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Orietta Berti und Ugo Tognazzi in "L'uccellino della Val Padana" |
Inhalt: Episode 1: L'uccellino della Val Padana (Der Spatz
von Val Padana)
Adriano (Ugo Tognazzi) lässt nichts aus, um seiner Frau
(Orietta Berti), eine mittelmäßig begabte Sängerin, möglichst viele Auftritte
zu verschaffen – schließlich hängt sein
Einkommen davon ab. Als sie auf Grund dieser Dauerbelastung ihre Stimme
verliert und der Arzt ihr ein paar Monate Schonung empfiehlt, sieht er seine
Felle davon schwimmen…
Episode 2: Con i saluti degli amici (Mit freundlichen
Grüßen)
Ein Mafioso, der auf offener Straße von Kugeln
niedergestreckt wurde, leugnet selbst kurz vor seinem Tod gegenüber der
Polizei, dass etwas vorgefallen wäre.
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Vittorio Gassman in "Tantum ergo" |
Episode 3: Tantum Ergo
Das Fahrzeug eines Kardinals (Vittorio Gassman) erleidet in
einem herunter gekommenen römischen Vorort eine Panne. Gezwungen sich die Zeit
zu vertreiben, betritt der Kardinal eine nahe gelegene Kirche, in der
der Orts-Pfarrer eine Versammlung mit aufgebrachten Bürgern abhält…
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Ornella Muti und Eros Pagni in "Autostop" |
Episode 4: Autostop
Für den reisenden Vertreter (Eros Pagni) entspricht die
junge Anhalterin (Ornella Muti) genau seinem Beuteschema, weshalb er auch nicht
lange braucht, um ihr seine Bedürfnisse zu demonstrieren. Um sich den so
verklemmten, wie gierigen Kerl vom Leib zu halten, zitiert sie eine
Zeitungsmeldung falsch und erweckt den Anschein, sie wäre eine entflohene
Mörderin…
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Vittorio Gassman in "Sequestro di persona cara" |
Episode 5: Sequestro di persona cara (Entführung einer
geliebten Person)
Tränenreich versucht ein Mann (Vittorio Gassman) vor
laufender Kamera die Entführer seiner Frau davon zu überzeugen, alles für deren
Befreiung zu tun. Er fleht sie an, sich umgehend bei ihm zu melden, hat aber schon heimlich die Telefonkabel durchgeschnitten.
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Alberto Sordi in "First aid - pronto soccorso" |
Episode 6: First Aid - Pronto soccorso (Erste Hilfe)
Nachts unterwegs zu einer Verabredung entdeckt der
Aristokrat Giovan Maria Catalan Belmonte (Alberto Sordi) einen Mann am
Mussolini-Ehrenmal liegen. Eigentlich wollte er ihn nur nach dem Weg fragen,
sieht sich aber doch in der Pflicht, etwas für den Schwerverletzten zu tun. Er
lädt ihn in seinen Rolls Royce, um ihn ins nächste Krankenhaus zu bringen – wie
sich herausstellt ein schwieriges Unterfangen…
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Nerina Montagnani und Ugo Tognazzi in "Mammina e mammone" |
Episode 7: Mammina e mammone
Zwei Bettler – eine alte Mutter und ihr geistig leicht behinderter
Sohn (Ugo Tognazzi) – streifen wie jeden Tag durch Rom. Sie sammeln alles, was
ihnen wertvoll erscheint und lassen es sich trotz ihrer geringen Geldmittel gut
gehen, immer argwöhnisch von ihrer Umgebung betrachtet.
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Vittorio Gassman in "Cittadino esemplare" |
Episode 8: Cittadino esemplare (Ein beispielhafter Bürger)
Unmittelbar vor seiner Haustür wird ein Beamter (Vittorio
Gassman) Zeuge eines Überfalls. Er versteckt sich bis die Verbrecher von ihrem
Opfer ablassen, um an dem leblosen Körper vorbei der abendlichen Freizeit im
Kreis der Familie zuzustreben.
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Eros Pagni und Floria Florence in "Pornodiva" |
Episode 9: Pornodiva
Ein Ehepaar (Eros Pagni, Floria Florence) verhandelt mit
einem Produzenten über eine Rolle ihrer siebenjährigen Tochter – in einem
Pornofilm.
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Vittorio Gassman in "Il sospetto" |
Episode 10: Il sospetto (Der Verdacht)
Dem Commissario (Vittorio Gassman) wird eine Gruppe
Studenten vorgeführt, die unterschiedliche Straftaten begangen haben sollen,
die er ihnen detailliert vorhält. Als er von einem Furz gestört wird, lässt er
die jungen Männer aus dem Polizeirevier schmeißen. Bis auf einen von ihnen, den
er in sein Zimmer zitiert…
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Alberto Sordi in "Come una regina" |
Episode 11: Come una regina (Wie eine Königin)
Nach langer Zeit unternimmt Franchino (Alberto Sordi) mit
seiner Mutter einen Ausflug in die Umgebung von Rom. Die alte Frau freut sich,
ihren Sohn endlich einmal wieder für sich allein zu haben, denn sie ahnt nicht,
was er damit tatsächlich bezweckt…
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Vittorio Gassman und Ugo Tognazzi in "Hosteria!" |
Episode 12: Hosteria!
Wie immer werden die Gäste vom jovialen Kellner (Vittorio
Gassman) freundlich begrüßt, der sogleich die Tagesgerichte präsentiert. Während
im Gastraum freudige Erwartung auf die bestellten Köstlichkeiten herrscht,
kommt es in der Küche zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem Koch
(Ugo Tognazzi) und dem Kellner…
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Ornella Muti und Yorgo Voyagis in "Senza parole" |
Episode 13: Senza parole (Ohne Worte)
Nach ihrer Ankunft am Heimatflughafen hat die junge
Stewardess (Ornella Muti) noch Lust schwimmen zu gehen. Dort fällt ihr sofort
der hübsche Mann (Yorgo Voyagis) am Beckenrand auf, der ihre Zeichen versteht.
Ohne ein Wort zu wechseln – sie sprechen keine gemeinsame Sprache – verlieben
sie sich sofort ineinander…
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Alberto Sordi in "L'elogio funebre" |
Episode 14: L'elogio funebre
Eine Gruppe Trauernder begleitet einen Sarg zum Friedhof. Am
Grab angekommen hält einer der Sargträger (Alberto Sordi) eine Rede für den
Verstorbenen und erinnert an dessen Qualitäten als Komiker. Langsam wandelt
sich das Wehklagen in Lachen…
Ettore Scola und die neuen Monster - im Gedenken an den am 19.01.2016 verstorbenen Regisseur und Drehbuch-Autor
Ein Episodenfilm scheint wenig geeignet für einen Nachruf auf einen Regisseur, zumal mit Dino Risi und Mario Monicelli zwei prominente Kollegen an seiner Seite standen. Entsprechend wurde in den Nachrufen auf Ettore Scola an seine bekanntesten (und erfolgreichsten) Filme erinnert, dabei vollständig die Essenz seines Schaffens übersehend - die enge Zusammenarbeit mit einer großen Anzahl Filmschaffender über Jahrzehnte hinweg. Schon 1954 war er an einem der ersten Episodenfilme beteiligt ("Amori di mezzo secolo"), gleichzeitig auch der erste gemeinsame Film mit dem früh verstorbenen Regisseur Antonio Pietrangeli, an dessen Werken Scola und sein kongenialer Co-Autor Ruggero Maccari bis Mitte der 60er Jahre immer beteiligt waren. Seine erste Regie-Arbeit "Se permettete parliamo di donne" (1964) war eine Fortführung der zuvorigen gemeinsamen Jahre mit Dino Risi und Vittorio Gassman.
Neben "La terrazza" (1980), der wie ein letztes Klassentreffen unter alten Freunden wirkt, steht "I nuovi mostri" am Ende eines Vierteljahrhunderts intensiver Pflege des Episodenfilms in Italien. Gleichzeitig auch am Ende einer genre-übergreifenden engen Zusammenarbeit unter italienischen Filmschaffenden seit den 40er Jahren. Die zeitliche Parallele zum generellen Niedergang des italienischen Kinos lässt sich nicht übersehen. "I nuovi mostri" steht aber auch signifikant für die "Commedia all'Italiana", die in ihrer gesellschaftkritischen Variante hier noch einmal zu Höchstform auflief. Das ist ihr nicht gut bekommen, weshalb sie stark zensiert und ummontiert wurde. Es dauerte lange, bis ich die Episoden vollständig zusammentragen konnte. Diesen Film in Erinnerung an Ettore Scola endlich zu besprechen, war mir ein großes Bedürfnis.
Drei Jahre später sollte Ettore Scola noch einmal einige
seiner alten Mitstreiter auf der Terrasse eines römischen Wohnhauses zu einer
Art Bestandsaufnahme versammeln ("La terrazza" (1980)), aber zuvor
legte er mit "I nuovi mostri" (Viva Italia!) einen letzten furiosen
Auftritt vereinter Kräfte im schon aus der Mode gekommenen Episodenfilm hin.
Diese besonders in Italien seit den 50er Jahren intensiv gepflegte
Inszenierungsform wurde hier sinnbildlich zu Grabe getragen. In der
abschließenden 14. Episode begleitet eine Trauergesellschaft den Sarg eines
verstorbenen Komikers zu seiner letzten Ruhestätte. Alberto Sordi, einer der
Sargträger, beginnt eine elegische Rede auf den Kollegen und Mitstreiter, zitiert
ihn und schlüpft in dessen Rolle. Die Stimmung schlägt um von tiefer Trauer in
Ausgelassenheit und mündet im gemeinsam gesungen Refrain:
„Vieni, "cherie", potremo\gustar il fascino
"d'ltalie“
(Liebling, komm, lass uns die Faszination Italiens schmecken)
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Die Beerdigung wird zum Abschiedsfest |
Ein versöhnlicher Schlusspunkt, denn anders lässt sich
dieser so tragikomische, wie sympathische Abgesang nicht interpretieren, der im
Kontrast zu den vorherigen Episoden steht, die sich dem Blick in die Abgründe
der menschlichen Seele widmeten und dem Originaltitel "I nuovi
mostri" (Die neuen Monster) alle Ehre machten. Damit schloss sich der
Kreis zu "I mostri" (Die Monster, 1963), einem 20teiligen
Episodenfilm, zu dem Ettore Scola das Drehbuch geschrieben hatte. Gemeinsam mit
den Co-Autoren Ruggero Maccari, Furio Scarpelli und Agenore Incrocci („Age“),
entstanden unter der Regie Dino Risis, besetzt mit Vittorio Gassman und Ugo
Tognazzi in den Hauptrollen. 14 Jahre später nahmen sie das Konzept wieder auf
– doch damit nicht genug. Mit Mario Monicelli am Regie-Pult, Bernadino Zappino
als Co-Autor und Alberto Sordi vor der Kamera gesellten sich weitere Kollegen
der vergangenen Jahrzehnte dazu, ergänzt durch Ornella Muti und Eros Pagni als
Vertreter der jüngeren Schauspieler-Generation.
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Gassman empfiehlt die Tagesgerichte in "Hosteria!" |
Dafür dass Ettore Scola die treibende Kraft hinter diesem Projekt
war, lassen sich einige Argumente finden. Die Hälfte der Episoden entstanden
unter seiner Regie, zudem hatte er seine besondere Liebe zur Zusammenarbeit unter
Filmschaffenden seit 1954 („Amori di mezzo secolo“) in mehr als zehn
Episodenfilmen und der jahrelangen Partnerschaft mit Ruggero Maccari und dem
früh verstorbenen Regisseur Antonio Pietrangeli bewiesen. Mehr noch aber spiegelte
die sehr pessimistische Ausrichtung des Films seine Haltung Mitte der 70er
Jahre wider. Trieb „I mostri“ dem Betrachter schon Anfang der 60er Jahre trotz
seiner komödiantischen Form das Lachen aus dem Gesicht, hatte das
Krankheitsbild einer egozentrischen, selbstverliebten Nachkriegsgesellschaft in
„I nuovi mostri“ pathologische Züge angenommen.
