Inhalt: Sizilien,
kurz nach dem Ende des zweiten Weltkriegs - zwei Männer überfallen eine von
zwei Eseln gezogene Kutsche. Sie wollen nur die zwei Tiere, aber als der
Kutscher einen von ihnen erkennt, sehen sie sich gezwungen, ihn zu erschießen.
Der Baron (Camillo Mastrocinque) ist erbost über den Verlust seiner Esel,
schaltet aber nicht die Polizei ein, sondern wendet sich an Turi Passalacqua
(Charles Vanel), über den alle wichtigen Entscheidungen laufen. Als der junge Richter Guido Schiavi (Massimo Girotti) seinen Dienst in dem
kleinen Ort antritt, der inmitten einer wüstenähnlichen, kargen Landschaft
liegt, versucht er sogleich, die Fälle zu ordnen und staatliches Recht
auszuüben.
Doch als die Leiche eines der beiden Räuber gefunden wird, gerät er
schnell an die Grenzen seiner Bestrebungen. Jeder hält dessen Tod für
gerechtfertigt, denn er hatte gegen den Kodex der Menschen hier verstoßen,
dessen Wahrung wichtiger ist als die vom Staat verordneten Gesetze. Die Mafia
sorgt für die Einhaltung der Regeln, gegen die sich Niemand aufzulehnen wagt...
Die engen
Verflechtungen in der Zusammenarbeit der Filmschaffenden nach 1945 in Italien
und der generelle Einfluss des neorealistischen Stils auf das Kino, lassen sich
an Pietro Germis frühen Filmen - besonders an "In nome della legge"
(Im Namen des Gesetzes) - sehr gut veranschaulichen. Seine Filme genießen in
Italien zurecht ein hohes Ansehen, während sie im Gegensatz zu seinen
späteren Komödien "Divorzio all'italiana" (Scheidung auf Italienisch,
1961) oder "Alfredo, Alfredo" (1972) in Deutschland nahezu unbekannt
sind und in keiner Auflistung relevanter Filme des Neorealismus genannt werden.
Dabei sind die Parallelen in der erzählerischen Anlage zwischen "In nome
della legge" und "Divorzio all'italiana" offensichtlich, die
beide auf der Grundlage der archaischen Sozialisation in Sizilien basieren, nur
das Germi sich in seinen späteren, beißend satirischen Komödien mehr den
moralischen Instanzen widmete, während er in "In nome della legge" die
Basis für den Mafia-Film und nicht zuletzt den Italo-Western legte - in
Italien gilt der Film entsprechend als der erste "Western" nach dem
Krieg.
Allein die beteiligten Autoren lassen den späteren Einfluss des Films erkennen. Mario Monicelli, der zuvor schon an Germis
erstem neorealistischen Film "Gioventù perduta" (Verlorene Jugend,
1948) als Autor mitwirkte, prägte neben Steno, Germi und Dino Risi die "Commedia all'italiana", deren sezierender
Humor den Blick auf die Realität, wie er im Neorealismus stilbildend wurde, noch schärfte. Ihre bleibende Freundschaft über eine konkrete Zusammenarbeit hinaus lässt sich an Monicellis Umsetzung von Germis letztem Drehbuch zu "Amici miei" (Ein
irres Klassentreffen, 1975) erkennen, dass dieser auf Grund seines Todes nicht mehr selbst in Angriff nehmen konnte.
Auch Federico Fellini und Tullio Pinelli schrieben nicht nur gemeinsam die Drehbücher zu Fellinis eigenen Dramen wie "La strada" (Das Lied der Straße, 1954) oder "La dolce vita" (Das süße Leben, 1960), sondern waren auch an Germis folgendem, dem Neorealismus nahe stehenden Film "Il cammino della speranza" (Der Weg der Hoffnung, 1950) beteiligt. Giuseppe Mangione wiederum, der Fünfte im Bunde, widmete sich dem Action-Kino und schrieb Drehbücher zu Sandalenfilmen wie "Ursus" (Ursus, Rächer der Sklaven, 1961) und Italo-Western wie "Sugar Colt" (Rocco, der Mann mit den zwei Gesichtern, 1966).
