Inhalt:
Aufgeregt kommt ein Mitarbeiter des Staatsanwalts Traini (Marco Guglielmi) in
dessen Büro, um ihn darüber zu informieren, dass er den Regisseur Giacomo
Solaris (Franco Nero) wegen Beleidigung des Gerichts und des Staatsanwalts
verklagen will. Traini lässt sich Solaris’ Film vorführen und reagiert gelassen
auf die darin enthaltenen Vorwürfe gegen ihn, er ließe sich von der Mafia
bestechen. Dass er zudem am Ende des Films stirbt, erzeugt eher Neugier,
weshalb er Solaris zu einer Abendveranstaltung in seine Villa einlädt.
Solaris
nimmt die Einladung an und begegnet im Haus des Staatsanwalts diversen
Abgeordneten und dem Rechtsanwalt Meloria (Luciano Catenacci), denen Kontakte
zur Mafia nachgesagt werden. Gegenüber Traini verteidigt er seinen Film, was
diesen nicht von der großzügigen Geste abhält, die Anklageschrift vor seinen
Augen zu zerreißen. Einzig dessen Ehefrau, Antonia Traini (Françoise Fabian),
drückt ihr Missfallen gegenüber Solaris aus und bittet ihn, ihr Haus wieder zu
verlassen. Diese Reaktion lässt dem Regisseur keine Ruhe, weshalb er versucht,
Signora Traini dazu zu überreden, sich die Beweise seiner Vorwürfe anzusehen…
"Perché
si uccide un magistrato" (Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?) war
1974 nicht nur Damiano Damianis letzter Film mit Franco Nero, sondern der
Beginn einer dreijährigen Phase, bevor er 1977 mit "Io ho paura" (Ich
habe Angst) erneut einen kritischen Blick auf die politischen Verhältnisse in
Italien werfen sollte. Dieser zeitliche Abstand erscheint aus heutiger Sicht
überraschend, da Damiani, beginnend mit "Il giorno della civetta"
(Der Tag der Eule, 1968) schon früh auf die Unterwanderung des politischen
Systems durch die Mafia reagiert hatte. Mit "Confessione di un commissariodi polizia al procuratore della repubblica" (Der Clan, der seine Feinde
lebendig einmauert) und "L'istruttoria è chiusa: dimentichi" (Das
Verfahren ist eingestellt: Vergessen Sie's) legte er bereits 1971 zwei das
Genre prägende Filme nach, die verdeutlichten, wie weit die Korruption und damit
der Einfluss des organisierten Verbrechens in die italienische Gesellschaft
vorgedrungen war.
Damit
befand er sich auf der Höhe der Zeit, denn Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre
wurde Italien von Massenstreiks, Studentenunruhen und Bombenanschlägen erschüttert,
aber die "Anni piombo" (Bleiernen Jahre) hatten gerade erst begonnen
und sollten das Land noch jahrelang mit einer hohen Kriminalitätsrate,
Terrorismus und unsicheren politischen Verhältnissen im Griff behalten, worauf
Damiani später mit "Io ho paura" reagieren sollte. "Perché si
uccide un magistrato" wirkte dagegen geradezu handzahm in seiner
sprachintensiven, intellektuellen Umsetzung, während gleichzeitig die Hochphase
der "Polizieschi" im italienischen Film begann, die die Ängste der
Gesellschaft in sehr direkter Form widerspiegelten.
Schon in
seinen früheren Polit-Filmen lag Damianis Gewicht vermehrt auf den Dialogen,
streute er nur wenige Action-Szenen ein, aber die unmittelbare Bedrohung für
seine Protagonisten blieb immer spürbar. "Perché si uccide un
magistrato" beginnt stattdessen wie ein Kammerspiel, als sich zu Beginn
der Staatsanwalt Traini (Marco Guglielmi) den Film vorführen lässt, der in
seiner Behörde für viel Aufregung sorgt. Der Regisseur Giacomo Solaris (Franco
Nero) hatte ihn darin angegriffen, sich von der Mafia kaufen zu lassen und
Verbrechen zu vertuschen. Als Konsequenz ließ Solaris ihn am Ende sogar
sterben, ermordet von denen, die ihn zuvor bestochen hatten. Doch Traini
reagiert souverän, lädt den Regisseur sogar zu einem Abendessen in seine Villa
in Palermo ein, wo Solaris auch jene Politiker und Juristen antrifft, die im
Verdacht stehen, mit der Mafia zusammen zu arbeiten. Einzig Trainis Ehefrau
Antonia (Françoise Fabian) gefällt seine Anwesenheit nicht und wirft ihm vor,
ihren Mann zu Unrecht zu verunglimpfen.
