Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Dienstag, 8. Oktober 2013

L'avvertimento (Die tödliche Warnung) 1980 Damiano Damiani

Inhalt: Commissario Baresi (Giuliano Gemma) entdeckt auf seinen Kontoauszügen eine große Summe, deren Herkunft er sich nicht erklären kann. Auf Nachfrage bei seiner Bank, ob es sich um einen Fehler handelt, wird ihm die ordnungsgemäße Überweisung auf sein Konto bestätigt. Als er wenig später in seinem Büro im römischen Polizeihauptquartier einen anonymen Anruf erhält, der eine Gegenleistung für diese Bezahlung einfordert, beschließt er spontan, seinen Dienst zu quittieren, um nicht erpressbar zu sein.

Doch ein schrecklicher Vorfall macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Sein Kollege Vincenzo Laganà (Franco Odoardi) wird gemeinsam mit dem Anwalt Milanesi (Giordano Falzoni) im Poizeigebäude von drei Männern ermordet, die sich als Polizisten verkleidet hatten. Laganà hatte gegen die Mafia ermittelt, aber seine Kontoauszüge lassen den Verdacht zu, dass er selbst in die Sache verwickelt war - eine Verdächtigung, gegen die sich seine Witwe Silvia (Laura Trotter) vehement wehrt. Baresi, der gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten Martorana (Martin Balsam) den Fall aufklären soll, vermutet, dass sie mehr weiß, als sie zugibt. Als sie erpresst wird, scheint sich eine erste Spur zu ergeben...


"L'avvartimento" (Die tödliche Warnung) bedeutete nicht nur einen Einschnitt im Schaffen des Regisseurs Damiano Damiani, ab diesem er nur noch selten für das Kino arbeitete und sich vermehrt dem Fernsehen zuwendete, sondern setzte auch einen Schlusspunkt im Polizieschi-Genre. Nachdem er mit "Amityville II: the possession" (Amityville 2: der Besessene) 1982 eine Auftragsarbeit in Hollywood abgeliefert hatte, setzte Damiani mit "La piovra" (Allein gegen die Mafia) 1984 neue Maßstäbe für eine Fernsehserie. In dieser griff er seine seit "Il giorno della civetta" (Der Tag der Eule, 1968) mehrfach wiederholte Thematik der Unterwanderung der italienischen Gesellschaft durch die Mafia erneut auf, die auch in "L'avvartimento" den Anlass für die Handlung lieferte, ohne selbst Gegenstand einer genaueren Betrachtung zu werden.

Im Mittelpunkt stehen die polizeilichen Ermittlungen, da die Story fast ausschließlich aus dem Blickwinkel von Commissario Antonio Baresi (Giuliano Gemma) erzählt wird, womit Damiano Damiani ein letztes Mal auf Stilmittel des Polizieschi-Genre zurückgriff, das seinen Zenit 1980 überschritten hatte. Ein Jahr zuvor hatte Giuliano Gemma in "Un uomo in ginocchio" (Ein Mann auf den Knien), seinem ersten Film unter der Regie Damianis, einen Dieb verkörpert, der in die Mühlen der Mafia gerät, in "L'avvartimento" trat er dann das Erbe Franco Nero an, der in Damianis frühen Polit-Thrillern meist für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen zuständig war. Der Bogen, den der Film damit über mehr als ein Jahrzehnt spannte, lässt sich auch den beteiligten Drehbuchautoren ablesen - Massimo De Rita und Arduino Mauri waren schon an Carlo Lizzanis "Banditi a Milano" (Die Banditen von Mailand, 1968) und Sergio Sollimas "Città violentà" (Brutale Stadt, 1970) beteiligt, die das Polizieschi-Genre früh beeinflusst hatten.

Schon in der Eingangssequenz charakterisiert Damiani seinen Protagonisten als einen Einzelkämpfer, der konsequent nur seinen eigenen Maßstäben folgt. Während die nächtliche Geliebte seine Wohnung in dem Wissen verlässt, dass ein Wiedersehen eher unwahrscheinlich ist, entdeckt Baresi auf seinem Kontoauszug einen hohen Geldbetrag, dessen Herkunft er sich nicht erklären kann. Nachdem ihm seine Bank die Korrektheit der Überweisung bestätigte und er wenig später im Polizei-Präsidium einen anonymen Anruf erhält, der Gegenleistungen dafür erwartet, formuliert er sofort seinen Austritt aus dem Polizeidienst, um nicht erpressbar zu sein. Nur ein brutales Attentat auf seinen Vorgesetzten Lagana (Franco Odoardi), der mitten im Polizeigebäude von drei als Polizisten verkleideten Attentätern ermordet wird, ändert seine Pläne - gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten Martorana (Martin Balsam) soll er nicht nur die Mörder finden, sondern das Geflecht aus Korruption, in dem scheinbar auch Lagana verstrickt war, entwirren.

