Vanucchi muss gemeinsam mit seiner Frau im Leichenschauhaus seine Tochter identifizieren und auch weiter hilflos mit ansehen, dass die Polizei von den Verbrechern keine Spur hat. Zuerst verweigert er die angebotene Hilfe einer faschistisch orientierten Bürgerwehr, aber als er zunehmend erfahren muss, wie wenig die Polizei für die Sicherheit ihrer Bürger sorgen kann, nimmt er das Recht in die eigenen Hände...


Dabei greift Umberto Lenzi von Beginn an auf einfachste Mittel der emotionalen Manipulation zurück. Während Vater David Vannucchi (überzeugend in seiner stoischen Unerbittlichkeit vom amerikanischen Mimen Henry Silva dargestellt) seiner Arbeit als Ingenieur nachgeht, bei der er im Straßenbau Explosionen auslöst, geht seine hübsche, blonde Tochter von der Schule nach Hause. Auf der Straße wird sie von einem Blinden angesprochen, den sie auf dessen Bitte zum Eingang einer Bank geleitet. Durch dieses Manöver umgeht der Gangster die Schleuse, zückt im Inneren sein Maschinengewehr und lässt die restliche Bande hinein, während die Kleine nur stumm vor Schrecken in der Ecke steht. Als die Polizei sich nähert, fliehen sie, aber nicht bevor der angeblich Blinde das Mädchen noch mit ein paar gezielten Schüssen niederstreckt. Ihr war etwas an ihm aufgefallen, was sich in ihren letzten Worten manifestiert - „ein Skorpion“. Als hätte der kaltblütige Mord an einem Kind nicht schon genug Wirkung, zeigt der Film parallel zum Tod der Tochter, den Vater beim Kauf einer Puppe, um unmittelbar darauf ins Leichenschauhaus umzuschalten, wo er gemeinsam mit seiner weinenden Frau Vera (Luciana Paluzzi) zur Erkennung antreten muss.
Immer wieder in den nächsten Minuten blendet der Film idyllische Szenen ein, die den Vater mit der Tochter zeigen, während die Polizei vergeblich versucht, die Täter zu finden. Es dauert nicht lange, bis zwei Männer vor der Tür des Ingenieurs stehen, die ihm seine Hilfe anbieten. Bei Einem von ihnen handelt es sich um den Anwalt Mieli (Claudio Gora), der eine Bürgerwehr vertritt, die sich den Fällen annimmt, die aus ihrer Sicht von der Polizei nicht bewältigt werden können. Zudem erfährt Vannucchi von diesem, dass am Todestag seiner Tochter nicht der übliche Wachposten in der Bank anwesend war, weil dieser die Frau eines hochrangigen Polizeioffiziers zum Friseur begleitet hätte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt scheint der Moment gekommen, das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen, aber der Film vollzieht eine Wendung. Entscheidend dafür ist nicht, dass Vannucchi die Vertreter der faschistischen Gruppierung aus dem Haus schmeißt und eigene Ermittlungen aufnimmt, sondern das die so klar gezogenen Trennlinien zu bröckeln beginnen.

Langhaarige Kerle belästigen in einem Cafe Vanucchis Frau mit eindeutig sexuellen Gesten, Rockerbanden brechen am helllichten Tag Autos auf und schlagen noch die Besitzer zusammen, wenn sich diese dagegen wehren. Als Vanucchi in einer solchen Situation die Täter verfolgt, locken sie ihn in einen Hinterhalt und zerstören sein Auto. Niemand kommt ihnen zu Hilfe und als die Polizei endlich eintrifft, beschwert diese sich nur darüber, dass in Vanucchis Führerschein eine aktuelle Marke fehlt. Rechtsradikale Gruppierungen, wie Mielis Bürgerwehr, schüren das Chaos mit Bombenattentaten und schrecken vor keiner Brutalität zurück, um auf ihrer Weise Verbrecher zu bestrafen.
Innerhalb dieses Chaos, das letztlich nur den atmosphärischen Hintergrund für die eigentliche Story abgibt, wirkt der Polizeikommissar (Paolo Giordani) wie die einzige Konstante. Er versucht Vanucchi zu beruhigen, reizt diesen aber nur mit seiner abwartenden, ruhigen Haltung. Vanucchi dagegen gerät mit Hilfe eines schmierigen Privatdetektivs auf die Spur der Verbrecher, begibt sich selbst in die Unterwelt und muss erfahren, dass er sich mit einem übermächtigen Gegner angelegt hat. Jede seiner Aktionen führt zu einer brutaleren Gegenreaktion und wie Vanucchi, verliert auch der Betrachter zunehmend den Überblick zwischen Gegnern und angeblichen Freunden, bis er einen allerletzten Entschluss fasst.

"L'uomo della strada fa giustizia" Italien 1975, Regie: Umberto Lenzi, Drehbuch: Umberto Lenzi, Dardano Sacchetti, Darsteller : Henry Silva, Luciana Paluzzi, Silvano Tranquilli, Claudio Gora, Alberto Tarallo, Laufzeit : 91 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Umberto Lenzi:
"Kriminal" (1966)
"Paranoia" (1970)
"Milano odia: la polizia non può sparare" (1974)
"Il giustiziere sfida la città" (1975)
"Paranoia" (1970)
"Milano odia: la polizia non può sparare" (1974)
"Il giustiziere sfida la città" (1975)
"Il trucido e lo sbirro" (1976)
"La banda del gobbo" (1978)
"Incubo sulla città contaminata" (1980)