Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 18. September 2015

Adulterio all'italiana (Seitensprung auf italienisch) 1966 Pasquale Festa Campanile

Franco (Nino Manfredi) schwört auf den "Dekameron" 
Inhalt: Der moderne Glaskasten über den Dächern der Stadt, in dem sich das Schlafzimmer von Gloria (Maria Grazia Buccella) befindet, gefällt Franco (Nino Manfredi) nur wenig – er stößt sich die Nase am Glas, jeder Fleck ist zu sehen und das Gefühl von Intimität kann nicht entstehen. Kein guter Ort für einen Seitensprung, aber das hat sich kurz danach sowieso erledigt, weil ihm seine Frau Marta (Catherine Spaak), die mit Gloria befreundet ist, auf die Schliche kommt. Sie will ihn verlassen, aber er kann sie noch einmal davon abhalten, obwohl er die Bibel mit dem Dekameron verwechselt, als er darauf schwören will.

Seitensprung im Glashaus über den Dächern der Stadt
Als sich bei einem Abend-Empfang ein wichtiger Geschäftskunde (Akim Tamiroff) um Marta bemüht, reagiert Franco eifersüchtig. Zumal er aus firmentaktischem Interesse nicht eingreifen kann. Sein Verhalten bringt sie auf die Idee, ihn für seine Untreue zu bestrafen und in ihm den Verdacht zu bestärken, dass sie einen Liebhaber hat. Doch sie hat nicht mit seiner Hartnäckigkeit gerechnet, mit der er ihr nachforscht. Damit er ihren Bluff nicht bemerkt, denkt sie sich immer neue Strategien aus, um ihn im Glauben zu belassen, dass es einen Nebenbuhler gibt…


Freundinnen: Gloria (Maria Grazia Buccella) und Marta (Catherine Spaak) 
"Als die Frauen noch Schwänze hatten" (1970), "Das nackte Cello" (1971), "Toll trieben es die alten Germanen" (1972), "Hilfe ich bin spitz...e!" (1973), "Die Sexmaschine" (1975), "Wie man seine Frau verliert und eine Freundin gewinnt" (1978) - es genügt, wenn man einige deutsche Titel seiner Filme liest, um zu wissen, dass man an diesem Mann nicht vorbei kommt, wenn man sich mit der italienischen Sex-Komödie beschäftigt - Pasquale Festa Campanile. Obwohl nur etwa die Hälfte seiner insgesamt 42 Regie-Arbeiten, die bis zu seinem frühen Tod 1986 mit 58 Jahren entstanden waren, in Deutschland vermarktet wurden, blieb Campanile ab den späten 60er Jahren im Genre der "Commedia sexy all'italiana" omnipräsent. In Italien kamen allein noch in den Jahren 1981 bis 1983 zehn seiner Filme in die Kinos.

So kontinuierlich diese Zahlen klingen, so stockend begann seine Karriere als Regisseur. Sein Hauptinteresse galt lange Zeit der schriftstellerischen Tätigkeit. 1958 brachte er sein erstes Buch heraus, parallel zu seiner Arbeit als Drehbuchautor, der er in intensiver Zusammenarbeit mit Massimo Franciosa nachging. Gemeinsam wurden sie in Cannes für ihr Drehbuch für "Giovani mariti" (1958, Regie Mauro Bolognini) ausgezeichnet - neben dem dritten Preisträger Pier Paolo Pasolini - und erhielten eine Oscar-Nominierung für "Le quattro giornate di Napoli" (Die vier Tage von Neapel, 1962, Regie Nanny Loy). Es war nur konsequent, dass sie es auch gemeinsam auf dem Regie-Stuhl versuchten, aber ihren zwei ersten Filmen "Un tentativo sentimentale" (Versuchung in Liebe, 1963) und "Le voci bianche" (Helle Stimmen, 1964) blieb der Erfolg verwehrt - das vorläufige Ende einer seit 1950 ("Faddija - La legge della vendetta", Regie Roberto Montero) andauernden Partnerschaft.

Franco berät sich mit seinem Freund Roberto (Gino Pernice)
Pasquale Festa Campanile versuchte es noch im selben Jahr allein mit der Literaturverfilmung "La costanza della ragione" (Unter dem Himmel von Florenz, 1964) mit Catherine Deneuve in der Hauptrolle. Aber auch diesem Projekt war kein Glück beschieden, während sein ehemaliger Compagnon Massimo Franciosa schon die erotische Karte zog. Sein gemeinsam mit den Regie-Newcomern Mino Guerrini und Giuliano Montaldo gedrehter Episodenfilm "Extraconiugale" (Seitensprünge, 1964) verwies früh auf die spätere „Commedia sexy all’italiana“ – ein Zug, auf den Campanile erst zwei Jahre später mit „Adulterio all’italiana“ (Seitensprung auf italienisch) aufspringen sollte. Bei der Konzeption des Films bewies er gleich ein glückliches Händchen. Mit Luigi Malerba holte er sich einen Co-Autor ins Team, der gemeinsam mit Alberto Lattuada das Drehbuch zu „La spiaggia“ (Der Skandal, 1954) verfasst hatte, der stilbildend wurde für die Kritik an der Doppelmoral in der italienischen Gesellschaft. Und die ebenfalls von Lattuada entdeckte Catherine Spaak („I dolci inganni“ (Süße Begierde, 1960)) sowie ihre männlichen Partner Nino Manfredi und Vittorio Caprioli gehörten Mitte der 60er Jahre zu den führenden Darstellern der aufkommenden erotischen Komödie. Zudem hatte hier Lino Banfi in einer kleinen Nebenrolle einen seiner ersten Auftritte.

Trotz der nach wie vor strengen Moralvorstellungen im katholischen Italien war die Ehebruch-Thematik 1966 keine echte Provokation mehr – in dieser Hinsicht waren Campanile einige Filmemacher wie sein früherer Partner Franciosa schon zuvor gekommen. Seine nicht zufällig auf die erfolgreichen Komödien „Divorzio all’italiana“ (Scheidung auf italienisch, 1961) und „Matrimonio all’italiana“ (Heiraten auf italienisch, 1964) anspielende Titelendung ging einen anderen Weg. Der einzige Seitensprung im Film findet nur ganz zu Beginn statt und hat mehr die Form einer theoretischen Versuchsanordnung. Zwar landet Martas (Catherine Spaak) Ehemann Franco (Nino Manfredi) im Bett von Gloria (Maria Grazia Buccella), aber von Sex und Leidenschaft ist nichts zu sehen. Der Glaskasten über den Dächern der Stadt, in der Glorias Doppelbett steht, betont noch die Transparenz einer Situation, der wenig geheimnisvolles anhaftet. Wenig später entdeckt Marta die Affäre ihres Mannes, weil sie mit Gloria befreundet ist. 

Silvio Sasselli (Vittorio Caprioli) als Nero-Modell und angeblicher Nebenbuhler
Und es auch bleibt, während sie ihn verlassen will – ein Vorhaben, von dem er sie nur mit Mühe abhalten kann. Campanile lässt keinen Zweifel daran, dass Franco seine Frau nicht nur liebt, sonders dass es auch darüber hinaus keine echten Eheprobleme gibt. Trotzdem vergeht kaum ein Moment, indem er sich nicht nach anderen Frauen umsieht. Der Seitensprung hat in Campaniles Film nicht den Charakter eines Ausbruchs aus einer verkrusteten und lieblosen Beziehung, sondern wirkt wie ein alltäglicher Bestandteil des männlichen Daseins. Die Ehe ist dem Mann heilig, die Ehefrau und Mutter seiner Kinder selbstverständlich unantastbar, aber zwischendurch will er seinen Spaß haben. Nino Manfredi spielte den Franco als bürgerlichen Geschäftsmann mit Hang zu Pedanterie, dem weder Macho- noch Angeber-Allüren anzumerken sind, wodurch sich der Irrsinn dieses Selbstverständnisses noch mehr erschließt.

Auch die von Catherine Spaak gespielte Marta ist äußerlich ganz brave, vorzeigbare Ehefrau eines gut verdienenden Mannes. Immer chic gekleidet kümmert sie sich um die Einrichtung ihrer modernen Villa, ohne einer eigenen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Wie von Catherine Spaak in ihren Rollen gewohnt, verlieh sie dieser Figur einen unterschwellig emanzipatorischen Charakter. Sie ist nicht gewillt, sein Verhalten zu akzeptieren, weshalb sie beginnt, ihm eine eigene Affäre vorzugaukeln – eine wenig originelle Situation, die in eine flache Komödienhandlung hätte münden können, wäre hier nicht alles ins Absurde überhöht. Vergleichbar einer Gewaltspirale steigert sich der Wechsel zwischen ihrer Vortäuschung eines Seitensprungs und seinem Versuch, sie auf frischer Tat zu ertappen, ins Extreme. Dabei ließ Festa Campanile kaum ein Klischee aus – vom Versteck im Schlafzimmerschrank bis zum vermeintlichen Versenken des Nebenbuhlers in einem nahe gelegenen See. Wenig erstaunlich, dass die Protagonisten angesichts ihres erhöhten Körpereinsatzes irgendwann auch im Krankenhaus landen.

Obwohl sich Campaniles Einstieg in die Erotik-Komödie noch ganz in der Tradition der klassischen „Commedia all’italiana“ befand – für die Entstehungszeit gewagte Nackt-Aufnahmen wie in „Extraconiugale“ existieren hier nicht – vermittelte „Adulterio all’italiana“ schon seine Neigung zum plakativ brachialen Stil, der häufig die Grenze zwischen Komödie und Farce auslotete. Hier betonte er damit den Kontrast zwischen distinguierter Außendarstellung eines Oberschichten-Paars und ihres sozialen Umfelds gegenüber der zerstörerischen Eigendynamik eines überholten Rollenverhaltens. Daran droht das Paar zu zerbrechen, aber der Film fand eine Lösung, die zu seiner Entstehungszeit provokativer war als Sex-Szenen – Francos Entscheidung die Geschlechter-Seiten zu wechseln, die Campanile ohne jede Lächerlichkeit inszenierte, verstand sich als Absage an die üblichen männlichen Verhaltensmuster.

"Adulterio all'italiana" Italien 1966, Regie: Pasquale Festa Campanile, Drehbuch: Pasquale Festa Campanile, Ottavio Alessi, Luigi MalerbaDarsteller : Catherine Spaak, Nino Manfredi, Vittorio Caprioli, Maria Grazia Buccella, Akim Tamiroff, Lino Banfi, Laufzeit : 90 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Pasquale Festa Campanile:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.