw. zweimal knapp 45 Minuten vergleichsweise lang ausfielen, für eine schlüssige
Entwicklung der inneren Konflikte. Wie häufig in der italienischen Komödie
erweist sich der Filmtitel eher als Wunsch, denn als Realität – von
Liebesnächten ist hier nur wenig zu sehen. Bindeglied der drei Episoden ist die
Hauptdarstellerin, deren naiv-modern auftretende Frauenfiguren auf konservative
männliche Muster treffen.„La vedova“ (Die Witwe) Renato Castellani, Drehbuch Franco Castellano, Giuseppe Moggia
Die erste ist nicht nur die kürzeste, sondern auch die
turbulenteste Episode, auch wenn es ein wenig braucht, bis die Handlung in Gang
kommt. Geschuldet ist die langsame Steigerung des Erzähl-Tempos der
Begriffsstutzigkeit der Hauptdarstellerin, die im Gegensatz zum Betrachter viel
Zeit benötigt, um die archaischen Regeln zu verstehen, die im südlichen Italien
vorherrschen. Die Macher nutzten die französisch-belgische Herkunft der
Schauspielerin, um sie eine junge Französin spielen zu lassen, die weder die
strengen Moralvorstellungen kennt, noch ahnt, dass ihr keineswegs natürlich
verstorbener Ehemann Don Ciccio ein einflussreicher Mafioso war. Mit schönstem französischem
Akzent parlierend trippelt Giselle (Catherine Spaak) im kurzen schwarzen Kleid
über die sonnenüberfluteten Straßen, badet spontan nackt in ein einem kleinen
Teich und spricht ohne Arg jeden Mann an - darunter auch den Friedhofswärter
(Renato Salvatori), der sich um Don Ciccios Grab kümmert.
Optisch erinnert Giselles Auftritt an Stefania Sandrellis
Büßergang in Pietro Germis „Sedotta e abbandonata“ (Verführung auf Italienisch,
1964), der wie die dritte Episode in „Extraconiugale“ auf die strengen
patriarchalischen Gesetze im Süden des Landes anspielte. Auf Grund der fast
parallelen Entstehungszeit thematisch kein Zufall, aber in seiner
schwarzhumorigen Konsequenz gegensätzlich. Auch in „La vedova“ kommt es zu
sogenannten „Ehrenmorden“, aber diesmal ist nicht die Frau das Opfer, sondern
jeder Mann, der es wagt, ihr auch nur ein wenig Aufmerksamkeit entgegen zu
bringen, da ihre Stellung als Witwe des Dons unangreifbar ist. Es genügt schon,
Giselle seinen Namen zu nennen, um sein Todesurteil zu erwirken – einzig der
Friedhofswärter kommt auf seine Kosten, da er wenigstens eine gemeinsame Nacht
mit der Schönen erlebt, bevor sein Holzkreuz aufgeschlagen wird.
Angesichts der fortschreitenden Dezimierung der männlichen
Bevölkerung, atmet der gesamte Ort auf, als Giselle endlich wieder mit dem Zug
abreisen will. Doch unmittelbar bevor sie den Waggon betritt, begreift sie ihre
Machtposition – und beschließt, doch zu bleiben. Die Absurdität, mit der Castellani
und sein Autoren-Team Castellano / Pipolo den Takt der Todesfälle erhöhten,
ohne ihr Zustandekommen im Bild zu zeigen, verleiht der Episode eine
Leichtigkeit, die ihren ernsthaften Hintergrund vergessen lässt. Zu unrecht,
denn dank der Umkehrung der üblichen Machtverhältnisse, wird erst die
menschenverachtende Konsequenz der vorherrschenden Hierarchie für alle
Beteiligten – Männer, wie Frauen - offensichtlich.„Fatebenefratelli“ (GutgemachtBruder) Luigi Comencini, Drehbuch Marcello Fondato, Luigi Comencini
Die zweite Episode mit dem vielsagenden Titel-Wortspiel
„Fatebenefratelli“ wählte einen gegensätzlichen Erzähl-Rhythmus – nach einem
turbulenten Beginn konzentriert sie sich ganz auf das Zusammenspiel der exaltierten
Ghiga (Catherine Spaak) mit dem jungen Mönch Fra Felice (John Phillip Law).
Dieser pflegt die so selbstbewusste, wie verwöhnte Ghiga nach ihrem Unfall mit
dem Sportwagen ihres deutlich älteren Liebhabers in der Krankenstation seines
Klosters. Anfang der 60er Jahre nicht nur eine Konfrontation der größtmöglichen
Gegensätze, sondern eine Umkehr der gewohnten Geschlechterrollen – hier die sexuell
offensive junge Frau, dort der allen Machismo-Mustern entsagende junge Mann.