Auch Federico Fellini und Tullio Pinelli schrieben nicht nur gemeinsam die Drehbücher zu Fellinis eigenen Dramen wie "La strada" (Das Lied der Straße, 1954) oder "La dolce vita" (Das süße Leben, 1960), sondern waren auch an Germis folgendem, dem Neorealismus nahe stehenden Film "Il cammino della speranza" (Der Weg der Hoffnung, 1950) beteiligt. Giuseppe Mangione wiederum, der Fünfte im Bunde, widmete sich dem Action-Kino und schrieb Drehbücher zu Sandalenfilmen wie "Ursus" (Ursus, Rächer der Sklaven, 1961) und Italo-Western wie "Sugar Colt" (Rocco, der Mann mit den zwei Gesichtern, 1966).
Der Beginn
des Films könnte unmittelbar aus einem Western stammen. Zwei bewaffnete Männer
lauern innerhalb einer kargen steppenartigen Landschaft einem von zwei Eseln
gezogenen Wagen auf. Sie überwältigen den Kutscher und erschießen ihn
kaltblütig, da er einen der Räuber erkannt hatte. Der Ort des Überfalls
befindet sich auf Sizilien, wenige Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs,
aber die Ähnlichkeit zu den Szenarien im Westen der USA ist unverkennbar.
Renovierungsbedürftige Gebäude und unbefestigte Straßen geben einen staubigen
Hintergrund ab für eine Handlung, die vom Gesetz des Stärkeren erzählt. Selbst
der Baron (Camillo Mastrocinque), Großgrundbesitzer und einflussreiche
Persönlichkeit, wendet sich nicht an die Polizei, sondern an Turi Passalacqua
(Charles Vanel), um die Diebe seiner Esel fassen zu lassen. Passalacqua
verkörpert den ortsansässigen Mafiaboss noch in seiner ursprünglichen Form als
Oberhaupt einer Sozialisation, die den staatlichen Behörden misstraut und seit
Jahrhunderten nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten lebt. Entsprechend tritt er
nicht diktatorisch auf, sondern bespricht sich mit einer Gruppe vertrauter
Männer, bevor er sein Urteil fällt. Als wenig später einer der zwei Räuber
erschossen aufgefunden wird, kann er sich der Zustimmung des Großteils der
Bevölkerung sicher sein.
Die
Konfrontation mit dem Staat entsteht durch das Auftauchen von Guido Schiavi
(Massimo Girotti), der seine Stelle als Richter in dem kleinen Ort antritt. Die
wenigen offiziellen Gesetzesvertreter – darunter als Chef der Carabinieri
Maresciallo Grifò (Saro Urzi) – haben sich in die Verhältnisse gefügt, aber der
junge Richter, der aus Palermo stammt, beginnt sofort den Laden umzukrempeln
und pocht auf die Einhaltung der staatlichen Gesetze, weshalb er sich auf die
Suche nach dem Mörder des getöteten Räubers macht. Geschickt entwirft Germi
eine nicht eindeutige Situation. Das ehrgeizige Streben des Richters wirkt im
Vergleich zum gelassen und freundlich bleibenden Mafiaboss übertrieben, wenig
an den tatsächlichen Bedürfnissen und moralischen Vorstellungen der
Ortsansässigen orientiert. Doch „In nome della legge“ versteht sich nicht als
Beschreibung einer Situation, wie sie vor dem Krieg noch Bestand hatte und zur Entstehung
der Mafia beitrug (von Pasquale Squitieri in „Il prefetto di ferro“ (Die Rache
bin ich, 1977) thematisiert), sondern verzahnt sie mit den gesellschaftlichen
Veränderungen nach dem Krieg.
Es ist
weniger die offensichtliche Armut und die sehr einfachen Lebensverhältnisse,
die die Nähe zum Neorealismus symbolisieren, als die Auseinandersetzungen mit
einer neuen sozialeren Gesellschaftsform, die nicht mehr von einer Person
bestimmt wird, unabhängig davon, aus welchen Beweggründen sie handelt.
