Antonio Marchi (Totò) landet in der Hölle... |
Inhalt: Antonio Marchi (Totò), ein erfolgloser kleiner Dieb,
hat die Nase voll vom Leben und beschließt, diesem ein Ende zu bereiten. Seinen
Abschiedsbrief steckt er sich mit einer Nadel ans Revers und legt sich unter
eine Gasleitung. Pech nur, dass die Gaswerke gerade streiken. Auch der Sprung
vom Dach eines Gebäudes endet nicht mit dem gewünschten Ergebnis, da er auf
einem Teppich landet, der von Hausfrauen wie ein Sprungtuch ausgebreitet wurde.
Und ins Wasser kann er angesichts des ausgeschilderten Selbstmordverbots unmöglich springen. Erst als
eine Brücke unter ihm zusammenbricht gelingt sein Vorhaben – ein Zufall, der
ihn direkt in die Hölle führt.
...auch wenn der Selbstmordversuch mit Gas zuvor nicht klappte |
Dort begegnet er nicht nur seinem alten Freund Pacifico
(Dante Maggio) wieder, sondern wird von dem Dämon Belfagor (Ubaldo Lay) als
Inkarnation von Marc Anton angesehen, weshalb dieser den Kontakt zur schönen
Cleopatra (Maria Frau) herstellt, die sich hocherfreut über seine Ankunft
zeigt. Für den eifersüchtigen Satan (Nerio Bernardi) keine erfreuliche
Entwicklung, weshalb er Antonio Marchi leiden lassen will. Doch bevor er ihn erwischen
kann, gelangt Antonio Marchi wieder in die Realität zurück. Die sich als nicht
weniger höllisch herausstellt – er landet in einem Existentialisten-Lokal…
Cleopatra (Maria Frau) erfährt von Marc Antons (Totò) Ankunft |
Angesichts der unübersichtlich wirkenden Anzahl von mehr als
90 Kinofilmen, die Totò in den 20 Jahren seiner Karriere-Hochphase, beginnend
bei "I due orfanelli" (1947) bis zum Episodenfilm "Le
streghe" (Hexen von heute) in seinem Todesjahr 1967 drehte, sind
außergewöhnliche Fixpunkte schwer auszumachen. Doch einzelne Filme ragen aus
seinem umfangreichen Oevre heraus - wie beispielsweise "Totò a colori" (Totò in Farbe, 1952), dem ersten Farbfilm in Ferrania-Color. Auch
"Totò all'inferno" (Totò in der Hölle, 1955) nimmt eine Sonderrolle
ein, da er den Beginn der engen Zusammenarbeit mit Regisseur Camillo
Mastrocinque markierte, der insgesamt elf Filme mit Totò drehte. Allein damit
lässt sich der Status von "Totò all'inferno" noch nicht erklären,
denn auch andere Regisseure widmeten sich dem Komiker ähnlich intensiv. Neben
fünf Filmen unter der Regie von Carlo Ludovico Bragaglia in der Frühphase,
waren es besonders Mario Mattoli (15 Filme) und Steno (13 Filme), die seinen
Weg lange begleiteten. In den 60er Jahren kam noch Sergio Corbucci hinzu, der
vor seinem Einstieg in den Italo-Western sieben Totò-Filme drehte.
Der existentialistische Sänger (Galeazzo Benti) lernt Totò kennen |
Gemessen daran wirkt die gemeinsame Phase mit Mastrocinque
wenig herausragend, wäre sie nicht so kurz und heftig ausgefallen. In wenigen
Jahren bis 1958 entstanden nach "Totò all'inferno" sieben weitere
Filme - eine Konzentrierung, wie es sie nicht einmal unter Mattoli oder
Steno/Monicelli gab. Noch entscheidender für die Bedeutung dieses kurzen
Zeitraums war der Einfluss des Autors Vittorio Metz. Er steuerte insgesamt die meisten
Drehbücher (mehr als 20) zu den Totò-Filmen bei und beeinflusste auch dessen
Aufstieg zum Volksschauspieler in den späten 40er Jahren. Doch nach 1951 kam es
zu einem Bruch, denn Metz gehörte nicht dem Vertrauten-Kreis um Steno an, der neben Mattoli zum führenden Totò-Regisseur wurde. An den für die Entwicklung der „Commedia
all’italiana“ wichtigen Filmen wie „Guardie e ladri“ (Räuber und Gendarm,
1951), „Totò e le donne“ (Totò und die Frauen, 1952) und „Totò a colori“ war er
nicht beteiligt. Nach "Sette ore di guai" (1951) sollte er vier Jahre
lang weder an einem "Totò"-, noch einem Steno-Film mitarbeiten - eine
Ewigkeit angesichts des hohen Outputs in dieser Zeit.
