Über den 1968 bei einem Badeunfall früh verstorbenen Regisseur Antonio Pietrangeli sind nur wenige Fakten bekannt. Begonnen hatte der am 19. Januar 1919 geborene Römer früh als Filmkritiker, bevor er erstmals 1942 als Regie-Assistent von Luigi Chiarini bei "Via delle cinque lune" direkt am Set mitwirkte. Bis zu seiner ersten eigenständigen Regie in "Il sole negli occhi" (Die Sonne in den Augen, 1953) sollte noch mehr als ein Jahrzehnt vergehen - eine Phase, die Pietrangeli intensiv als Drehbuchautor nutzte. In dieser Funktion war er massgeblich an der Erneuerung des italienischen Kinos beteiligt. Bei "Ossessione" (Besessenheit, 1942), einem Schlüsselwerk des Neorealismus unter der Regie von Luchino Visconti, wirkte er als Regie-Assistent und Drehbuchautor mit - eine Zusammenarbeit, die er bei "La terra trema" (Die Erde bebt, 1948) wiederholte. Mit weiteren führenden Vertretern des Neorealismus wie Alberto Lattuada ("Il nostra guerra" (Dokumentation, 1945) und "La lupa" (Die Wölfin von Kalabrien, 1953)), Pietro Germi ("Gioventù perduta" (Strandgut der Sünde, 1948)), Alessandro Blasetti ("Fabiola" (1949)) oder Roberto Rossellini ("Europa '51" (1952)) arbeitete Pietrangeli eng zusammen, aber seinen eigenen Filmen blieb eine ähnliche Reputation größtenteils verwehrt.
Obwohl der Einfluss des Neorealismus seinem Werk immer anzumerken blieb, nahmen seine Filme einen unterhaltsamen und modern wirkenden Charakter an, der die tragische Komponente unterschwellig entwickelte. Selbst in seinem ersten Film "Il sole negli occhi", der dem realistischen Stil noch offensichtlich verpflichtet war, widmete sich Pietrangeli schon seinem bevorzugten Thema: der Sozialisation am Beispiel des Verhältnisses von Mann und Frau. Dabei das Gewicht eindeutig auf die Frauen legend, aus deren Blickwinkel die meisten seiner Filme erzählt werden. Viele weiblich assoziierte Elemente prägten seine Filme - Kleidung, Schmuck, Familie, Kinder, Gespräche über Männer, Tanz und Musik und nicht zuletzt die Frauen selbst, deren Schönheit und Anmut die Kamera ohne jeden Voyeurismus einfing - und verliehen ihnen damit eine Leichtigkeit, die die Ernsthaftigkeit dahinter oft übersehen ließ.
Pietrangelis Realismus zeigte sich nicht im konkreten Aufzeigen gesellschaftlicher Missstände, sondern in der Beobachtung seiner kleinsten Zelle - dem Umgang der Menschen miteinander. Das entbehrte nicht Temperament, Freude und Glück, ließ aber Abhängigkeit, Machtmissbrauch und moralische Verlogenheit ebenso deutlich werden. Die Szene in "Il sole negli occhi", in der der dickliche Sohn des Hauses dem Dienstmädchen Celestina unvermittelt an die Brust fasst, steht signifikant für Pietrangelis Stil. Celestina weiß sich temperamentvoll zu wehren und schlägt mit dem Telefonhörer auf dessen Hand, weshalb der Grabscher sich das Gelächter seiner Familie angesichts des Verbands beim gemeinsamen Abendessen gefallen lassen muss. Eine vordergründig komische Szene, die gleichzeitig die generelle Missachtung von Frauen und die Verlogenheit einer nach außen gepredigten Moral vermittelte. Antonio Pietranglis Filme waren immer auch Tabubrüche und widersetzten sich den damaligen moralischen Standards. Sexuelle Belästigungen, unehelicher Geschlechtsverkehr und daraus folgende Schwangerschaften sind ebenso alltäglich wie das ständige Jonglieren der Frauen zwischen jungfräulicher Außendarstellung und dem Begehren der Männer.
In "Adua e le compagne" (Adua und ihre Gefährtinnen, 1960) gab er diesem Zwiespalt ganz konkret Gestalt, indem er den Versuch von Prostituierten beschrieb, nach dem staatlichen Verbot von Bordellen wieder eine bürgerliche Existenz aufzubauen - ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Ansinnen, dem der Regisseur trotzdem humorvolle Momente abgewinnen konnte. Erst Pietrangelis letzter vor seinem Tod fertig gestellter Film "Io la conoscevo bene" (Ich habe sie gut gekannt, 1965) erhielt die verdiente offizielle Anerkennung, weshalb er in Unkenntnis seines übrigen Werks häufig als sein bester Film angesehen wird. Die Geschichte vom hübschen Landmädchen, das Schauspielerin werden will und den typischen gesellschaftlichen Mechanismen ausliefert wird, ist großartig, aber letztlich nur ein weiteres Glied in einer Reihe hervorragender Filme, die sich auf vielfältige Weise der menschlichen Sozialisation widmeten. Denn trotz seiner Konzentration auf die Frauen, vergaß Pietrangeli nicht die Rolle der Männer, deren Dominanz und gesellschaftliche Machtposition sich als trügerisch erwies - ihre eigene Tragik erst zu spät begreifend werden sie in Pietrangelis Filmen zu gescheiterten Figuren.
Sein eigenständiger zwischen Unterhaltung und Drama vermittelnder Stil war auch der engen Zusammenarbeit mit Regisseuren, Drehbuchautoren und Darstellern zu verdanken, von denen ihn Einige während seiner zu kurzen Karriere intensiv begleiteten. Antonio Pietrangeli gehörte fast folgerichtig zu den Wegbereitern des Episodenfilms, der seine Blüte in den 60er Jahren erlebte - siehe den Essay "L'amore in città und die Folgen". Der frühe Episodenfilm "Amori di mezzo secolo" (1954), zu dem er "Girandola 1910" beitrug, wirkt aus heutiger Sicht wie ein Wiedersehen mit den Regisseuren Pietro Germi und Roberto Rossellini. Wichtiger für sein späteres Werk war aber die erstmalige Zusammenarbeit mit Ettore Scola am Drehbuch zu "Girandola 1910". Bis zu "Io la conoscevo bene" Mitte der 60er Jahre sollte er Pietrangeli - ausgenommen bei "Souvenir d'Italie" (1957) - als Co-Autor begleiten. Die Kombination aus Gesellschaftskritik und Unterhaltung verband beide Künstler, auch wenn Scola in seinen eigenen Regie-Arbeiten zu einer kompromissloseren Sichtweise wechselte. Mit Ruggero Maccari stieß ab Pietrangelis folgendem Film "Lo scapolo" (1955) ein weiterer ständiger Wegbegleiter hinzu, mit dem sie über einen langen Zeitraum ein eingespieltes Autoren-Trio bildeten.
Neben dieser gestalterischen Kontinuität wurde die Besetzung einer Vielzahl weiblicher Stars signifikant für Pietrangelis Oevre. Neben Sandra Milo, die in "Lo scapolo" ihre Karriere begann und in "Adua e le compagne" , "Fantasmi a Roma" (1961) und "La visita" (1963) weitere Hauptrollen unter seiner Regie spielte, besetzte Pietrangeli bekannte Darstellerinnen wie Claudia Cardinale, Simone Signoret, Catherine Spaak, Stefania Sandrelli, Jacqueline Sassard, Emanuelle Riva oder Belinda Lee in seinen spezifischen Frauenrollen. Auch die männlichen Darsteller Alberto Sordi, Gabriele Ferzetti, Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi und Nino Manfredi traten mehrfach in seinen Filmen auf. Überraschend ist hingegen, dass Valerio Zurlini Pietrangelis letzten Film "Come, quando, perché" (1969) nach dessen Tod zu Ende führte, denn abgesehen von den gemeinsamen Wurzeln im Neorealismus und den im italienischen Filmschaffen typischen Querverbindungen, bestanden keine direkten Berührungspunkte. Es ist der ähnliche Charakter ihrer Filme, die Zurlini für diese Position qualifizierte, die gemeinsam mit den Werken Alberto Lattuadas und Luciano Salces früh die sich nach dem Krieg verändernde Rolle der Frau modern interpretierten.
