Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Mittwoch, 6. Februar 2013

Paura nella città dei morti viventi (Ein Zombie hing am Glockenseil) 1980 Lucio Fulci


Inhalt: In dem kleinen Ort Dunwich begibt sich ein Priester auf den örtlichen Friedhof, um sich aufzuhängen. Der Sage nach entfesselt er damit die Kräfte der Toten, die als gefräßige Zombies aus ihren Särgen auferstehen und die Menschheit bedrohen. Weit entfernt in New York sieht das Medium Mary (Catriona MacColl) die apokalyptische Bedrohung während einer Seance, was sie scheinbar das Leben kostet. Schon begraben, verdankt sie ihr Leben dem neugierigen Journalisten Peter Bell (Christopher George), der ihren Schrei aus dem Sarg hört. Gemeinsam fahren sie nach Dunwich, um das kommende Unheil noch zu verhindern.

Doch dort haben die unterirdischen Kräfte längst begonnen, die Bewohner des Ortes anzugreifen, ohne dass diesen schwant, was auf sie zukommt. Als die ersten Morde geschehen, steht die Polizei vor einem Rätsel, besonders als die Leichen wenig später verschwinden. Von Einigen wird der etwas einfältige Bob (Giovanni Lombardo Radice) verdächtigt, was diesen dazu zwingt sich zu verstecken…


Als Lucio Fulci 1980 "Paura nella città dei morti viventi" (wörtlich "Angst in der Stadt der lebenden Toten", wesentlich malerischer der deutsche Titel "Ein Zombie hing am Glockenseil") drehte, hatte er schon eine 20jährige Karriere als Regisseur und fast 30 Jahre als Drehbuchautor hinter sich, was angesichts seiner späten Horrorfilme, von denen er Unmengen in den 80er Jahren heraus brachte, häufig in Vergessenheit gerät. In den 50er und 60er Jahren schrieb und drehte er eine Vielzahl an Komödien, arbeitete mit Steno und Ettore Scola zusammen ("Un americano a Roma" (Ein Amerikaner in Rom, 1954)), oder unter Sergio Corbucci ("Totò, Peppino e... la dolce vita" (Totò, Peppino und das süße Leben, 1961)). Noch 1978 hatte er mit "Sella d'argento" (Silbersattel) den letzten seiner drei Western fertig gestellt, an denen mit Franco Nero, Tomas Milian und Giuliano Gemma jeweils drei der bekanntesten Darsteller des Genres beteiligt waren, bevor er ein Jahr später mit "Zombi 2" (Woodoo - die Schreckensinsel der Zombies) erstmals ins Splatterfach wechselte, unterstützt von größtenteils unbekannten Akteuren.

Ähnliche Parallelen sind in der Vita seines Co-Autors Dardano Sacchetti festzustellen. Dieser war an prägenden Filmen der 70er Jahre wie Dario Argentos erstem Film "Il gatto a nove code" (Die neunschwänzige Katze, 1971) beteiligt, schrieb gemeinsam mit Umberto Lenzi einige der bekanntesten Polizieschi wie "Roma a mano armata" (Die Viper, 1976) oder "Il trucido e lo sbirro" (Das Schlitzohr und der Bulle, 1976) und entwarf die Trilogie um "Mark il poliziotto" (1975) unter der Regie von Stelvio Massi, bevor er mit mehreren Drehbüchern pro Jahr im Horror-Sumpf der 80er Jahre versank. Selbst Umberto Lenzi erging es ähnlich, als er sich 1980 mit "Incubo sulla città contaminata" (Großangriff der Zombies) vermehrt in Richtung Horror orientierte - eine Entwicklung, die für das gesamte italienische Kino galt, dass größtenteils durch brachiale Komödien der Marke Bud Spencer / Terence Hill oder zunehmend hingeschluderte Horrorfilme auf sich aufmerksam machte, während Altmeister wie Michelangelo Antonioni, Federico Fellini oder Mario Monicelli nur noch wenige Spätwerke ablieferten.

Seit den späten 60er Jahren waren parallel zu den großen Filmproduktionen provokative, avantgardistische Filme entstanden, etwa von Tinto Brass ("L’urlo" (Die Eule, 1970)), Renato Polselli ("Rivelazioni di uno psichiatra sul mondo perverso del sesso", 1973) oder Alberto Cavallone ("Blue Movie", 1978), die auch die Grenzen zur Pornographie teilweise überschritten. Diese verstanden sich von vornherein als Nischenprodukte, während "Paura nella città dei morti viventi" auf die aufkommende Horror- und Slasherwelle im US-amerikanischen Kino reagierte, dass dem italienischen Film, der unter finanzieller Unterversorgung litt, längst den Rang abgelaufen hatte. Trotzdem muss Lucio Fulci bewusst gewesen sein, dass sein Film mit den für die damalige Zeit extrem expliziten Gewaltdarstellungen kaum auf ein Massenpublikum zugeschnitten war. Das dieser trotz der billigen Machart zu einem der bekanntesten italienischen Filme seiner Zeit wurde - unter dem deutschen Titel "Ein Zombie hing am Glockenseil" geradezu berühmt-berüchtigt - förderte weiter das Schmuddel-Image, das dem italienische Kino seit den 80er Jahren anhaftet (siehe auch "Das italienische Kino frisst sich selbst")

