Inhalt:
Walter Mancini (Franco Nero) befindet sich mit seiner Frau Eve (Corinne Cléry)
auf einer Reise durch den Süden der USA. Der italienische Journalist behandelt
seine Frau abschätzig, beleidigt sie und fordert mit Gewalt Sex ein. Auch sie
lässt kein gutes Haar an ihrem Mann, der bei der Zeitung ihres Vaters
angestellt ist, gibt seinem fordernden Sex aber nach. Auf einem Campingplatz reagiert
Walter betont unfreundlich auf andere Camper, besonders die singende
Hippie-Gruppe geht ihm auf die Nerven.
Als ihnen
am kommenden Tag ein Anhalter begegnet, der offensichtlich eine Autopanne
hatte, hält Eve gegen den Willen ihres Mannes an und nimmt ihn mit. Zuerst unterhält
sich Walter noch mit Adam Konitz (David Hess), aber als dieser sexistische
Bemerkungen gegenüber seiner Frau macht, schlägt er ihn und schmeißt ihn aus
dem Auto. Fast gelingt es ihm, ihn zu überwältigen, bis Konitz eine Waffe zieht
und kein Geheimnis mehr daraus macht, dass er einer der Schwerverbrecher ist,
die wegen eines Überfalls gesucht werden. Und er hat den Koffer mit der Beute
von zwei Millionen Dollar bei sich, mit dem er über die mexikanische Grenze
abhauen will. Dabei sollen ihm Walter und Eve helfen, aber Konitz hat noch
andere Interessen…
"Autostop
rosso sangue" (Wenn du krepierst - lebe ich) gilt im Werk des früh
verstorbenen Regisseurs Pasquale Festa Campanile bis heute als ungewöhnliche
Ausnahme, da er sich zuvor fast ausschließlich komödiantischen Filmen zugewandt
hatte. Doch diese Betrachtungsweise ist ähnlich oberflächlich wie die
Reduzierung von "Autostop rosso sangue" auf einen gewalttätigen
Psycho-Thriller, ohne dessen gesellschaftspolitische Relevanz zum Zeitpunkt
seiner Entstehung mit einzubeziehen.
"In
Italien gibt es täglich mindestens 300 Diebstähle, jede Woche eine Entführung,
jeden Monat politische Skandale und eine Regierungskrise pro Jahr"
Diese
Aussage stammt von Walter Mancini (Franco Nero), einem italienischen
Journalisten, der sich zusammen mit seiner Frau Eve (Corinne Cléry) auf einem
Trip mit dem Wohnwagen durch die USA befindet. Es ist seine Antwort auf die
Frage, warum er nicht über ein Verbrechen schreibt, von dem sie gerade im Radio
hören, und sagt nicht nur viel über dessen zynischen Charakter aus, sondern
über einen Film, dem es gelingt, eine Vielzahl der Ängste einer sich
verändernden Gesellschaft Mitte der 70er Jahre in eine klar strukturierte
Handlung zu integrieren - das Verhältnis Mann und Frau, offen gelebte
Sexualität, hohe Kriminalitätsraten, Jugendbanden und eine zunehmend
egoistischere Lebensweise. Dass Campanile die Handlung gemäß der Romanvorlage
in den USA spielen lässt, auch wenn der Film aus Kostengründen in Italien
gedreht wurde, ermöglichte ihm die Verdichtung dieser Themen innerhalb eines
Road-Movies, bediente damit aber auch die Vorurteile einer konservativen europäischen
Bürgerschicht, die dem us-amerikanischen Einfluss die Schuld an der sich
wandelnden Sozialisation gab.
Auch wenn
Campanile die Klänge eines Hippie-Chores in unpassenden Momenten als ironischen
Kommentar erklingen lässt und fast ausschließlich unsympathische Zeitgenossen
in seinem Film auftreten, gilt sein Hauptaugenmerk Walter Mancini als Vertreter
einer Bürgerschicht, der intellektuell geschult und optisch modern wirkend, nur
Verachtung für Hippies, freie Liebe, Homosexuelle und Frauen äußert, aber gleichzeitig
die Vorteile einer freieren Gesellschaft für sich nutzt. Die Beziehung zu
seiner schönen Ehefrau spiegelt nicht die übliche Abnutzung einer inzwischen
neunjährigen Ehe wider, sondern in ihrem gegenseitigen Hass die Unfähigkeit,
mit den neuen Geschlechterrollen zurecht zu kommen. Während Eve sprachlich
selbstbewusst auftritt und den Charakter ihres Mannes ätzend kommentiert, ist
sie in ihrem sexuellen Verhalten unterwürfig (womit Corinne Cléry ihr Rolle in
„O“ (Die Geschichte der O, 1975) zitiert). Lässt Walter kaum eine Gelegenheit
aus, machohaft und selbstgerecht aufzutreten, leidet sein Ego schwer darunter,
dass seine Frau als Tochter des Chefs für die materielle Grundlage sorgt,
während seine berufliche Position nebensächlich ist. In dieser zugespitzten, den
Wandel der Geschlechterrollen kommentierenden Konstellation befand sich Pasquale
Festa Campanile ganz in der Tradition seiner früheren Filme.