Erstaunlich konkret für seine Entstehungszeit kritisiert der Film den
rücksichtslosen Umgang der Männer mit den Frauen. Der Baron behandelt seine
kultivierte Ehefrau (Jone Salinas) nicht nur wie eine Angestellte, die auf
Befehl folgen muss, sondern äußert sich verächtlich über ihre Vorliebe für
Musik und ihr Klavierspiel. Zwar bleibt die Beziehung zwischen ihr und dem
jungen Richter oberflächlich, aber allein der Gedanke, dass eine verheiratete
Frau ihren Mann verlässt, war damals noch unvorstellbar. Entscheidender im
Gesamtkontext ist die Liebesgeschichte zwischen dem jungen Paolino (Bernardo
Indelicato) und der 16jährigen Bastianedda (Nadia Niver). Francesco Messana
(Ignazio Balsamo), zuständig für die Ausführung der Mafia-Urteile, hat zwar ein
Verhältnis mit deren ledigen Mutter, will diese aber dazu zwingen, ihm ihre
Tochter zur Frau zu geben. Germi zeichnet ein von starren moralischen Regeln
bestimmtes Bild totaler Abhängigkeit der Frauen, wie er es in „Divorzio all’italiana“ ein Jahrzehnt später ironisch und schwarzhumorig verarbeiten
sollte.
Als Paolino
und Bastianedda deshalb beschließen, keineswegs heimlich eine gemeinsame Nacht
zu verbringen, gleicht das einer Revolution und bringt ihn in Lebensgefahr. Der
geprellte Messana hatte schon vorher gegenüber Passalacqua behauptet, der Junge
hätte sie bei dem Richter verraten, um seinen Tod zu fordern, aber der
Mafiaboss hatte diese Aussage kritisch hinterfragt und erst eine Überprüfung
angeordnet. Jetzt war der wütende Messana nicht mehr bereit, darauf zu warten. Zudem
hatte es sich herausgestellt, dass sich die bittere Armut der Menschen darauf
begründete, dass der Baron die Mine schließen ließ, in der die meisten Männer
gearbeitet hatten – ein aus rein wirtschaftlichen Überlegungen umgesetzter
Beschluss, der von der Mafia unterstützt wurde. In diesem Zusammenhang
erscheint auch der anfängliche Überfall in einem anderen Licht, denn erst die
Not hatte die beiden Männer dazu gezwungen, die Esel des Barons zu stehlen. Zunehmend
zeigen sich Risse in der scheinbar funktionierenden Gemeinschaft und wird es
deutlich, dass die Entscheidungen der bestimmenden Männer von Egoismen und eigenen
Moralvorstellungen geprägt sind. Zwar gewinnt der Richter langsam Vertrauen,
weil er den Baron gerichtlich dazu zwingen will, seine Mine wieder zu öffnen, doch
er unterschätzt die Macht seiner Gegner und deren Einfluss auf eine konservativ
denkende Bevölkerung.
„In nome
della legge“ war der erste Film nach der Mussolini-Diktatur, der die mafiösen
Strukturen differenziert beschrieb und einen souverän agierenden „Paten“
präsentierte, der die Vorgänge geschickt aus dem Hintergrund kontrolliert. Aus
heutiger Sicht sind diese Mechanismen vertraut, aber Germis Film hat seine Bedeutung
deshalb nicht verloren, weil er seine Story aus der Grundlage heraus entwickelt,
der die Mafia ihre Entstehung und Anerkennung in der Bevölkerung verdankte -
als Reaktion auf einen Staat, von dem sie sich im Stich gelassen fühlte. Gleichzeitig
verzahnt er die Demaskierung dieser Strukturen mit einer sich wandelnden
Sozialisation im Nachkriegsitalien, ohne die Rolle des Staates zu idealisieren.
Wenn der Richter in seiner verzweifelten Rede am Ende fordert, im Namen des
Gesetzes zu handeln, dann lächelt der Mafiaboss nur bestätigend dazu, bevor er
mit seinen Männern davon reitet.
"In nome della legge" Italien 1949, Regie: Pietro Germi, Drehbuch: Pietro Germi, Federico Fellini, Giuseppe Mangione, Mario Monicelli, Tullio Pinelli, Darsteller : Massimo Girotti, Charles Vanel, Saro Urzi, Ignazio Balsamo, Camillo Mastrocinque, Jone Salinas, Laufzeit : 96 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Pietro Germi: