Inhalt: Episode 1: „La doccia“ (Die Dusche) Der Ingenieur Luigi (Gastone Moschin) kämpft
mit den Tücken des Alltags – wenig motivierte Arbeiter auf seiner Baustelle,
eine Ehefrau, die ihn auf sein Übergewicht aufmerksam macht, und deren jüngerer
Bruder Roberto (Lando Buzzanca), der abends wenn er von der Arbeit nach Hause
kommt, noch im Bett liegt. Einzig eine neue spiralförmige Dusche, die sein
Zulieferer im Angebot hat, kann seine Laune aufhellen. Als ihn Roberto mit
seiner Begeisterung für die Sängerin Marestella (Lena von Martens)
konfrontiert, beginnt Luigi zu fantasieren: Marestella, die Dusche und er…
Episode 2: "Il mondo è dei ricchi" (Die Welt
gehört den Reichen) Gastone (Enzo la
Torre) ist ein kleiner städtischer Beamter, den Niemand ernst nimmt. Sein Chef
unterdrückt ihn, seine Frau sitzt nur vor dem Fernseher und der reiche Maurizio
(Mino Guerrini) lästert über den ewigen Verlierer. Auch die schöne Nachbarin (Agatha
Flori), die für harte Kerle wie im Film schwärmt, würdigt ihn keines Blickes.
Als er in der Zeitung liest, dass der Toto-Gewinner aus seiner Stadt kommt,
sieht er auf seinen Schein und glaubt, gewonnen zu haben…
Episode 3: "La moglie svedese" (Die schwedische
Ehefrau) Die junge Schwedin Eva (Maria Perschy) freut sich sehr auf die Familie
ihres Mannes Renato (Renato Salvatori), die sie zum ersten Mal gemeinsam in Rom
besuchen. Renato, der in Schweden arbeitet, hat sich verändert, auch das
Verhalten seiner Ehefrau entspricht nicht den Vorstellungen seiner Eltern und
Geschwister, aber sie versuchen sich darauf einzustellen. Doch Eva lässt kaum
einen Fauxpas aus und stellt damit die Toleranz ihrer Schwiegereltern auf eine
harte Probe…
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Lando Buzzanca und Gastone Moschin |
Die enge, weit verzweigte Zusammenarbeit unter den Künstlern
gehört zu den außergewöhnlichen Merkmalen der italienischen Filmlandschaft bis
in die 80er Jahre. Besonders die Rollen hinter der Kamera - Regie, Drehbuch und
Kameramann - erfuhren innerhalb großer Gruppen wechselseitige Besetzungen und
verschiedene Kombinationen, deren gegenseitige Beeinflussungen über eine große
Anzahl an Filmen oft nur noch mühsam nachvollzogen werden können. Es erstaunt
wenig, dass kein Filmland mehr Episodenfilme, gedreht unter der Hoheit
verschiedener Regisseure, produziert hat als Italien - eine Inszenierungsform,
die beispielsweise in Deutschland nie über den Status der Exotik hinaus kam
(siehe den Essay "L'amore in città und die Folgen - der italienische Episodenfilm"). Neben der kreativen Vielfalt förderten die Episodenfilme junge
Regisseure und Autoren, die eine Chance erhielten, ihr Können an Hand von
Kurzfilmen zu beweisen, die unter einem gemeinsamen Oberbegriff zusammengefasst
wurden.
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Regisseur Mino Guerrini |
"Extraconiugale" (Seitensprünge), der Mitte der
60er Jahre herauskam, als der Episodenfilm in Folge von "Boccaccio '70" (1962) einen Boom erlebte, steht beispielhaft für die Initialzündung,
die von einem solchen Film ausgehen konnte - nicht nur als Karrieresprung,
sondern auch in stilistischer Hinsicht. Dank der von einer Vielzahl an
Künstlern getragenen Interpretationen ließen sich Tabu-Brüche riskieren,
weshalb sich fast alle Episodenfilme dieser Phase sexuellen Themen widmeten -
als Ausdruck des soziokulturellen Wandels und Kritik an den bestehenden
Verhältnissen. Dass die Macher für die Umsetzung die komödiantische Form
wählten, verdeutlicht das damalige Wagnis. Nur als Farce oder Satire konnte man
Männlein und Weiblein unter dem moralischen Deckmantel auf den Zahn fühlen -
entsprechend gelten die Episodenfilme heute mehrheitlich als Vertreter der
„Commedia all’italiana“.
