Inhalt: Drei
bewaffnete Pistoleros in langen Mänteln begeben sich zu einem Bahnhof einer
staubigen Kleinstadt im Westen der USA. Nachdem sie die wenigen Anwesenden
vertrieben und den Vorsteher eingesperrt haben, warten sie auf den nächsten
Zug, der auch planmäßig eintrifft. Nur scheint die Person, auf die sie warten,
nicht auszusteigen, denn kurze Zeit später nimmt die Lokomotive wieder Fahrt
auf. Bis sie die Töne einer Mundharmonika hören, die ein Mann (Charles Bronson)
erklingen lässt, der auf der gegenüberliegenden Seite ausgestiegen war und
ihnen selbstbewusst zum Duell gegenüber tritt. Kurze Zeit später reitet er mit
einem ihrer Pferde davon, drei tote Männer zurücklassend.
Auf der
abseits der Stadt gelegenen Farm von Brett McBain (Frank Wolff) herrscht große
Aufregung. Bain treibt seine Kinder an, alles bestens für das Fest
vorzubereiten, das er heute feiern will, denn seine Braut Jill (Claudia
Cardinale), die er in New Orleans kennengelernt hatte, kommt in wenigen Minuten
mit dem Zug an. Doch bevor er sie mit seiner Kutsche abholen kann, werden er
und seine Kinder aus dem Hinterhalt erschossen. Nichts ahnend lässt sich Jill,
die erstaunt ist, nicht abgeholt zu werden, zur Farm bringen, wo sie nur noch Leichen
vorfindet. Doch die Killer, die es auf Bains Farm abgesehen hatten, ahnen
nicht, das Jill schon mit McBain verheiratet war und rechtmäßige Erbin der Farm
ist…
Sergio
Leone war und blieb eine Ausnahmeerscheinung im italienischen Kino. Nicht nur
wegen der großen und bis heute anhaltenden Popularität seiner wenigen Filme,
sondern auch wegen seines Einzelgängertums innerhalb der eng verflochtenen
Gemeinschaft der italienischen Filmschaffenden.
Dabei verlief der Beginn seiner Karriere parallel zu denen vieler Regisseure seiner Generation. Aufgewachsen während der Zeit des Mussolini-Faschismus, geprägt von einem Vater, der ebenfalls als Regisseur tätig war und wie viele seiner Zeitgenossen dem Kommunismus nahe stand, nahm er als Schauspieler und Regieassistent an "Ladri di biciclette" (Fahrraddiebe, 1948) von Vittorio De Sica teil, einem Schlüsselwerk des Neorealismus. Auffällig ist zudem, das er mit einigen später bekannt gewordenen Filmemachern zusammenarbeitete - etwa mit Sergio Corbucci und Duccio Tessari bei "Gli ultimi giorni di Pompei" (Die letzten Tage von Pompeji, 1959) - und einige Karrieren erst ermöglichte oder bestärkte, wie die des Schauspielers Gian Maria Volontè, der in seinen beiden ersten Western der Dollar-Trilogie als Bösewicht auftrat, des Regisseurs Dario Argento, der am Drehbuch von "C'era una volta il West" (Spiel mir das Lied vom Tod) beteiligt war, oder des Filmmusikers Ennio Morricone, dem er - zudem ein ehemaliger Klassenkamerad - treu blieb.
Dabei verlief der Beginn seiner Karriere parallel zu denen vieler Regisseure seiner Generation. Aufgewachsen während der Zeit des Mussolini-Faschismus, geprägt von einem Vater, der ebenfalls als Regisseur tätig war und wie viele seiner Zeitgenossen dem Kommunismus nahe stand, nahm er als Schauspieler und Regieassistent an "Ladri di biciclette" (Fahrraddiebe, 1948) von Vittorio De Sica teil, einem Schlüsselwerk des Neorealismus. Auffällig ist zudem, das er mit einigen später bekannt gewordenen Filmemachern zusammenarbeitete - etwa mit Sergio Corbucci und Duccio Tessari bei "Gli ultimi giorni di Pompei" (Die letzten Tage von Pompeji, 1959) - und einige Karrieren erst ermöglichte oder bestärkte, wie die des Schauspielers Gian Maria Volontè, der in seinen beiden ersten Western der Dollar-Trilogie als Bösewicht auftrat, des Regisseurs Dario Argento, der am Drehbuch von "C'era una volta il West" (Spiel mir das Lied vom Tod) beteiligt war, oder des Filmmusikers Ennio Morricone, dem er - zudem ein ehemaliger Klassenkamerad - treu blieb.
Doch das blieb bei Leone eine Ausnahme. Weder beteiligte er sich bei den
zahlreichen Episodenfilmen, die in den 60er Jahren entstanden, und die eine
Vielzahl von Regisseuren in unterschiedlichen Konstellationen vereinte, noch
arbeitete er am Drehbuch anderer Filmemacher mit, wie es für viele Regisseure
üblich war. Drehbuchautoren wie Cesare Zavattini, Tonino Guerra oder Suso
Cecchi D'Amico, die mehr als drei Jahrzehnte lang prägend waren für das italienische
Kino und mit fast allen wichtigen Regisseuren zusammen arbeiteten, blieben bei
ihm außen vor. Einzig die späte Zusammenarbeit mit Damiano Damiani an "Un
genio, due compari, un pollo" (Nobody ist der Größte, 1975) ist noch
bemerkenswert, doch während der Entstehungszeit von "C'era una volta il
West", als durch den Vietnamkrieg und große gesellschaftliche
Veränderungen - in der Folge davon Studentenunruhen, Massenstreiks und
Terrorismus - die Demokratie in Italien auf der Kippe stand, und die Solidarität
und enge Zusammenarbeit unter den italienischen Filmregisseuren ihren Höhepunkt
fand, hielt Leone sich fern. Das filmische Manifest zum Tode Giuseppe
"Gino" Pinellis ("Documenti su Giuseppe Pinelli", 1970)
wurde von 60 Regisseuren unterzeichnet - darunter Sergio Corbucci, Tessari,
Bertolucci, der ebenfalls am Drehbuch von "C'era una volta il West"
mitwirkte, und Damiani - nicht aber von Sergio Leone. Trotzdem ist "C'era
una volta il West" in seiner inhaltlichen Ausrichtung ohne die gesellschaftspolitischen
Veränderungen dieser Phase nicht vorstellbar.
Bekanntlich wollte Leone nach seiner „Dollar-Trilogie“, die er 1966 mit „Il
buono, il brutto, il cattivo“ (Zwei glorreiche Halunken) vervollständigte, ein
Gangster-Epos drehen, wurde aber von den amerikanischen Studios in Hollywood
davon überzeugt, nochmals einen Western auf die Leinwand zu bringen. Die Idee
eines Gangster-Epos verlor er nicht aus den Augen, denn schon 1972 begann er
seinen letzten Film „Once upon a time in America“ (Es war einmal in Amerika, 1984)
vorzubereiten, den dritten und abschließenden Teil seiner „Amerika-Trilogie“.
Dass er diese Trilogie schon vor Augen hatte, als er "C'era una volta il
West" entwarf, ist eher unwahrscheinlich, aber die Parallelen zwischen
diesen Werken, zu denen noch „Giù la Testa“ (Todesmelodie, 1971) gehört, sind
offensichtlich. Neben den äußerlichen Merkmalen – der Bildaufbau, die Wechsel
zwischen der Totalen und Nahaufnahmen in die Gesichter der Protagonisten oder
Morricones Musik - ist es vor allem die verschachtelte Erzählform, die mit
Rückblenden arbeitet, aus der sich erst langsam die Konsequenzen der Gegenwart
erklären.
Mit diesem Storyaufbau unterschied sich Leones Film erheblich vom typischen
Italowestern, der eine eher geradlinige Storyline bevorzugte. Das gilt auch für
die Charakterzeichnungen, die sich nur langsam dem Betrachter erschließen, wie
der gesamte Film die Form eines Mosaiks annimmt, das sein Antlitz erst kurz vor
der Vollendung preisgibt. Unabhängig von dieser inneren Entwicklung verzichtete
Leone sowohl auf eindeutige Charaktere, als auch auf einen klassischen Helden.
Der Mann mit der Mundharmonika (Charles Bronson) scheint als Gegenspieler von
Frank (Henry Fonda), der als verlängerter Arm des Eisenbahnchefs Morton
(Gabriele Ferzetti) über Leichen geht, am ehesten für die Rolle des
Sympathieträgers prädestiniert, aber solche Eindeutigkeiten strebte Leone in
seinem Film nicht an. Der Mann mit der Mundharmonika bleibt lange abwartend und
beobachtend, keineswegs gewillt seine offensichtlichen Fähigkeiten einzusetzen,
die er in der berühmten Szene zu Beginn beweist, als er von drei Männern am
Bahnhof erwartet wird. Auch verhält er sich für einen typischen Helden des
Italowestern zu spartanisch, den weltlichen Dingen des Lebens wenig zugeneigt
und nur auf sein Ziel fokussiert – eine Rolle, die ihrer Zeit voraus war, und
prägend wurde für den coolen, seine Emotionen unter Kontrolle haltenden
Profi.
Eher wäre Cheyenne (Jason Robards) ein geeigneter Kandidat für eine typische
Helden-Figur, denn unter seiner rauen Schale schlägt ein goldenes Herz, weshalb
er sich auch der schönen Jill McBain (Claudia Cardinale) annimmt, die plötzlich
als Witwe da steht – natürlich nicht ganz ohne eigennützige Motive. In seiner
Figur vereinen sich nicht nur Gerissenheit und Können, sondern er ist auch für
den Humor in Leones Film in einer selbstironischen Art zuständig, die auch
seine Umgebung treffend zu kommentieren weiß – nicht zuletzt gegenüber dem
jederzeit ernsten Mann mit der Mundharmonika. Das sich in seiner Rolle auch die
Tragik des alten Westeners verdeutlicht, der die Veränderungen durch die
Zivilisation zu spät für sich entdeckt, wurde als weiteres Indiz dafür
angesehen, das Sergio Leone mit seinem Film einen Abgesang auf den „Wilden
Westen“ beabsichtigt hätte – eine häufig geäußerte, bei näherer Betrachtung zu
oberflächliche These.
Tatsächlich widmet sich der Film weder den klassischen Mythen, noch der
unendlichen Weite des „Wilden Westens“, sondern beschränkt seine Handlung auf
einen kleinen Kreis von Protagonisten in einem überschaubaren Umfeld. Auch die
grandiosen Panorama-Bilder, begleitet von Morricones Emotionen schürender
Musik, können nicht darüber hinwegtäuschen, das nur wenige Meilen zwischen dem
Bahnhof, der kleinen Stadt und der Farm liegen, auf die sich die
Gleisbauarbeiten zubewegen. Leone entwickelt innerhalb dieser klar definierten
Umgebung fast kammerspielartig eine zugespitzte Situation, die stellvertretend
steht für die industrielle Entwicklung der USA unter der Prämisse des
Kapitalismus. Die Rückblende, die sich in der Erinnerung des Mannes mit der
Mundharmonika zusehends konkretisiert, erzählt nicht einfach die Geschichte
einer persönlichen Auseinandersetzung – nicht ohne Grund gibt sich der Mann mit
der Mundharmonika wechselnde Familiennamen - sondern steht für eine generelle
Vorgehensweise im Namen des Fortschritts.
Aus diesem Grund ist die Einordnung Franks als klassischer Bösewicht auch
falsch, denn er agiert weder als Revolverheld, noch Gangster-Boss, sondern im
Auftrag einer Eisenbahngesellschaft, deren Chef Morton als Ehrenmann gilt. Sein
Hang zum Sadismus und seine Gnadenlosigkeit auch gegenüber Frauen und Kindern,
ändert nichts daran, dass er Befehle ausführt, die im Rahmen der industriellen
Expansion gewünscht sind. Gesetzlich liegt gegen ihn nichts vor. In seiner
Person wird die Tragik eines Mannes ersichtlich, der sich selbst überschätzt.
Mit seinen stahlblauen Augen scheinbar selbstbewusst und kontrolliert
auftretend, begreift er nicht, dass er nur willfähriges Werkzeug für die Drecksarbeit
der Eisenbahngesellschaft war – sein Versuch, selbst das Heft des Handelns zu
übernehmen, als sein Boss Morton zunehmend von seiner Krankheit dahingerafft
wird, ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Frank fehlt das Entscheidende
für einen modernen (Gangster)Boss – bürgerliches Auftreten, Ansehen in der
Gesellschaft und die notwendige Bildung, ein großes Wirtschaftsunternehmen zu
leiten.
Häufig wird die Kürze des abschließenden Showdowns zwischen Frank und dem Mann
mit der Mundharmonika kritisiert. Dabei wird darin das entscheidende Statement
des Regisseurs ersichtlich - es ist nicht mehr von Bedeutung. Frank hatte schon
im Vorfeld verloren, als er Morton vernichtete, sein eigener Tod ist nur noch
nebensächlich. Einzig das Gefühl, den Protagonisten eines hemmungslosen
Fortschritts einen Moment lang Einhalt geboten zu haben, streift den
Betrachter, aber Leone selbst zerstört diesen Eindruck nur wenige Augenblicke
später. Die Mortons und Franks sind ersetzbar, während der Mann mit der
Mundharmonika am Horizont verschwindet. Die Eisenbahn dagegen lässt sich nicht
aufhalten und wenn Jill am Ende, bewusst ihre Reize einsetzend, zwischen den
Bahnarbeitern flaniert, dann zeigt sich - begleitet von Morricones melancholischer Musik - darin kein ausgelassenes fröhliches
Bild, sondern eine notwendige Anpassung an die Zukunft.
"C'era una volta il West" Italien, USA 1968, Regie: Sergio Leone, Drehbuch: Sergio Leone, Sergio Donati, Dario Argento, Bernardo Bertolucci, Darsteller : Charls Bronson, Henry Fonda, Jason Robards, Claudia Cardinale, Gabriele Ferzetti, Laufzeit : 175 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Leone:
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