Obwohl der Einfluss des Neorealismus seinem Werk immer anzumerken blieb, nahmen seine Filme einen unterhaltsamen und modern wirkenden Charakter an, der die tragische Komponente unterschwellig entwickelte. Selbst in seinem ersten Film "Il sole negli occhi", der dem realistischen Stil noch offensichtlich verpflichtet war, widmete sich Pietrangeli schon seinem bevorzugten Thema: der Sozialisation am Beispiel des Verhältnisses von Mann und Frau. Dabei das Gewicht eindeutig auf die Frauen legend, aus deren Blickwinkel die meisten seiner Filme erzählt werden. Viele weiblich assoziierte Elemente prägten seine Filme - Kleidung, Schmuck, Familie, Kinder, Gespräche über Männer, Tanz und Musik und nicht zuletzt die Frauen selbst, deren Schönheit und Anmut die Kamera ohne jeden Voyeurismus einfing - und verliehen ihnen damit eine Leichtigkeit, die die Ernsthaftigkeit dahinter oft übersehen ließ.
Pietrangelis Realismus zeigte sich nicht im konkreten Aufzeigen gesellschaftlicher Missstände, sondern in der Beobachtung seiner kleinsten Zelle - dem Umgang der Menschen miteinander. Das entbehrte nicht Temperament, Freude und Glück, ließ aber Abhängigkeit, Machtmissbrauch und moralische Verlogenheit ebenso deutlich werden. Die Szene in "Il sole negli occhi", in der der dickliche Sohn des Hauses dem Dienstmädchen Celestina unvermittelt an die Brust fasst, steht signifikant für Pietrangelis Stil. Celestina weiß sich temperamentvoll zu wehren und schlägt mit dem Telefonhörer auf dessen Hand, weshalb der Grabscher sich das Gelächter seiner Familie angesichts des Verbands beim gemeinsamen Abendessen gefallen lassen muss. Eine vordergründig komische Szene, die gleichzeitig die generelle Missachtung von Frauen und die Verlogenheit einer nach außen gepredigten Moral vermittelte. Antonio Pietranglis Filme waren immer auch Tabubrüche und widersetzten sich den damaligen moralischen Standards. Sexuelle Belästigungen, unehelicher Geschlechtsverkehr und daraus folgende Schwangerschaften sind ebenso alltäglich wie das ständige Jonglieren der Frauen zwischen jungfräulicher Außendarstellung und dem Begehren der Männer.
In "Adua e le compagne" (Adua und ihre Gefährtinnen, 1960) gab er diesem Zwiespalt ganz konkret Gestalt, indem er den Versuch von Prostituierten beschrieb, nach dem staatlichen Verbot von Bordellen wieder eine bürgerliche Existenz aufzubauen - ein von vornherein zum Scheitern verurteiltes Ansinnen, dem der Regisseur trotzdem humorvolle Momente abgewinnen konnte. Erst Pietrangelis letzter vor seinem Tod fertig gestellter Film "Io la conoscevo bene" (Ich habe sie gut gekannt, 1965) erhielt die verdiente offizielle Anerkennung, weshalb er in Unkenntnis seines übrigen Werks häufig als sein bester Film angesehen wird. Die Geschichte vom hübschen Landmädchen, das Schauspielerin werden will und den typischen gesellschaftlichen Mechanismen ausliefert wird, ist großartig, aber letztlich nur ein weiteres Glied in einer Reihe hervorragender Filme, die sich auf vielfältige Weise der menschlichen Sozialisation widmeten. Denn trotz seiner Konzentration auf die Frauen, vergaß Pietrangeli nicht die Rolle der Männer, deren Dominanz und gesellschaftliche Machtposition sich als trügerisch erwies - ihre eigene Tragik erst zu spät begreifend werden sie in Pietrangelis Filmen zu gescheiterten Figuren.