Das lässt verkennen, dass Lucio Fulcis zweiter Horror-Streifen noch stark vom klassischen Giallo beeinflusst ist und in ruhigem Tempo ein atmosphärisch dichtes Szenario entwickelt. Über die Logik einer Story nachzusinnen, die mit dem Selbstmord eines Priesters beginnt, der damit in dem kleinen Städtchen Dunwich eine Katastrophe herauf beschwört, ist müßig. Viel mehr ist es interessant, dass Fulci zwei parallele Erzählstränge entwickelt, die er erst spät zusammenführt. Im entfernten New York fällt das Medium Mary (Catriona MacColl) scheinbar tot um, als sie bei einer Seance von den Vorkommnissen in Dunwich erfährt. Erst von dem Journalisten Peter Bell (Christopher George) wird sie in einer beeindruckenden Szene aus ihrem Sarg befreit, um sich dann mit dem neugierigen Skeptiker auf den Weg nach Dunwich zu begeben.

Dort werden die lebenden Toten langsam aktiv, ohne dass der Bevölkerung klar ist, was passiert und ohne das es Fulci nötig hat, irgendwelche Zombies zu zeigen. Es ist die stärkste Phase des Films, in der weniger die Gewaltdarstellungen als ein behutsamer Aufbau der Spannung im Mittelpunkt steht. Zwar bleiben die Protagonisten um den Psychiater Gerry (Carlo De Mejo) und die Künstlerin Sandra (Janet Agren) charakterlich oberflächlich gestaltet, verhalten sich aber sympathisch und ohne dümmliche Dialoge (die Kritik bezieht sich auf die italienische Originalfassung). Besonders die Szenen in Sandras Haus oder um den kleinen Bruder (Luca Venantini) der ermordet aufgefundenen Emily (Antonella Interlenghi) verbreiten angenehmes Horror-Feeling, während die Nebenstory um den angeblich schwachsinnigen Bob (Giovanni Lombardo Radice), dem von Einigen in der Stadt die Schuld an den Morden gegeben wird, an eine plakative Tötungsszene verschenkt wurde.

Nicht nur in dieser Sequenz zeigen sich die Schwächen eines Drehbuchs, das mehrfach den Faden verliert. Trotzdem gelingt es Fulci und Sacchetti den Film zielgerichtet auf einen Showdown hinzuführen, der die Protagonisten in das Grab des Priesters zwingt. Nur dort kann es eine Erlösung von den Zombies geben, die die Bevölkerung systematisch zu dezimieren beginnen. Gerade das ruhige Tempo des Films und die langsamen Bewegungen der Beteiligten machen heute noch den Reiz eines Films aus, der nicht auf schnelle Schnitte und ständige Action setzt, sondern bis zum Schluss seinen gruseligen Gestus wahrt. Unterstützt wird dieser Eindruck noch von einer stimmig eingesetzten Musik, deren Ähnlichkeit zu John Carpenters Kreationen keinen Nachteil bedeutet.

Die Splatterszenen dagegen, auch wenn sie zum Bekanntheitsgrad des Films wesentlich beitrugen, wirken manchmal unnötig brutal, weniger um die Spannung zu fördern, als unbedingt schockieren zu wollen. Daran zeigte sich schon die spätere Entwicklung, in der sich das italienische Kino nicht mehr auf seine eigenen Stärken berief, mit denen es viele Jahre das Medium Film beeinflusste, sondern zunehmend auf Extreme setzte, sei es im Horror-Film oder in immer überdrehteren Komödien. "Paura nella città dei morti viventi" (Ein Zombie hing am Glockenseil) befand sich erst am Anfang dieser Phase und kann seine Schwächen noch mit einer überzeugend gestalteten Atmosphäre überspielen.

"Paura nella città dei morti viventi" Italien 1980, Regie: Lucio Fulci, Drehbuch: Lucio Fulci, Dardano Sacchetti,  Darsteller : Christopher George, Catriona MacColl, Carlo De Mejo, Antonella Interlenghi, Janet Agren, Laufzeit : 89 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Lucio Fulci:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.