Ihre Begegnung nimmt den erwarteten Verlauf. Kann sich Fra Felice zu Beginn
noch den Avancen seiner Patientin erwehren, beginnt sein Widerstand zunehmend
zu bröckeln.Interessant ist weniger diese Entwicklung, als die Gespräche zwischen dem Mönch und Ghiga, für die sich Comencini viel Zeit nimmt. Während sie nur bestrebt ist, ihre Langeweile zu vertreiben, versucht er zu vermitteln, warum er sich für ein Leben als Mönch entschieden hat – nicht nur ihr gegenüber, sondern auch gegenüber sich selbst, denn das ihm die junge Frau gefällt, lässt sich schon bald nicht mehr übersehen. Auch wenn seine Argumente kaum eine Chance haben, gewinnt er mit seiner Haltung Sympathien gegenüber der dem Luxus-Leben frönenden Ghiga. Erneut spielte Catherine Spaak eine ins negativ überzeichnete moderne Frauenfigur – der „Rote Faden“, der sich durch alle drei Episoden zieht. War sie in „La vedova“ von ignoranter Naivität, steht hier ihre Vergnügungssucht an erster Stelle. Wieder bricht sie am Ende mit diesem Klischee, in dem sie gegen die Erwartungshaltung reagiert. Dieses komödiantische Spiel mit den Vorurteilen gegenüber der fortschreitenden Emanzipationsbewegung setzte sich in der dritten Episode in einer vergleichsweise konventionelleren Ausgangssituation fort – die Ehe eines älteren Mannes mit einer jungen Frau.
„La moglie bambina“ (Die kindliche Ehefrau) Franco Rossi, Drehbuch Massimo Franciosa, Luigi Magni
Während Cirilla (Catherine Spaak) mit ihren Freundinnen zu
einem Schlager tanzt, kommt ihr Vater von der Arbeit nach Hause und begibt sich
ohne zu stören in das obere Stockwerk. Zumindest will der Film diesen Eindruck
in der Eingangssequenz erzeugen. Tatsächlich handelt es sich bei Giuliano (Enrico
Maria Salerno) um Cirillas Ehemann, den sie als dessen Studentin beim
Architektur-Studium kennenlernte und vor zwei Jahren geheiratet hatte. Franco
Rossis Episode setzt zu einem Zeitpunkt in die Beziehung ein, in der die
anfängliche Euphorie vorbei ist. Während er seiner Arbeit nachgeht, lebt die
jugendliche Cirilla weiter ihr unbeschwertes Leben ohne Verantwortung:„Hast du den Cafè gemacht oder Teresa (Anm. die Haushälterin)? – „Teresa“ – „Dann ist es Cafè“
Dieser kurze Dialog, als sie ihm eine Tasse Cafè in sein Büro bringt, plakatiert eine Realität, unter der Giuliano seit Monaten leidet. Obwohl er seine Frau liebt, verfällt er zunehmend angesichts der andauernden Jugend-Berieselung in seinem Haus in depressive Stimmungen. Sein Psychiater (Adolfo Celi) hat ihm deshalb geraten, sich mit anderen Frauen zu verabreden, was Cirilla gar nicht gefällt. Erneut stellte die Story ein weibliches Klischee der sich verändernden Geschlechterrollen in den Mittelpunkt – die flippige Studentin, die sich einen wohlhabenden Professor angelt, auf dessen Kosten sie in den Tag hinein lebt. Und wieder brach Catherine Spaak in ihrer Rolle mit der erzeugten Erwartungshaltung und reagierte am Ende reifer und konsequenter als ihr Ehemann.
Sieht man von Äußerlichkeiten ab, spielte Catherine Spaak in
allen drei Episoden denselben jugendlichen Frauentypus, für den sie in „La voglia matta“ berühmt wurde – selbstbewusst, erotisch, frech und intelligent. Ihr
Spiel mit den Emanzipations-Klischees führte jeweils zum selben Ergebnis: am
Ende sind immer die Männer die gelackmeierten. Eine zum Entstehungszeitpunkt des
Films provokante Konsequenz, die stilbildend für Catherine Spaaks Rolle in der
Entwicklung der erotischen Komödie wurde - inhaltlich auf der Höhe der Zeit, im
körperlichen Einsatz aber zurückhaltend. Obwohl im gleichen Alter wie ihre
Nachfolgerinnen Laura Antonelli und Edwige Fenech, findet sie auch in langen Darstellerinnen-Listen
zur „Commedia sexy all’italiana“ kaum Erwähnung. Ein unübersehbares Zeichen
dafür, wie sich die sexy Komödie in den 70er Jahren zum voyeuristischen
Spektakel veränderte – das Spiel mit den Moral-Konventionen wie in „Tre notti
d’amore“ hatte an Reiz verloren."Tre notti d'amore" Italien 1964, Regie: Renato Castellani, Luigi Comencini, Franco Rossi, Drehbuch: Franco Castellano, Giuseppe Moggia, Massimo Franciosa, Luigi Magni, Luigi Comencini, Marcello Fondato, Darsteller : Catherine Spaak, Renato Salvatori, John Phillip Law, Enrico Maria Salerno, Aldo Puglisi, Adolfo Celi, Laufzeit : 119 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Luigi Comencini:
"Pane, amore e fantasia" (1953)
"A cavallo della tigre" (1961)
"Le bambole" (1965)
"Delitto d'amore" (1974)
weitere im Blog besprochene Filme von Franco Rossi:
"Le bambole" (1965)
"Le streghe" (1967)
"Le bambole" (1965)
"Delitto d'amore" (1974)
weitere im Blog besprochene Filme von Franco Rossi:
"Le bambole" (1965)
"Le streghe" (1967)