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Mammone (Ugo Tognazzi) vermisst seine Mammina beim Kasperletheater |
Anders als seine deutlich älteren Regie-Kollegen Mario Monicelli
(„Amici miei“ (Ein irres Klassentreffen, 1975)) und Dino Risi („Telefoni bianci“,
1976), deren aktuellen Filme trotz eines entlarvenden Subtextes ihre äußerliche
Leichtigkeit beibehielten, war Scola nach „C‘eravamo tanti amati“ (Wir waren so
verliebt, 1974), der seine Enttäuschung über die Entwicklung nach dem Krieg
noch in einen unterhaltsamen Kontext bettete, bei „Brutti, sporchi e cattivi“
(Die Schmutzigen, die Häßlichen und die Gemeinen, 1976) an einem Tiefpunkt
angelangt. Von der Hoffnung auf das Gute im Menschen oder dessen Fähigkeit zum
Wandel war darin nichts mehr zu spüren. Eine Haltung, die auf „I nuovi mostri“
abfärbte. Während Scolas wenige Monate zuvor herausgekommener, im
faschistischen Italien vor Ausbruch des 2.Weltkriegs spielender „Una giornata
particulare“ (Ein besonderer Tag, 1977) mit Preisen überhäuft und in den Nachrufen
zu Scolas Tod hervorgehoben wurde, kam sein letzter Episodenfilm nur stark
zensiert in die Kinos, obwohl er eine Nominierung für den „Auslands-Oscar“
erhielt. Bis heute existiert keine vollständige Fassung der ursprünglichen
Inszenierung – ein Zeichen dafür, wie sehr der Film den Nerv traf.
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Immer gut gelaunt - Graf Belmonte (Alberto Sordi) bei der 1.Hilfe |
Ähnlich dem Vorbild „I mostri“ sind die einzelnen Episoden
kurzweilig erzählt, optisch und inszenatorisch ganz auf der Höhe ihrer Zeit. Die
stark differierende Länge der Episoden untereinander erinnert ebenfalls an den
Erstling, allerdings verzichteten die Macher sowohl auf besonders lange, mehr
als 15minütige Einzelfilme, als auch auf die vielen kurzen Spots, aus denen der
63er Film puzzleartig ein Gesamtbild des gesellschaftlichen Zustands
zusammensetzte. In „I nuovi mostri“ lag das Schwergewicht dagegen auf
5-10minütigen Episoden, die zwar zeitgenössische Themen aufnahmen, häufig aber
auch als sehr persönliche Kommentare der Kreativen zu verstehen sind. Den
übergeordneten kritischen Blick, wie ihn Dino Risi und seine Kollegen noch 1963
beabsichtigten – auch im Hinblick auf eine mögliche Korrektur – verfolgte „I
nuovi mostri“ nicht mehr. Ein nicht nur in Scolas Filmen dieser Zeit häufig zu
beobachtender Fatalismus, mit der das linksgerichtete politische Spektrum auf
die soziopolitischen Veränderungen in Italien reagierte.
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Tanzveranstaltung in "L'uccelino della Val Padana" |
Neben der Zensur erfuhr der Film auch mehrfach einen
Eingriff in die Episoden-Reihenfolge. Dabei ist der Beginn mit „L'uccellino
della Val Padana“ (Der Spatz von Val Padana) von besonderer Bedeutung, nicht
nur weil hier Ettore Scola wie auch bei der abschließenden Friedhofs-Szene
Regie führte – eine weiteres Argument für seine prägende Rolle. Die ersten
Bilder, zu denen die Credits eingeblendet werden, gelten dem Volk und zeigen es
bei einer abendlichen Tanzveranstaltung. Minutenlang fängt die Kamera die
Gesichter der Menschen ein – Männer und Frauen, alt und jung - , während sie
sich langsam zu seichter Tanzmusik bewegen. Ein Abbild gelangweilter
Freizeitgestaltung, das sich auch nicht ändert, als eine Sängerin (Orietta
Berti), den Saal betritt und auf der Bühne ein Lied trällert. Der Mann (Ugo
Tognazzi), der vor Begeisterung brüllend aus dieser stoischen Masse heraustritt,
wirkt beinahe wohltuend bis seine Absichten deutlich werden. Er ist ihr Ehemann,
der die Sängerin gnadenlos ausbeutet.
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Der Manager (Ugo Tognazzi) akzeptiert das ärztliche Urteil nicht |
Die Story vom rücksichtslosen Manager, der für den eigenen
Erfolg auch die Gesundheit seines Schützlings aufs Spiel setzt, war in ihrer
satirischen Überzeichnung nicht neu – entscheidender ist der Blick auf ein
Umfeld, das vor Passivität strotzt. Ein Publikum, das sich kritiklos bespaßen
lässt, und eine Sängerin, die mit unzähligen Puppen im Ehebett wie ein kleines
Mädchen wirkt. Ohne Ambition, sich gegen ihren Mann zu wehren. Innerhalb dieser
Konstellation vermittelt der von Tognazzi mit Verve gespielte Egozentriker
trotz seiner vulgären Aufdringlichkeit zumindest den Eindruck von Lebendigkeit.
Diese Gegenüberstellung – hier der ins Negative überzeichnete Protagonist, dort
eine Gesellschaft ohne jeden eigenen Willen, die letztlich den schlechteren
Eindruck hinterlässt – gab die Linie des Episodenfilms vor.
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Gian Belmonte (Alberto Sordi) müht sich um den Verletzten |
In der zentralen und längsten Episode „First Aid - Pronto
soccorso“ spielte Alberto Sordi einen abgehobenen Aristokraten, der mit seinem
Rolls Royce durch die verlassenen nächtlichen Straßen Roms fährt. Am
Mussolini-Ehrenmal – das nicht zufällig eine wichtige Nebenrolle einnahm –
trifft er auf einen schwer verletzten Mann. Er wurde Opfer eines Unfalls und
braucht dringend ärztliche Hilfe. Der reiche Adelige, der nur anhielt, um ihn
nach dem Weg zu fragen, zeigt wenig Anteilnahme an dessen Schicksal – nicht aus
Ablehnung, sondern aus völligem Unverständnis für dessen Situation. Während er den
vor Schmerzen stöhnenden Mann zu einem Krankenhaus transportiert, parliert er
angeregt über gesellschaftliche Ereignisse oder seine Vorliebe für sein zwar
altes, aber mächtiges Auto. Empathie oder ernsthafte Sorge strahlt er nicht
aus, aber im Gegensatz zu den Krankenhausmitarbeitern, den Ordens-Schwestern
und den Offizieren des Militär-Hospitals versucht er zu helfen. Dass er den
inzwischen Verstorbenen nach mehreren vergeblichen Versuchen, ihn ärztlich
versorgen zu lassen, am Mussolini-Ehrenmal wieder ablegt, kann seine Laune
nicht verderben – Schuld an dessen Tod hat er nicht.
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Der Sohn (Alberto Sordi) redet die Verhältnisse schön |
Ähnlich kritisch gegenüber der staatlichen Versorgung, aber
auch signifikant für die Zerstörung gewachsener sozialer Strukturen, zeigt sich
die elfte Episode „Come una regina“ (Wie eine Königin), erneut mit Alberto
Sordi in einer wenig sympathischen Rolle. Sein nach langer Zeit erster Ausflug
mit seiner „Mamma“ aufs Land, erweist sich als Abschiebung in ein Altersheim. Nach
außen die bürgerliche Form wahrend kaschiert er seine Verlogenheit, aber
zunehmend bröckelt seine Fassade angesichts der Zustände in dem Heim. Doch er
ist zu feige, um sich gegen seine Ehefrau durchzusetzen und lässt seine Mutter
zurück. Die quietschenden Reifen, mit denen er den Ort des Grauens verlässt,
zeigen seinen Widerwillen. Am Resultat ändert das nichts, aber im Gegensatz zu den
anderen Beteiligten ließ er erahnen, dass er ein Herz hat.
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Der Kardinal (Vittorio Gassman) vertreibt sich die Zeit |
Charakterlich gegensätzlich, aber in der Kontrastwirkung
vergleichbar, legte Vittorio Gassman in der dritten Episode „Tantum ergo“ den
arrogant selbstherrlichen Kardinal an, der mit seiner Luxus-Limousine in einem
heruntergekommenen römischen Vorort eine Panne hat. Während sein Chauffeur
versucht, den Wagen wieder flott zu machen (grandios wie Gassman diesen
herablassend an die Arbeit schickt), begibt sich der Kardinal mit seinem Sekretär
in eine nahe gelegene Kirche, in der der örtliche Pfarrer eine Versammlung für
empörte Bürger abhält. Er will ihre Kritik an den miserablen Wohnzuständen für
einen Protest im Rathaus bündeln. Zuerst scheinbar bescheiden im Hintergrund
bleibend, gewinnt der Kardinal angesichts der allgemeinen Uneinigkeit schnell
die Hoheit über die Situation, ohrfeigt sogar einen aufgebrachten Mann, um ihn
danach zu fragen, ob ihn die Gewalt von seiner Meinung abgebracht hätte.
Während der Pfarrer frustriert aus der Kirche verschwindet, hält der Kardinal
eine flammende Predigt, die in einem gemeinsam gesungenen Kirchenlied mündet.
Selbst der Geohrfeigte hat Tränen in den Augen. Für den Kirchenführer kein
Grund länger als nötig zu verweilen – noch während des Liedes bricht er auf,
nachdem er von der gelungenen Reparatur des Autos erfuhr.
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"Cittadino esemplare" |
Im Unterschied zu den von Alberto Sordi verkörperten
Figuren, wurden dem Kardinal keine sympathisierenden Schwächen zugestanden. Im
Gegenteil spielte ihn Gassman als kühl kalkulierenden, die religiösen
Machtinstrumente geschickt anwendenden, abgehobenen Potentaten – nicht nur eine
gnadenlose Kritik an der Kirche, auch signifikant für die weiteren Rollen
Gassmans in meist kürzeren Episoden. In Teil 5 „Sequestro di persona cara“ (Entführung
einer geliebten Person) heuchelt er vor einer TV-Kamera, den Entführern alles
für die Befreiung seiner Frau zuzugestehen, hat vorsichtshalber aber schon die
Telefonleitung durchgeschnitten. In Teil 8 „Cittadino esemplare“
(Beispielhafter Bürger) sieht er als Beamter bei einem Überfall auf einen Mann
nur zu, klettert über dessen leblosen Körper, um in seiner Wohnung genüsslich
mit Frau und Sohn vor dem Fernseher Spaghetti zu verspeisen. Und in Teil 10 „Il
sospetto“ (Der Verdacht) hält er als Commissario einer Gruppe verhafteter
Studenten eine Standpauke, unterbricht diese nach einem heimlichen Furz eines
der jungen Männer und schmeißt sie raus. Nur einer wird noch in sein Büro
zitiert. Ein Brigadier, der sich auf seinen Befehl als Spion unter die Studenten
mischen sollte, um von deren Aktionen zu erfahren. Doch der Commissario ist nur
daran interessiert, wer den Furz hat fahren lassen.
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Der Commissario (Vittorio Gassman) |
Diese von Scola verantwortete 10. Episode wurde aus allen
Fassungen herausgeschnitten – der Anlass dafür ist nur schwer ersichtlich.
Gassman agierte als Commissario gemäßigt. Die gesamte Situation im Kommissariat
wirkt entspannt, ohne die extremen Zuspitzungen anderer Episoden. Vielleicht der
Grund für die Zensur, denn mehr konnte die Bedeutung der damaligen Proteste
nicht abqualifiziert werden. Ein gelangweilter Haufen sich selbst genügender
Polit-Aktivisten und eine Polizei, die nur noch nach außen hin den Anschein erweckte,
die Angelegenheit ernst zu nehmen. In der Hochphase der „bleiernen Jahre“
(„Anni piombi“), als das Land im Chaos zu versinken drohte, offensichtlich eine
Provokation – gleichzeitig das Abbild einer Protestbewegung, die ihren Zenit überschritten
hatte.
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Ornella Muti in "Autostop"... |
Wie in „I mostri“ lag das Gewicht des Films weniger auf den äußerlichen
Konsequenzen als den inneren Befindlichkeiten, die diese verursachen. Besonders
böse spielten die Macher mit der jungen Ornella Muti, deren Schönheit sie erst
ins Bild rückten, um sie dann töten zu lassen. Als Anhalterin trifft sie in
„Autostop“ auf ein männliches Klischee-Exemplar (Eros Pagni) – notgeil, eingebildet
und voller Komplexe. Um dessen hartnäckige Annäherungsversuche zu unterbinden,
täuscht sie vor, eine entflohene Mörderin zu sein, damit seine Vorurteile
gegenüber der „heutigen Jugend“ trefflich bedienend. Es gelingt ihr, ihn
einzuschüchtern, sie unterschätzt aber dessen Panik-Reaktion. Die vorletzte
Episode „Senza parole“ (Ohne Worte) wurde vollends zu einer Entlarvung des
schönen Scheins. Zu den populären Liebesliedern „Ti amo“ (Umberto Tozzi) und
„All by myself“ (Eric Carmen) inszenierte Dino Risi die Begegnung einer
Stewardess (Ornella Muti) und einem jungen Mann (Yorgo Voyagis) in einem
Schwimmbad in betörenden Bildern - mit wenig romantischem Ausgang.