Anders als in Damianis zuvor gedrehten "Io ho paura" (Ich habe Angst, 1977), in dem Gian Maria Volonté einen demoralisierten Polizisten mimte, der erst seine Ängste überwinden musste, wirkt Giuliano Gemma in seiner Rolle als Commissario keinen Moment verunsichert und tritt ähnlich energisch gegen einen übermächtig wirkenden Gegner an, wie ihn Franco Nero in "Confessione di un commissariodi polizia al procuratore della repubblica" (Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauerte, 1971) als Staatsanwalt verkörperte. Dieser Rückgriff auf Damianis Frühphase des politisch motivierten Polizieschi, wird noch durch die Besetzung Martin Balsams betont, der hier seine damalige Rolle an der Seite Neros variierte und erneut in den Verdacht gerät, selbst korrupt zu sein. Damit zitierte sich Damiani nur vordergründig selbst, denn inhaltlich vertauschte er die Rollen. Nicht der sich auch illegaler Methoden bedienende Commissario steht in "L'avvartimento" im Verdacht, mit den Verbrechern gemeinsame Sache zu machen - wie noch in Damianis 1971 gedrehten Film - sondern der betont konservativ auftretende, bürgerliche Polizeipräsident.

"L'avvartimento" wirkt in dieser sich verändernden Charakterisierung wie ein Kommentar auf das vergangene Jahrzehnt des Polizieschi. So pessimistisch Damianis frühere Polizeifilme auch waren, so behielten sie immer eine integere Figur im Zentrum, selbst wenn diese menschliche Schwächen aufwies. Der von Gemma verkörperte Commissario zeigt dagegen auch Charakterzüge des von Maurizio Merli ("Roma a mano armata" (Die Viper, 1976)) gespielten zwar unbestechlichen, aber rücksichtslos vorgehenden Polizistentypus, etwa wenn Baresi die attraktive Witwe Silvia Lagana (Laura Trotter) trotz ihrer offensichtlichen psychischen Anfälligkeit unter Druck setzt, weil er glaubt, dass sie mehr weiß, als sie zugibt, oder er ein Attentat auf den Polizeipräsidenten vortäuscht, um diesen zu verunsichern. Dank Gemmas ruhigem Spiel, seinem Verzicht auf übertriebene Emotionen, für die in "L'avvartimento" sein Kollege Brizzi (Giancarlo Zanetti) zuständig ist, und seines intellektuellen Auftretens, blieb diese Figur trotzdem in Damianis Sinn unabhängig.

Wie gewohnt streute der Regisseur nur wenige, entsprechend beeindruckende Actionszenen ein - besonders der kaltblütige Mord im Polizeipräsidium ist sehr graphisch dargestellt - und legte das Schwergewicht auf den sprachlichen Diskurs. Nur langsam erschließen sich die Zusammenhänge zwischen politischen Interessen, den mafiösen Strukturen und einem korrupten Polizeiapparat, wodurch Damianis Film trotz der spannenden Thematik eher den Gestus eines realistischen Films annimmt - zusätzlich betont durch die unprätentiösen Bilder der grauen und dreckigen Großstadt Rom. Entsprechend mündet der Film in kein abschließendes Actionspektakel, sondern in eine lange Szene um die Hochzeit eines jungen Paares, zu der sich die einflussreiche Gesellschaft Roms versammelt hat. Fast provozierend ruhig gestaltet sich der Film in seiner Endphase, verzichtet zwar nicht auf dramatische Ereignisse, lässt diese aber nur parallel zur eigentlichen Haupthandlung stattfinden – dem Gespräch zwischen dem Commissario und dem Polizeipräsidenten, dass die abschließenden Konsequenzen auslöst.

Zusammengefasst wird deutlich, warum „L’avvartimento“ nur wenig Erfolg hatte. Auf der einen Seite die gröberen, plakativen Stilmittel eines Poliziesco nutzend – zu einem Drehzeitpunkt, als das Genre an Popularität verloren hatte – lag das Schwergewicht trotzdem auf den Zwischentöne, sind es die im Detail verborgenen Verhaltensweisen, die erst über Macht oder Ohnmacht entscheiden. Auch die von Gemma souverän gespielte Figur eines unbeirrbaren Commissario, sowie das unerwartete Ende täuschen nur vordergründig darüber hinweg, dass Damiano Damiani nichts von seinem pessimistischen Blick verloren hatte – „L’avvartimento“ wäre als sperrige Entdeckung dringend für eine angemessene Veröffentlichung zu empfehlen.

"L'avvartimento" Italien 1980, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Damiano Damiani, Nicola Badalucco, Massimo De Rita, Arduino MauriDarsteller : Giuliano Gemma, Martin Balsam, Laura Trotter, Giancarlo Zanetti, Franco Odoardi, Laufzeit : 103 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Damiano Damiani:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.