Der
Partei-Abgeordnete empfiehlt Peppone dagegen einzuschreiten, aber dieser weiß
aus den gemeinsamen Tagen im Widerstand, dass Don Camillo sich zu wehren weiß.
Doch plötzlich läuft die Menge auf die Kirche zu und Don Camillo greift schon
nach seinem Gewehr, bis er sieht, dass sie in eine Seitenstraße biegen zum Haus
Peppones. Dort gibt es einen weiteren Grund zu feiern, denn Peppones Frau hatte
gerade einen gesunden Jungen entbunden. Allerdings bringt das den Bürgermeister
in die Bredouille, denn er braucht jetzt Don Camillo, weil der Junge getauft
werden soll – auf den Namen Lenin…
"Don
Camillo", wie der Film unter Verzicht seines Gegenspielers Peppone in der
italienischen Originalfassung heißt, spielte, als er 1952 herauskam, wenige
Jahre zurückversetzt im Jahr 1946 in der norditalienischen Po-Ebene, basierend
auf den Geschichten des Journalisten Giovanni Guareschi, die er für seine
Satirezeitschrift „Candido“ geschrieben hatte, und die sein Verleger 1948 als
Sammlung herausgab. Der Handlungsort und die Lebenssituation der Bürger wurden
darin authentisch wieder gegeben, der italienische Hauptdarsteller Gino Cervi
hatte seit den 30er Jahren mehrere Hauptrollen unter Regisseur Alessandro
Blasetti gespielt - darunter auch in "4 passi fra le nuvole" (Lüge
einer Sommernacht, 1942) - der als ein Wegbereiter des Neorealismus gilt, und
"Don Camillo" - Regisseur Julien Duvivier war in Frankreich ein
maßgeblicher Vertreter des "poetischen Realismus". Trotzdem wird
"Don Camillo" nie in die Nähe eines realistischen Stils gerückt,
sondern erlangte seinen bis heute anhaltenden Bekanntheitsgrad als reine
Komödie, die zudem noch vier weitere Fortsetzungen erfuhr.
Die
Besetzung des Komikers Fernandel in der Titelrolle - seit den 30er Jahren ein
sehr populärer Schauspieler in Frankreich – scheint diese Einordnung zu
rechtfertigen, aber sie beruhte auf einem ausdrücklichen Wunsch des Autors
Guareschi, der sich ein Mitsprachrecht an der Verfilmung hatte einräumen
lassen. Tatsächlich nahm sich Fernandel bei der Verkörperung des Priesters als
Komiker zurück und spielte ihn als brachialen, engagierten Vertreter der
Kirche, dem frömmelndes Gehabe und sanfte Gesten fremd sind. Diese Umkehrung
eines typischen Priesterverhaltens scheint den Witz dieser Figur auszumachen,
aber dahinter verbarg sich ein klares politisches Statement, das Guareschi in
der gemeinsamen Vergangenheit der beiden Protagonisten Don Camillo und Peppone
manifestierte. Dass Beide zusammen im Widerstand gekämpft hatten, lässt der
Film fast nebenbei einfließen, aber damit begründet sich nicht nur deren tief
verwurzelter, letztlich jede Meinungsverschiedenheit überwindender,
Zusammenhalt, sondern auch ihr Charakter – agiert Gino Cervi als Kommunist
äußerlich noch typisch, ist er intern in der Lage, auf ideologische Sturheiten
zu verzichten, womit Guareschi die scheinbar größtmöglichen Gegensätze
vereinbarte.
Wäre die
Anlage des Films nur ein witziges Spiel mit einer unrealistischen
Ausgangssituation geworden, wäre „Don Camillo“ kaum über eine Fußnote der
Filmgeschichte hinausgekommen, aber Guareschi gelang mit seiner satirischen
Erzählung ein genaues Abbild der damaligen Situation in Italien. Besonders die
Figur des „Don Camillo“ ist ein überaus geschickter Drahtseilakt zwischen Kritik
an der sehr konservativen katholischen Kirche, die ihren Einfluss geltend
machte, um den Wahlsieg der kommunistischen Partei bei den ersten
demokratischen Wahlen 1948 zu verhindern, ohne deshalb den christlichen Glauben
in Frage zu stellen. Im Gegenteil - Gott reagiert mit großer Weisheit und Humor
auf Don Camillo, der jeden Trick versucht, um seine sehr menschlichen Emotionen
auszuleben. In diesen hintergründigen Dialogen zeichnet Guareschi das sehr
positive Bild eines verständigen Gottes, dass der damals gepredigten Strenge
der Kirche vehement widersprach. Ähnlich differenziert spielt Gino Cervi als
kommunistischer Bürgermeister „Peppone“, der den Zwiespalt der italienischen
Arbeiterbewegung zwischen Tradition und Revolution wunderbar personifiziert.
Aus
heutiger Sicht wirken die hier gezeigten Konflikte harmlos, aber kurz nach der
Zeit des Faschismus war der Aufbau eines Bürgerzentrums, für das sich Peppone
einsetzt – Don Camillo erstreitet als Kompromiss einen Kindergarten – oder der
Streik der Landarbeiter von großer Bedeutung. Und der Film macht kein Geheimnis
aus seiner wohlwollenden Haltung. Selbst die Liebesgeschichte zwischen Gina
(Vera Talchi) und Mariolino (Franco Interlenghi) - er Sohn eines armen Bauern,
sie Tochter eines reichen Großgrundbesitzers -
war ein Politikum, das am Ende mit vereinten Kräften von Gott, seinem
Priester, der alten der Monarchie nachtrauernden Lehrerin (Sylvie) und dem
kommunistischen Bürgermeister gelöst wird. Das war kein Happy-End, sondern ein
Statement, von dem der Film geschickt mit diversen Prügeleien,
Plakat-Schmierereien und einem wunderbar getürkten Fußballspiel ablenkt.
„Don
Camillo“ oder „Le petit monde de Don Camillo“ wie es beim französischen
Co-Produzenten treffend heißt, war keine Komödie im Stil der späteren „Commedia
all'italiana“, die ihre Kritik hinter beißendem Humor verbarg, sondern
schildert eine kleine heile Welt mit Menschen und einem Gott, die über ihren
Schatten springen können. Doch naiv, wie es dem Film häufig unterstellt wurde,
war er nicht. Guareschi verwandelte die widersprüchlichen Strömungen der
italienischen Nachkriegszeit mit Humor in ein idealisiertes Bild, dass im
Grunde mit einfachen menschlichen Mitteln zu erreichen gewesen wäre. Zu Beginn,
als Don Camillo seine kleine Stadt aus dem Off vorstellt, bezeichnet er die
Menschen als normal wie überall sonst auch, am Ende des Films, als sie ihn nach
seiner Versetzung sowohl volkstümlich, als auch kommunistisch verabschiedet
haben, sagt er das genaue Gegenteil – Niemand sonst hätte sich so verhalten. In
diesem Punkt macht sich der Film keine Illusionen.
"Don Camillo" Italien / Frankreich 1952, Regie: Julien Duvivier, Drehbuch: Julien Duvivier, René Barjavel, Giovanni Guareschi (Roman), Darsteller : Fernandel, Gino Cervi, Franco Interlenghi, Vera Talchi, Sylvie, Laufzeit : 103 Minuten