Sein eigenständiger zwischen Unterhaltung und Drama vermittelnder Stil war auch der engen Zusammenarbeit mit Regisseuren, Drehbuchautoren und Darstellern zu verdanken, von denen ihn Einige während seiner zu kurzen Karriere intensiv begleiteten. Antonio Pietrangeli gehörte fast folgerichtig zu den Wegbereitern des Episodenfilms, der seine Blüte in den 60er Jahren erlebte - siehe den Essay "L'amore in città und die Folgen". Der frühe Episodenfilm "Amori di mezzo secolo" (1954), zu dem er "Girandola 1910" beitrug, wirkt aus heutiger Sicht wie ein Wiedersehen mit den Regisseuren Pietro Germi und Roberto Rossellini. Wichtiger für sein späteres Werk war aber die erstmalige Zusammenarbeit mit Ettore Scola am Drehbuch zu "Girandola 1910". Bis zu "Io la conoscevo bene" Mitte der 60er Jahre sollte er Pietrangeli - ausgenommen bei "Souvenir d'Italie" (1957) - als Co-Autor begleiten. Die Kombination aus Gesellschaftskritik und Unterhaltung verband beide Künstler, auch wenn Scola in seinen eigenen Regie-Arbeiten zu einer kompromissloseren Sichtweise wechselte. Mit Ruggero Maccari stieß ab Pietrangelis folgendem Film "Lo scapolo" (1955) ein weiterer ständiger Wegbegleiter hinzu, mit dem sie über einen langen Zeitraum ein eingespieltes Autoren-Trio bildeten.
Neben dieser gestalterischen Kontinuität wurde die Besetzung einer Vielzahl weiblicher Stars signifikant für Pietrangelis Oevre. Neben Sandra Milo, die in "Lo scapolo" ihre Karriere begann und in "Adua e le compagne" , "Fantasmi a Roma" (1961) und "La visita" (1963) weitere Hauptrollen unter seiner Regie spielte, besetzte Pietrangeli bekannte Darstellerinnen wie Claudia Cardinale, Simone Signoret, Catherine Spaak, Stefania Sandrelli, Jacqueline Sassard, Emanuelle Riva oder Belinda Lee in seinen spezifischen Frauenrollen. Auch die männlichen Darsteller Alberto Sordi, Gabriele Ferzetti, Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi und Nino Manfredi traten mehrfach in seinen Filmen auf. Überraschend ist hingegen, dass Valerio Zurlini Pietrangelis letzten Film "Come, quando, perché" (1969) nach dessen Tod zu Ende führte, denn abgesehen von den gemeinsamen Wurzeln im Neorealismus und den im italienischen Filmschaffen typischen Querverbindungen, bestanden keine direkten Berührungspunkte. Es ist der ähnliche Charakter ihrer Filme, die Zurlini für diese Position qualifizierte, die gemeinsam mit den Werken Alberto Lattuadas und Luciano Salces früh die sich nach dem Krieg verändernde Rolle der Frau modern interpretierten.
Antonio Pietrangeli - Regie-Arbeiten:
"Il sole negli occhi" (Die Sonne in den Augen, 1953)
"Amori di mezzo secolo" (1954) - Episode "Girandola 1910"
"Lo scapolo" (1955)
"Souvenir d'Italie" (Drei Mädchen erobern Rom, 1957)"Nato di marzo" (1958)
"Adua e le compagne" (Adua und ihr Gefährtinnen, 1960)
"Fantasmi a Roma" (Das Spukschloss an der Via Veneto, 1961)
"La parmigiana" (Das Mädchen aus Parma, 1963)
"La visita" (Der Besuch, 1963)
"Il magnifico cornuto" (1964, Cocú)
"Io la conoscevo bene" (Ich habe sie gut gekannt, 1965)
"Le fate" (Die Gespielinnen, 1966) - Episode "Fata Marta"
"Come, quando, perché" (Wo, wann, mit wem?, 1969) von Valerio Zurlini fertiggestellt