Häufig wird
"Perché si uccide un magistrato" als schwächster der vier Polit-Filme
mit Franco Nero betrachtet, auch weil Damiani sich thematisch zu wiederholen
schien, aber das täuscht. Es ist ein Spiel mit verschiedenen Ebenen, das der
Regisseur hier treibt, und das als Reflexion auf seine vorherigen Mafia-Filme
zu verstehen ist. Solaris dabei nur als Alter-Ego Damianis zu verstehen, wäre
zu einfach, auch wenn die Konstellation des "Films im Film" eine
selbstironische Auseinandersetzung mit der Frage nach der Wirkung eines
Politfilms und dessen Wahrheitsgehalt ist. Viel mehr nutzt Damiani den
Charakter des Regisseurs als Deckmantel für seine unterschwellige Intention.
Dass dieser
vor allem Antonia Traini, die solidarische Ehefrau des Beschuldigten, von der
Richtigkeit seiner Thesen überzeugen will, verdeutlicht den besonderen Wert,
den ihre Meinung für ihn hat. Entsprechend viel Raum nimmt ihr Dialog in
Damianis Film ein, besonders nachdem der Staatsanwalt erschossen auf einem
Parkplatz aufgefunden wurde, womit Solaris'
Voraussage zur Realität geworden ist. Er ist davon überzeugt, dass die
Mafia Traini ermorden ließ, weshalb ihn die Verhaftung eines Parkplatzwächters
sehr erregt, der als Bauernopfer auserkoren wurde, um die wahren Täter laufen
zu lassen. Vordergründig schlüpft Franco Nero wieder in die Rolle des einsamen
Aufklärers, aber Damiani nutzt dessen Aktionismus nur dafür, die wesentlichen
Ereignisse im Hintergrund abspielen zu lassen.
Ganz
selbstverständlich findet der Kontakt zwischen dem zwielichtigen Anwalt Meloria
(Luciano Catenacci), der auch Senora Traini vertritt, und dem von der Polizei
gesuchten Mafia-Boss Bellolampo (Sergio Valentini) statt, der jedesmal gewarnt
wird, wenn eine Razzia gegen ihn geplant ist. Ebenso nutzen die Abgeordneten
Ugo Selimi (Elio Zamuto) und Derrasi (Giancarlo Badessi), zu deren
Bekanntenkreis selbstverständlich auch der Anwalt gehört, ihre Beziehungen, um
gegeneinander Stellung zu beziehen, obwohl sie letztlich alle im selben Boot
sitzen. Wenn für die eigenen Interessen notwendig, wird unauffällig oder ganz
öffentlich gemordet, ohne das die Taten aufgeklärt werden. Solaris selbst ist
dagegen nie in Gefahr, woran deutlich wird, dass seine Suche nach dem Mörder
Trainis trotz kleinerer Erkenntnisse nicht als ernste Bedrohung angesehen wird.
Mit dieser
Konstellation gelang es Damiano Damiani, fast nebenbei die vollständige
Infiltrierung einer Gesellschaft durch die Mafia darzustellen. Weder Solaris'
Film, noch sein aufklärerisches Bemühen, konnten ein selbstverständlich
gewordenes System verunsichern, dass notfalls in den eigenen Reihen für Ordnung
sorgt, indem es schwache Mitglieder opfert. Das sie am Ende nicht einmal dazu
gezwungen werden, weil die Lösung des Mordes von alltäglicher Profanität ist,
ist letztlich nicht mehr entscheidend. So oder so wären die Mechanismen der
Macht nicht in Gefahr geraten - Solaris hatte von Beginn an keine Chance.
Darin
unterscheidet sich Damianis vierter Politfilm mit Franco Nero von seinen drei
Vorgängern, indem er selbst die vage Illusion, mit moralischem Anstand,
Unbestechlichkeit oder Kampfeswille ließe sich noch etwas bewegen, zerstört,
womit er inhaltlich schon auf seinen folgenden Polit-Thriller "Io ho paura" verweist. Gleichzeitig entwirft "Perché si uccide un
magistrato" damit hintergründig das Bild einer korrupten Gesellschaft, an
dessen Richtigkeit kein Zweifel mehr bleibt.
"Perché si uccide un magistrato" Italien 1974, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Damiano Damiani, Enrico Ribulsi, Darsteller : Franco Nero, Francois Fabian, Marco Gugliemi, Luciano Catenacci, Elio Zamuto, Laufzeit : 105 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Damiano Damiani:
"Il rossetto" (1960)
"Il sicario" (1961)
"L'isola di Arturo" (1962)
"Quien sabe" (1967)
"Il giorno della civetta" (1968)
"La moglie più bella" (1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (1971)
"L'istruttoria è chiusa: dimentichi" (1971)
"Io ho paura" (1977)
"L'avvartimento" (1980)
"Il sicario" (1961)
"L'isola di Arturo" (1962)
"Quien sabe" (1967)
"Il giorno della civetta" (1968)
"La moglie più bella" (1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (1971)
"L'istruttoria è chiusa: dimentichi" (1971)
"Io ho paura" (1977)
"L'avvartimento" (1980)
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