Inhalt: Carla
Pratesi (Hélène Chanel), schönes und erfolgreiches Call-Girl, verabschiedet
ihren reichen Kunden, weil sie noch einen wichtigen Abend-Termin hat - die
Geburtstagsfeier ihres Vaters (Nerio Bernardi), einem gesellschaftlich hoch
angesehenen Diplomaten. Doch ein Anruf der Maitresse (Dada Gallotti) stoppt
ihre Pläne, denn sie will, dass Carla noch einen wichtigen Klienten trifft. Sie
weigert sich zuerst, aber die Maitresse erpresst sie damit, ihrem Vater von
Carlas Job zu erzählen, weshalb sie diesem mit einer Lüge absagt.
Als sie
ihre Wohnung verlässt, ahnt sie nicht, dass sie beobachtet wird. Doch ein Mann
ist ihr gefolgt, denn als sie mit einem geplatzten Vorderrad in einer
verlassenen Gegend liegen bleibt, taucht er nur wenig später auf und bietet ihr
an, das Rad zu wechseln. Carla erschrickt bei dessen Anblick und läuft davon,
aber der Mann folgt ihr - am nächsten Morgen wird sie tot aufgefunden.
Commissario Ferretti (Alberto Lupo) sieht sich offensichtlich mit einem
gefährlichen Psychopathen konfrontiert...
"Le
notti della violenza" (wörtlich: Nächte der Gewalt) gehört zu den vielen Werken
der Filmengeschichte, die versuchten, sich an gerade populäre Strömungen im
Kino anzuhängen. Doch auch der reißerische Filmtitel "Der Killer der
sündigen Mädchen", mit dem sich der deutsche Verleih noch um zusätzliche
Aufmerksamkeit bemühte, konnte nicht verhindern, das der im Fahrwasser der
"Edgar-Wallace-Filme" schwimmende und Motive aus Mario Bavas
"Sei donne per l'assassino" (Blutige Seide, 1964) kopierende Film,
inzwischen in Vergessenheit geraten ist. "Zurecht" ließe sich
anmerken, aber "Le notti della violenza" ist in seiner Symbiose aus
moralischem Zeigefinger, voyeuristischer Effekthascherei, klassischem
Kriminalfilm und kritischer Rührseligkeit so absurd und inkonsequent, dass er -
neben seinem überraschenden Unterhaltungswert - als Paradebeispiel für die Unsicherheit
der Filmschaffenden, angesichts der gesellschaftspolitische Umbruchphase Mitte
der 60er Jahre, dienen kann.
Regisseur
und Drehbuchautor Roberto Mauri, der mit "La strage die vampiri"
(1962) zuvor schon im Gothic-Horror-Bereich tätig war, orientierte sich zu
Beginn des Films konkret an Bavas "Sei donne per l'assassino", indem
er ebenfalls eine Vielzahl junger schöner Frauen in den Mittelpunkt des Films
stellte, die mit Lisa Gastoni, Marilù Tolo, Hélène Chanel und Christina Gaioni
adäquat besetzt waren. Doch anders als Bavas als erster "Giallo"
geltender Film, arbeiten sie bei Mauri nicht als Models, sondern gehören einem
Call-Girl-Ring an, der von der Maitresse (Dada Galotti) geleitet wird. In
dieser Hinsicht bediente Mauri die bestehenden Vorurteile gegenüber sexuell
offensiv auftretenden Frauen konkreter, womit er die bis heute gültige Regel im
Horror-Film, nach der sexuell aktive oder sich promiskuitiv gebende Frauen zu
den ersten Opfern gehören, noch betonte. Wie schon der deutsche Titel vermuten
lässt, kommt es gleich zu Beginn zu einem Mord an einem Call-Girl. Als Carla
Pratesi (Hélèn Chanel) auf dem Weg zu ihrem nächsten Kunden wegen eines
geplatzten Reifen im nächtlichen Park anhalten muss, kommt ihr ein seltsamer
Mann mit einer Gesichtsmaske zu Hilfe, vor dem sie entsetzt flieht. Er folgt
ihr und am nächsten Morgen wird sie tot aufgefunden.
So
konsequent "Le notti della violenza" beginnt, so unschlüssig fährt er
fort. Dass Mauri die Gewalttat nicht zeigt, ließe sich verkraften, aber obwohl
der maskierte Täter schon in der folgenden Nacht wieder aktiv wird und eine
Kollegin (Cristina Gaioni) des Call-Girls überfällt, kommt es zu keinen weiteren
Morden, denn zufällig befindet sich immer Jemand in Hörweite, der rechtzeitig
zu Hilfe eilen kann. Auch die Auswahl der Opfer lässt die anfängliche Prämisse des
Unbekannten vermissen, es nur auf „sündige Mädchen“ abgesehen zu haben, denn
nach einer Party von Jugendlichen, schlägt dieser ausgerechnet eines der zwei
Mädchen nieder, die pünktlich, so wie sie es ihren Eltern versprochen hatten,
nach Hause gehen, obwohl ihre Freunde zuvor versuchten, sie davon abzuhalten. Auch
in diesem Fall kommt es zu keiner schwereren Straftat - stattdessen nimmt der
Film zunehmend einen pädagogischen Gestus an.
Die
Schwester der Ermordeten (Marilù Tolo) beharrt wider besseren Wissens darauf,
dass ihre Schwester keine Prostituierte gewesen sein kann, was sie mit dem
immer gleichen Mantra begründet: sie wäre schön, intelligent und aus einer wohlhabenden
Familie gewesen – weshalb hätte sie als Prostituierte arbeiten sollen? - Eine
Antwort auf diese Frage bleibt Mauris Film schuldig. Zwar zeigt er in der
ersten Szene Carla Pratesi noch bei ihrer Profession, aber schon ihren nächsten
Auftrag nimmt sie nur an, weil die Maitresse (Dada Gallotti) sie damit
erpresst, ihrem Vater zu verraten, womit sie ihr Geld verdient – als ob sie
sich nicht selbst in diese Situation gebracht hätte. Der Film kann sich nicht
entscheiden, ob seine Protagonistinnen nun „sündig“ sind oder nicht, und wirkt,
als ob er sich eher als Warnung davor versteht.
Ähnlich
inkonsequent wird der maskierte Täter charakterisiert. Zwar wird Commissario Ferretti
(Alberto Lupo) ausführlich auf der Jagd nach dem angeblichen Serienmörder gezeigt
– zeitweise wirkt der Film wie ein früher Poliziesco - aber weder kann er das
Versprechen „gewalttätiger Nächte“ („Le notti della violenza“) erfüllen, noch
stellt er einen echten Killer in den Mittelpunkt. Im Gegenteil nimmt das Ende
geradezu groteske Züge an, indem mit einer überraschenden Wendung versucht
wird, Mitleid und Verständnis für den Täter zu erzeugen, wofür sogar die über
Hiroshima abgeworfene Atombombe herhalten muss. Überzeugend gelingt dieser
Anflug von Tragik nicht, denn selbst wenn der Tod von Carla Pratesi ein Unglück
gewesen sein sollte, lässt sich damit nicht begründen, warum er an den
folgenden Abenden ihre Kollegin und die beiden Teenager überfallen hatte, auch
wenn es keine weiteren Toten gab.
"Le notti della violenza" Italien, USA 1965, Regie: Roberto Mauri, Drehbuch: Roberto Mauri, Edoardo Mulargia, Darsteller : Alberto Lupo, Marilù Tolo, Lisa Gastoni, Hélène Chanel, Christina Gaioni, Laufzeit : 78 Minuten
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