Auch „Extraconiugale“ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme,
sondern näherte sich mit humorvoller Leichtigkeit dem außerehelichen
Geschlechtsverkehr, der im patriarchalisch geprägten Italien schnell zu einer
lebensgefährlichen Angelegenheit ausarten konnte. Einerseits entsprach es dem
männlichen Selbstbild, reihenweise Frauen beglücken zu wollen, andererseits
konnte es keine größere Beleidigung für einen Mann geben, als als „Cornuto“
(Betrogener) bezeichnet zu werden. Wie üblich nutzten die drei Regisseure die
episodische Form, um sich von unterschiedlichen Seiten ihrem Thema anzunähern –
Teil 1 „La doccia“ (Die Dusche) blieb im Bereich der Fantasie, Teil 2 "Il
mondo è dei ricchi" (Die Welt gehört den Reichen) konkretisierte den
Aufstand eines Verlierer-Typen und Teil 3 "La moglie svedese" (Die
schwedische Ehefrau) wählte den Blickwinkel eines scheinbar betrogenen Mannes.
Alle drei Teile aber eint, dass sie gezielt den Voyeurismus bedienten, indem
sie jeweils eine hübsche junge Darstellerin erotisch in den Mittelpunkt
stellten. Besonders der von Mino Guerrini inszenierte Mittelteil verfügt schon
über wesentliche Merkmale der späteren „Commedia sexy all’italiana“. Keine
überraschende Feststellung, angesichts einer Besetzung vor und hinter der
Kamera, die zu den Wegbereitern des erotischen Genres gehört.
Der Drehbuchautor Massimo Franciosa, der hier eine seiner
wenigen Regie-Arbeiten ablieferte, hatte zuvor jahrelang mit Pasquale Festa
Campanile („Il merlo maschio“ (Das nackte Cello, 1971)) zusammen gearbeitet und
steht für eine sanftere Auslegung der Erotik-Komödie als sein ehemaliger
Compagnon. Luigi (Gastone Moschin), der Protagonist der ersten Episode „La
doccia“ ist ein Bau-Ingenieur mittleren Alters. Verheiratet und durchaus
erfolgreich leidet er ein wenig unter der Ereignislosigkeit seines Lebens,
zudem konfrontiert mit Roberto (Lando Buzzanca), dem jüngeren Bruder seiner
Frau (Liana Orfei), der mit ihnen in der gemeinsamen Wohnung lebt. Wenig daran
interessiert arbeiten zu gehen, liegt Roberto bis abends im Bett und hört immer
denselben Schlager der Sängerin Marestella (Lena von Martens), für die er in
Liebe entflammt ist. Ein Einfluss, dem sich auch Luigi nicht entziehen kann.
Als er von einem Zulieferer den Prospekt einer spiralförmigen Dusche erhält,
geht mit ihm die Fantasie durch – gemeinsam sieht er sich in Tagträumen mit
Marestella nackt unter der Dusche.
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Lena von Martens |
Franciosa schrieb das Drehbuch zu seiner Episode gemeinsam
mit Franco Castellano und Giuseppe Moccia, die in den kommenden Jahrzehnten
nicht nur für manche Sex-Komödie („Il prode Anselmo e il suo scudiero“ (1972,
Decamerotico, Regie Bruno Corbucci) und Militärklamotte ("Il colonnello
Buttiglione diventa generale" (Herr Oberst haben eine Macke, 1974) Regie
Mino Guerrini) verantwortlich wurden, sondern als "Castellano und
Pipolo" in mehr als 20 Filmen zusammen Regie führten, die in den 80er
Jahren zu den wirtschaftlich erfolgreichsten der italienischen Filmgeschichte gehörten
(„Il bisbetico domato“ (Der gezähmte Widerspenstige, 1980, mit Adriano
Celentano und Ornella Muti). Auch die beiden männlichen Hauptdarsteller Gastone
Moschin und Lando Buzzanca wurden zu entscheidenden Protagonisten der kommenden
Erotikfilm-Welle. Bis sie Mitte der 70er Jahre von Chaos-Typen wie Alvaro
Vitali abgelöst wurden, gab Moschin oft den Durchschnittsbürger mittleren
Alters („Dove vai tutta nuda?“ (Warum läufst du immer nackt herum?, 1969),
Regie Pasquale Festa Campanile) und Lando Buzzanca verkörperte unzählige Male
eine Mischung aus Trottel und Lebemann („Warum habe ich bloß 2x ja gesagt“
(1969)).
Abgesehen von den dezenten Nacktaufnahmen mit der schönen
Finnin Lena von Martens im Mittelpunkt, hielt sich die erste Episode
hinsichtlich ihrer Provokation zurück. Die außerehelichen Aktionen finden nur
in der Fantasie statt, allerdings nicht ohne ein überraschend versöhnliches
Ende für den geplagten Ingenieur. Dagegen ist Mino Guerrinis zweite Episode von
einem anderen Kaliber wie schon der Titel „Die Welt gehört den Reichen“
andeutet. Guerrini schrieb nicht nur das Drehbuch, sondern ließ es sich auch
nicht nehmen, einen im Maserati herumrasenden Kapitalisten zu mimen, der sich
über Gastone (Enzo la Torre) lustig macht. Gastone ist ein kleiner Beamter in
Mantova, der von allen Seiten Häme und Verachtung erfährt. Seine vor dem Fernseher
hockende Ehefrau, sein Chef oder seine zwei Kollegen hacken nur auf ihm herum,
auch die schöne Nachbarin Ileana (Agatha Flori), die in einer Filmwelt lebt,
sich selbst als Sophia Loren sieht und von harten Kerlen träumt, nimmt ihn
nicht wahr.
