Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 21. September 2012

The day of the Jackal (Der Schakal) 1973 Fred Zinnemann


Inhalt: Die Geheimorganisation OAS gründete sich, nachdem der französische Staatspräsident Charles De Gaulle 1962 einer Unabhängigkeit Algeriens zugestimmt hatte. Die OAS bestand aus Soldaten, die in Algerien gekämpft hatten, und mit der Loslösung Algeriens vom französischen Staat nicht einverstanden waren. Nachdem vier hohe Offiziere der OAS vergeblich in Algerien geputscht hatten, richtete sich ihr Kampf gegen De Gaulle, den sie als Verräter an der gemeinsamen Sache empfanden.

Unter der Leitung des Offiziers Bastien-Thiry (Jean Sorel) unternahmen sie einen Anschlag auf den französischen Staatspräsidenten, dem dieser nur knapp entkam, woraufhin Bastien-Thiry zum Tode verurteilt wurde. Davon aufgeschreckt, wurde der Führungsgruppe der OAS bewusst, das es zu viele Mitwisser und undichte Stellen in ihrer Organisation gab, weshalb sie sich entschlossen einen Profikiller zu engagieren, der von außerhalb kommen musste. Nur einem kleinen Kreis war der Mann bekannt, der unter dem Decknamen „Der Schakal“ (Edward Fox) begann, sich penibel auf das Attentat auf den bestens geschützten und wichtigen Staatsmann vorzubereiten…


Regisseur Fred Zinnemann wehrte sich damals vehement dagegen, dass das 1997 gedrehte Remake seines Films mit Bruce Willis in der Hauptrolle denselben Titel tragen sollte, woraufhin dieser auf "The jackal" gekürzt wurde. Aus heutiger Sicht stellt sich die Frage, warum dieser Unterschied für ihn eine solche Bedeutung hatte?

Betrachtet man aktuelle Kritiken, wird „The day of the Jackal“ ausschließlich auf die Schilderung des Attentates reduziert, letztlich auch die einzige Parallele zum Remake. Während die detailliert beschriebene Vorgehensweise des Profi-Killers, sowie des ihn verfolgenden Kommissars, positiv beurteilt wird - trotz des im Vergleich zu aktuellen Filmen gemächlichen Tempos - wird dem Film ein darüber hinaus gehender Tiefgang abgesprochen (Lexikon des internationalen Films, 1997) und - noch deutlich absurder - bemängelt, es stände zuvor schon fest, das das hier gezeigte Attentat von 1963 scheitern würde. Die Zielperson, der französische Präsident Charles De Gaulle, starb bekanntlich erst 1970 eines natürlichen Todes.

Wie sehr der historische Kontext des Films aus dem Gedächtnis der Betrachter verschwunden sein musste, zeigte sich spätestens in der Gestaltung des Remakes, das ausschließlich auf die Action setzte. Entscheidend war weniger, das es sich bei der Zielperson des Killers und seiner Auftraggeber um eine weniger bedeutende politische Persönlichkeit handelte, sondern das Niemand mehr begriff, das Zinnemanns gesamter Film in seiner Entstehungszeit ein Politikum war. Sowohl Frederic Forsythes Romanvorlage, als auch die Verfilmung entstanden zu einem Zeitpunkt, in dem die Folgen des Algerienkrieges besonders in Frankreich in ihrer Wertung höchst umstritten waren. 
 

Charles De Gaulle hatte unter dem Druck der Weltöffentlichkeit, aber auch der Mehrheit der französischen Bevölkerung, nach einem fast 8jährigen Krieg - wie er in Frankreich bis 1999 nicht offiziell genannt werden durfte - 1962 in eine Unabhängigkeit Algeriens eingewilligt, aber an der nationalistischen Haltung des ehemaligen hohen Offiziers der französischen Armee gab es keinen Zweifel. Das es ausgerechnet ehemalige Offiziere waren, die sich, vereinigt in der Geheimorganisation OAS, gegen ihn stellten, verdeutlicht die innere Zerrissenheit des Landes, besonders innerhalb der militärischen Führungsschicht. Zinnemann beginnt seinen Film mit dem von dem Offizier Bastien-Thiry (Jean Sorel) verantworteten Attentat auf De Gaulle im Jahr 1962, dem dieser nur knapp unverletzt entkam. Er lässt Bastien-Thiry kurz vor der Vollstreckung des gegen ihn ausgesprochenen Todesurteils sagen, das er nicht glaubt, dass Soldaten auf ihn schießen werden. Ein Irrtum, der aber deutlich macht, wie stark sich die OAS in ihrer Haltung von einem Großteil der Bevölkerung unterstützt fühlte. 

Zinnemanns Film entstand entsprechend nicht nur nach einer englischsprachigen Vorlage, sondern auch dank englischer Produktionsgelder - eine solch ausgewogene Umsetzung, die auch die harschen Methoden des Polizeiapparates mit einschloss, wäre 1973, nur ein Jahrzehnt nach dem Ende des Konflikts, unter französischer Verantwortung nur schwer vorstellbar gewesen. Besonders im ersten Drittel des mehr als zweistündigen Films, bevor mit Kommissar Lebel (Michael Lonsdale) eine intelligente und in ihrer Sperrigkeit sympathische Figur auftritt, wenden die Verfolger dieselbe Methode gegen die Geheimorganisation an, die sie nur wenige Jahre zuvor noch gegen die algerischen Freiheitskämpfer richteten - die Folter.  