Die schwarz-weiße Realität... |
„Totò all’inferno“ bedeutete entsprechend eine Zäsur.
Vittorio Metz kehrte ans Set zurück und schrieb zu sechs der acht folgenden
„Totò“-Filme unter der Regie Mastrocinques die Drehbücher, während Age und
Furio Scarpelli, Stenos ständige Begleiter, nur eine Nebenrolle einnahmen. Erst
mit „Totò nella luna“ (Totò im Mond, 1958) sollte sich diese Situation wieder
ändern und Steno setzte seine Zusammenarbeit mit Totò weiter fort, gleichbedeutend
mit dem Ende der Mastrocinque/Metz-Ära. Aus Stenos Umfeld hatte einzig Lucio
Fulci bei „Totò all’inferno“ am Drehbuch mitgewirkt und dabei Vittorio Metz näher
kennengelernt. Ihre Zusammenarbeit blieb nicht ohne Konsequenz für sein späteres Schaffen.
Knüpften Fulcis erste Regie-Arbeiten wie „I ladri“ (Jeder Dieb braucht ein
Alibi, 1959) mit Totò in der Hauptrolle und der Musik-Film „I ragazzi del
Juke-Box“ (1959) noch unmittelbar an seine bisherige Karriere an, emanzipierte
er sich davon mit „I due della legione“ (1962), gleichzeitig der Beginn seiner
langjährigen Zusammenarbeit mit dem Komiker-Duo Franco Franchi und Ciccio
Ingrassia. Nur Einer der früheren Kollegen wurde erst in den 60er Jahren zu
einem wichtigen Begleiter – Vittorio Metz, der zu vier Fulci-Filmen das Drehbuch
verfasste.
...wechselt zur farbenfrohen Hölle |
In seiner Anlage war Metz' Stil noch traditionell und erinnerte an
die klassische „Commedia dell’arte“. Er reihte Sketch an Sketch und gab Totò die Möglichkeit, neben seinem komödiantischen auch sein
pantomimisches Können auszuspielen. Szenisch knüpfte Metz damit an „Totò a colori“ an, entwickelte dessen Farbkonzept aber weiter und passte es an die
übergeordnete Thematik „reale Welt versus Hölle“ an. Erneut in Ferrania-Color
gedreht, beließ er die in der Realität spielenden Szenen in tristem
Schwarz-Weiß, während die Unterwelt als Ort fantastischer Bauten und
prachtvoller Kostüme in schillernden Farben regelrecht glühte. Ähnlich wie „Totò a colori“ verfügt auch „Totò all’inferno“ nur über einen groben Rahmen, unter
dem Spielszenen zusammengefasst wurden, die einzeln ebenso ihre Wirkung
entfalten könnten. Der mehrfache Wechsel zwischen Unter- und Oberwelt verlieh
ihnen aber eine zusätzliche Dynamik, die die Handlung insgesamt verdichtete.
Antonio Marchi steht vor Gericht... |
Auf die Stummfilm-Szene zu Beginn, in der Antonio Marchi
(Totò) vergeblich versucht sich umzubringen, bis ihn ein Unfall direkt in die
Hölle transportiert, kommt der Film später noch einmal zurück, nachdem Marchi
von Satans Schergen wieder in die Unterwelt zurückgeholt wurde. In einer Art
Gerichtsverhandlung soll er die Gründe für seinen Selbstmordversuch nennen, was
dem Angeklagten die Gelegenheit gibt, diese in Form von zwei Sketchen
vorzutragen – die Geschichte vom kleinen Dieb, der unfähig ist zu stehlen, bis
er von Al Capone (Vincent Barbi) persönlich beraubt wird, und die Hochzeit mit einem
siamesischen Zwilling. Damit eine der Schwestern heiraten kann, tritt er als
Lückenbüßer für die Zweite vor den Traualtar, aber ohne bei ihr zum Zug zu
kommen. Selbstverständlich beansprucht der Bräutigam der ersten Schwester beide
Frauen – sie sind schließlich siamesische Zwillinge.
...und als Bräutigam im Abseits |
Totò hielt in diesen Szenen genau die Waage zwischen Tragik
und Komik, so dass einerseits sein Frust deutlich wird, andererseits das
Vergnügen an seinen vergeblichen Versuchen nicht zu kurz kam. Trotz der damit
verbundenen Konfrontation mit seinen egoistischen Zeitgenossen, fehlt „Totò
all’inferno“ die anarchistisch-entlarvende Sichtweise der Steno-Filme. Anders
als der selbst von sich überzeugte Komponist in „Totò a colori“, der seine
Gegenüber in regelmäßiger Konsequenz so zur Weißglut brachte bis diese
Mordgedanken in sich trugen, ist die Figur des Antonio Marchi mehr als Typ
Überlebenskünstler angelegt, dessen ständig getragene Melone nicht zufällig an
Charly Chaplin erinnert. Auf die Idee, sich selbst umzubringen, kämen Stenos
Protagonisten wie der von Alberto Sordi gespielte Möchtegern-Amerikaner in „Un Americano a Roma“ (Ein Amerikaner in Rom, 1954) erst gar nicht, obwohl sie nicht nur ähnliche
Misserfolge erleiden müssen, sondern ständig der Wut ihrer Mitmenschen
ausgesetzt sind.
Versöhnliche Abschlussszene im Krankenhaus |
Antonio Marchi, der in der Hölle als Inkarnation von Marc
Anton betrachtet wird und erneut Cleopatras (Maria Frau) Herz erobert, ist
dagegen eine sympathische Verlierer-Figur. Selbst die einzige unmittelbar auf
die damalige italienische Gegenwart anspielende Szene in der
Existentialisten-Bar geht über eine sanfte Parodie nicht hinaus. Der von Totò
geschickt in die Schranken gewiesene Sänger (Galeazzo Benti) verkriecht sich angstvoll hinter
dem Mobiliar. Eine bei Steno nur schwer vorstellbare Konsequenz, aber Totò, Regisseur
Mastrocinque und Vittorio Metz sowie die sie unterstützende Schar weiterer
Drehbuchautoren verfolgten ein anderes Ziel, wie sich spätestens in der in
einem Krankenhaus spielenden Abschlussszene zeigt. Nachdem sich die vorherigen
Geschehnisse als Alptraum Totòs herausgestellt hatten, verabschieden sich er
und die wichtigsten Darsteller gemeinsam mit dem Hinweis, daraus doch einen
Film machen zu können.
Gesagt, getan – und sicherlich zur Zufriedenheit des
Publikums, dem dank eines Totò in Höchstform beste Unterhaltung geboten wurde.
Allerdings trotz des Zitats der Höllenkreise aus Dante Alighieris „Göttlicher
Komödie“ ohne die doppelbödige Gesellschaftskritik der spezifischen „Commedia
all’italiana“. „Totò all’inferno“ steht noch für die traditionelle italienische
Komödie.
"Totò all'inferno" Italien 1955, Regie: Camillo Mastrocinque, Drehbuch: Totò, Vittorio Metz, Lucio Fulci, Camillo Mastrocinque, Steno, Lucio Fulci, Luigi Mangini, Italo de Tuddo, Francesco Nelli, Darsteller : Totò, Maria Frau, Mario Castellani, Ubaldo Lay, Nereo Bernardi, Galeazzo Benti, Laufzeit : 89 Minuten