Fälschlicherweise
werden die erotischen Filme der späten 60er und 70er Jahre häufig nur als
seichte Unterhaltung angesehen, dabei negierend, dass sie sehr früh den
Zeitgeist wiedergaben und damit bewusst provozierten. Sicherlich spielten
geschäftliche Gesichtspunkte dabei eine wesentliche Rolle, die zu einer
Schwemme an Erotikkomödien im italienischen Kino der 70er Jahre führte, aber in Campaniles
schon in den 50er Jahren als Drehbuchautor begonnener Karriere lassen sich tiefere
Spuren feststellen. Nicht nur das er am Drehbuch zu Viscontis „Rocco e i suoi fratelli“ (Rocco und seine Brüder, 1960) und „Il gattopardo“ (Der Leopard,
1963) mitwirkte, gemeinsam mit Elio Petri an „L’assassino“ (Trauen sie Alfredo
einen Mord zu?, 1961) arbeitete und mit Nanny Loy am Drehbuch zu „Le quattro
giornate di Napoli“ (Die vier Tage von Neapel, 1962) schrieb, auch war er früh
an Filmen der „Commedia all’italiana“ beteiligt wie „Poveri ma belli“ (1957)
und „Belle ma povere“ (Puppe mit Pfiff, 1957) von Dino Risi. Die Nähe zu einer
satirischen Sichtweise blieb auch in frühen Regiearbeiten etwa zu „La matriarca“
(Huckepack, 1968) oder „Il merlo maschio“ (Das nackte Cello, 1971) sichtbar,
die als erotische Variante der „Commedia all’italiana“ zu verstehen sind und ihn zu einem entscheidenden Wegbereiter der "Commedia sexy all'Italiana" werden ließen. Auch
Co-Autor Ottavio Jemma verfügte über einen komplexen Hintergrund, hatte das
Drehbuch zu Montaldos „Sacco e Vanzetti“ (1971) geschrieben und gemeinsam mit
Salvatore Samperi Erotik-Dramen wie „Malizia“ (1973) und „Scandalo“
(Submission, 1976), in dem Franco Nero ebenfalls eine sexuell dominante
Position einnahm, entwickelt.
„Autostop
rosso sangue“ fügt diese verschiedenen Strömungen zusammen, ist gleichzeitig Erotikfilm
und Gesellschaftssatire, erinnert an den Italo-Western vor der Kulisse einer
staubigen, weiten Landschaft, begleitet von Ennio Morricones bluesartiger
Musik, erhält aber zusätzlich einen düsteren, pessimistischen Gestus durch die
Hinzuziehung von aus „Gialli“ oder „Polizieschi“ bekannten, damals im
italienischen Film häufig verwendeten Thriller-Elementen. Die Konfrontation mit
dem Psychopathen Adam Konitz (David Hess) lässt die noch mühsam aufrecht
gehaltene Fassade von Eve und Walter brüchig werden, denn obwohl Konitz rigoros
über Leichen geht, verfügt er über ein sehr gutes Einfühlungsvermögen
hinsichtlich der Charaktere der Eheleute, die er dazu zwingt, ihn zur
mexikanischen Grenze zu bringen. Walter, der ihn erwartungsgemäß unterschätzt,
wird nicht nur eines Besseren belehrt, sondern lässt sich umschmeicheln, bevor
er in seiner Männlichkeit erniedrigt wird, während es Konitz scheinbar gelingt,
Eve’s Hass auf ihren Mann für sich zu nutzen.
Auch wenn
der reißerische deutsche Titel „Wenn du krepierst - lebe ich“ inhaltlich den
Kern des Films trifft, betont er damit zu sehr dessen Exploitation-Charakter, der
nur den Rahmen bildet für die genaue Sezierung einer Gesellschaft, die jugendlichen
Herumtreibern rät, ihr Geld mit Arbeit zu verdienen, gleichzeitig aber keine
Skrupel bei der Jagd nach dem eigenen Vorteil kennt. Pasquale Festa Campanile
führt den Film zu einem logischen Ende, das nur Denjenigen überraschen wird,
der „Autostop rosso sangue“ unter reinen Thriller-Gesichtspunkten betrachtet –
und bewahrt damit die konsequente Sichtweise einer verrohenden Sozialisation.
"Autostop rosso sangue" Italien 1977, Regie: Pasquale Festa Campanile, Drehbuch: Pasquale Festa Campanile, Ottavio Jemma, Aldo Crudo, Peter Kane (Roman), Darsteller : Franco Nero, Corinne Cléry, David Hess, Joshua Sinclair, Carlo Puri, Laufzeit : 104 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Pasquale Festa Campanile:
"Adulterio all'italiana" (1966)
"La cintura di castità" (1967)
"La matriarca" (1969)
weitere im Blog besprochene Filme von Pasquale Festa Campanile:
"Adulterio all'italiana" (1966)
"La cintura di castità" (1967)
"La matriarca" (1969)
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