Um diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, besetzte Zinnemann mit Jean Martin den einzigen professionellen Darsteller in Gillo Pontecorvos Film "La Battaglia di Algeri" (Die Schlacht von Algier, 1966) prinzipiell in derselben Rolle. Hatte Martin dort den leitenden Offizier gespielt, der für die Niederschlagung der Freiheitsbewegung in Algier verantwortlich war, auch unter Anwendung von Folter, ist er als ehemaliger Offizier Wolinski in "The day of the jackal" Mitglied der OAS, zuständig für den Nachrichtenverkehr innerhalb der Organisation. Wegen dieser Funktion wird er von der französischen Polizei so lange gefoltert, bis er das Wort "Schakal" unter großen Schmerzen herauspresst, bevor er an den Folgen stirbt - der entscheidende Hinweis auf das geplante Attentat. 

Vor dem Beginn der Tortur erwähnt der für die "Befragung" zuständige Polizist gegenüber Wolinski, dieser wüsste doch dank eigener Erfahrungen in Indochina und Algerien, das am Ende Jeder redet. Mit der Besetzung Jean Martins, der wegen seiner klaren Haltung für die Unabhängigkeit Algeriens einige Zeit lang in Frankreich keine Rollen bekam, betonte Zinnemann nicht nur seine kritische Haltung gegenüber der Folter, sondern gegenüber einer Moral, die ihre Methoden nicht in Frage stellte, sondern sie auf Grund der geänderten politischen Situation gegen Menschen richtete, die diese selbst kurz zuvor noch im Namen des Staates durchführten. Weder die Bedeutung des Darstellers Jean Martin, noch dieser offensichtliche Zusammenhang zu Pontecorvos Film taucht in heutigen Betrachtungen zu "The day of the jackal" noch auf. 

Dagegen gilt es inzwischen als Fehler, die Hauptrolle des Profikillers mit dem damals eher unbekannten Edward Fox besetzt zu haben, selbst Fred Zinnemann soll sich entsprechend geäußert haben, als sein Film an der Kinokasse kein Erfolg wurde. Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen mag diese Meinung richtig sein, für die innere Schlüssigkeit des Films war die Entscheidung für Fox richtig. Dieser besitzt genau die Mischung aus Charisma und Unauffälligkeit, um ihm sowohl den Killer, als auch den unscheinbaren Durchschnittstypen abzunehmen. Mit der heutigen Gestaltung eines Profikillers - wie etwa die Interpretation von Bruce Willis in dem Remake - hat das nur wenig gemeinsam, denn "der Schakal" agiert keineswegs immer kalkuliert und überlegen, sondern mehrfach kommt ihm auch der Zufall zu Hilfe, oft ohne sein Wissen. Auch seine äußerliche Emotionslosigkeit beruht nicht auf Coolness, sondern überdeckt seine innere Getriebenheit. Als er am Telefon erfährt, dass die Polizei von seinem geplanten Attentat erfahren hat und ihm auf der Spur ist, steht er an einer Straßengabelung kurz vor der Entscheidung, die Sache aufzugeben. Das er weiter macht, basiert nicht auf logischem Kalkül, sondern das er sich dem Sog dieses unglaublichen Vorhabens nicht mehr entziehen kann.  

Die Tragweite des Planes, Charles De Gaulle zu ermorden, lässt sich heute nur noch schwer vermitteln. Sie geht weit über die Beseitigung eines unliebsamen Politikers hinaus und basierte nicht einfach auf der verrückten Idee einer terroristischen Splittergruppe. Man kann davon ausgehen, das die Intentionen der OAS damals von vielen Franzosen geteilt wurden, auch innerhalb des Polizeiapparates. Aber ihr Versuch, ausgerechnet den konservativen Staatsführer zu beseitigen, den die Offiziere als Verräter an der ehemals gemeinsamen Sache betrachteten, beruhte auf einer Fehleinschätzung der Gesamtlage. Wie schmal der Grat trotzdem zwischen Sympathie und Ablehnung für den Plan der OAS war, wird daran deutlich, das Lebel den Profikiller erst in dem Moment öffentlich zur Fahndung ausschreibt, als dieser einen Mord begangen hatte. Erst ab diesem Zeitpunkt gerät er ins Visier der offiziellen Polizeiermittlung. 

Zinnemann gelingt es bis zum Schluss, eine Waage zu halten zwischen dem Gelingen und der Verhinderung des Attentates, auch verkörpert durch die beiden Protagonisten, die sich in ihrem einzelgängerischen, fanatisch fokussierten Charakter nicht unähnlich sind, weniger zum Zweck der Spannungserzeugnis, als zur Betonung, wie knapp Frankreich damals einer Staatskrise entkam, die die Ermordung De Gaulles unweigerlich nach sich gezogen hätte. Schon allein die Kenntnis von dem Plan der OAS hätte zu Unruhen in der Bevölkerung führen können, weshalb dieses Wissen mit dem Attentäter in einem anonymen Grab verschwindet. Nicht einmal dessen Nationalität wird bestätigt.

In „The day of the jackal“ gibt es eine Vielzahl von Story-Elementen, die in Genre verwandten Filmen später wieder verwendet wurden, aber in Zinnemanns Film hat jedes Detail eine Bedeutung im Gesamtkontext und legt keinen Wert auf äußerliche Effekte. Seine Spannung gewinnt der Film durch die Glaubwürdigkeit der Handelnden vor einer realistischen Atmosphäre politischer Spannungen. Nicht erstaunlich, das Zinnemann die Parallelen zu dem Remake von 1997 möglichst gering halten wollte.

"The day of the Jackal" England / Frankreich 1973, Regie: Fred Zinnemann, Drehbuch: Kenneth Ross, Frederic Forsythe (Roman), Darsteller : Edward Fox, Michael Lonsdale, Jean Martin, Cyril Cusack, Olga Georges - Picot, Jean Sorel, Laufzeit : 137 Minuten

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.