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Agatha Flori |
Für eine Gesellschaftskritik sind Guerrinis Charakterisierungen
zu übertrieben, aber sie gaben ihm die Gelegenheit ordentlich auf den Putz zu
hauen. Als Gastone auf Grund einer Zeitungsmeldung glaubt, den Hauptgewinn im
Toto gewonnen zu haben, beginnt er den Spieß umzudrehen. Sein Chef bekommt
einen Tritt, der Maserati und der Fernseher werden zu Schrott verarbeitet (beim
Maserati wurde getrickst, denn das hätte das Budget gesprengt) und die
Nachbarin bekommt die Schläge, die sie von einem harten Kerl erwartet. Natürlich
mit dem gewünschten Ergebnis – seine Frau putzt ihm ergeben die Schuhe und die
Nachbarin legt einen heißen Striptease hin. Mit irgendeiner Realität hatte das
nichts zu tun, persiflierte aber schön die Macho-Klischees und sorgte auch für
die gewünschten erotischen Bilder – ein früher noch dezenter Blick in die
Sex-Komödien der 70er Jahre.
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Maria Perschy |
Giuliano Montaldo, 1964 noch ein Newcomer auf dem
Regie-Stuhl, schuf mit der dritten Episode eine Art Kommentar zu den
humoristischen Versionen seiner Partner, die außer Guerrini alle am Drehbuch
mitwirkten. Hinzu kam noch Luigi Magni, ebenfalls ein Protagonist des
erotischen Films der kommenden zehn Jahre, der als Autor mehrfach mit Pasquale
Festa Campanile zusammenarbeitete ("La cintura di castità" (Der
Keuchheitsgürtel, 1967)). In „La moglie svedese“ wirkt einzig die Figur der
schwedischen Ehefrau Eva (Maria Perschy)
überzeichnet. Gerade weil sie sehr sympathisch ist, ist ihr Verhalten zu
ignorant gegenüber der aus Süditalien stammenden Familie ihres Mannes Renato
(Renato Salvatori), die sie in ihrer Wohnung in Rom besuchen. Als ob Montaldo
und seine Kollegen bewusst die Konfrontation zwischen konservativer Realität
und der aufkommenden Modernisierung der Gesellschaft gesucht hätten, lassen sie
Eva jeden Fehler begehen, den sie begehen kann – gleichberechtigtes Verhalten
als Frau, fehlende Scham und lockerer Umgang mit anderen Männern.
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Renato (Salvatori) gerät unter Druck |
Renato, der als Gastarbeiter in Schweden lebt, wo er Eva
kennen und lieben lernte, bewahrt lange Haltung und versucht seiner Familie und
Freunden ihr Benehmen zu erklären, aber er kann sich auf Dauer der Archaik
nicht entziehen, die von ihm fordert, die Ehre der Familie zu bewahren. Die
vorherrschende Ernsthaftigkeit der dritten Episode, deren wenige Nacktaufnahmen
die Situation noch zuspitzen, steht beispielhaft für Montaldos weiteren Weg,
der als einziger Verantwortlicher des Films dem Komödien-Genre fernblieb. Nach
Thrillern wie "Ad ogni costo" (Top Job, 1967) und "Gli
intoccabili" (American Roulette“, 1969) wurde der passionierte
Dokumentarfilmer später für seine gesellschaftskritischen Filme bekannt („Sacco e Vanzetti“ (Sacco und Vanzetti“ (1971)). Trotz des leichten Erzähl-Gestus ließ
Montaldo an dem bösen Ende seiner Episode keinen Zweifel – ein Ende, das
letztlich den gesamten Film erdet und damit die Tragweite vermittelt, die das
Thema außerehelicher Sex damals noch beinhaltete.
"Extraconiugale" Italien 1964, Regie: Massimo Franciosa, Mino Guerrini, Giuliano Montaldo, Drehbuch: Massimo Franciosa, Mino Guerrini, Giuliano Montaldo, Franco Castellano, Luigi Magni, Giuseppe Moccia, Darsteller : Gastone Moschin, Lando Buzzanca, Renato Salvatori, Lena von Martens, Agata Flori, Maria Perschy, Enzo La Torre, Laufzeit : 96 Minuten
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