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...und "Senza parole" |
Interessant sind in diesem Zusammenhang die Querverweise zur
Rede des Kardinals in der dritten Episode „Tantum ergo“. Als dieser die
Geschichte Jesus Christi mit idealisierten Worten schildert, wird ein Einwand
dagegen von einem Kirchenbesucher mit dem Argument abgewehrt, in Zefirellis
Fernsehfilm „Gesù di Nazareth“ (1977) hätte es genauso ausgesehen. Der schöne
Grieche Yorgo Voyagis spielte unter Zefirelli den Jesus Christus, in „Senza
parole“ sind seine Motive dagegen weniger selbstlos – sicherlich keine
zufällige Besetzung. Von diesen Anspielungen auf andere Filmemacher und deren
Werke, wie sie 1963 in Dino Risis „I mostri“ reichlich vorhanden waren, blieb
im Nachfolger wenig übrig. Einzig die 9. - in Italien zensierte - Episode
„Pornodiva“ spielt im Filmbusiness. Ein Ehepaar (Eros Pagni, Fiona Florence)
schmeißt seine Bedenken angesichts der für sie vorteilhaften Argumente des
Filmproduzenten schnell über Bord, ihre siebenjährige Tochter für einen Porno-Dreh
mit einem Affen zur Verfügung zu stellen. Die Widerwärtigkeit liegt weniger in
der Konklusion als im affektierten Getue der Eltern, die sich selbst wie
Filmstars verhalten.
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"Mammina und Mammone" im Cafè |
Auch die siebte Episode „Mammina und Mammone“ fiel in
Italien der Schere zum Opfer. Dabei kehrte Risi nicht nur die übliche Richtung
um – äußerlich abstoßend, innerlich schön – sondern zitierte auch Scolas
„Brutti, sporchi e cattivi“. Wie dessen Protagonisten leben die alte Frau und
ihr geistig behinderter Sohn (Ugo Tognazzi) in slumartigen Verhältnissen, haben
sich aber trotz ihrer großen Armut eine naive Freude am Leben bewahrt.
Gemeinsam trinken sie im Cafè aus einer Tasse, waschen sich im Teich der
Parkanlage und sammeln alles, das ihnen wertvoll erscheint – eine ständige
Provokation für ihre Umgebung, die ihr wenig freundlich gesinnt ist. Dass diese
Episode herausgeschnitten wurde, bestätigt ebenso die Intention des Films, wie die
Verharmlosung des deutschen Filmverleihs. Dessen Filmplakat, das „Die neuen
Monster“ in ein „Viva Italia“ umbenannte und Vittorio Gassman mit Spaghetti auf
dem Kopf zeigt, sollte den Film in die Nähe der damals populären, meist irren
und slapstickhaften italienischen Komödien rücken.
Der Streit zwischen Kellner (Vittorio Gassman) und Koch (Ugo
Tognazzi) in der Küche einer Osteria, in der sie sich mit sämtlichen
Lebensmitteln bewerfen und überschütten, tritt wie die abschließende
Friedhofsszene aus dem Gesamtkontext heraus. Zwar macht sich die 12. Episode
„Hosteria!“ über die angeblichen Kenner lustig, die selbst Zigarettenstummel als
Bestandteil der italienischen Küche verzeihen – nach dem Kampf wird das Essen, nur
leicht optisch auf Vordermann gebracht, ungerührt den Gästen serviert – aber
die Auseinandersetzung zwischen dem schwulen Gastronomen-Paar war vor allem ein
großer Spaß des Schauspieler-Duos Tognazzi und Gassman, die hier einmal richtig
die Sau rauslassen konnten, bevor sie mit einem Küsschen wieder Frieden schlossen.
Angesichts ihrer wiederholten Zusammenarbeit in den Tiefen der menschlichen
Existenz ein würdiger Kommentar – nicht zufällig unter der Regie Ettore Scolas
entstanden. An einen Wandel zum Besseren glaubten sie nicht mehr, aber ihre
Laune hatten sie wieder gefunden.
"I nuovi mostri" Italien 1977, Regie: Ettore Scola, Dino Risi, Mario Monicelli, Drehbuch: Ruggero Maccari, Agenore Incrocci, Furio Scarpelli, Bernadino Zapponi, Darsteller : Vittorio Gassman, Ugo Tognazzi, Alberto Sordi, Ornella Muti, Eros Pagni, Yorgo Voyagis, Laufzeit : 115 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Ettore Scola:
"Se permettete parliamo di donne" (1964)
"C'eravamo tanti amati" (1974)
"Brutti, sporchi e cattivi" (1976)
"La terrazza" (1980)
weitere im Blog besprochene Filme von Dino Risi: