Inhalt: Commissario
Baresi (Giuliano Gemma) entdeckt auf seinen Kontoauszügen eine große Summe,
deren Herkunft er sich nicht erklären kann. Auf Nachfrage bei seiner Bank, ob
es sich um einen Fehler handelt, wird ihm die ordnungsgemäße Überweisung auf
sein Konto bestätigt. Als er wenig später in seinem Büro im römischen
Polizeihauptquartier einen anonymen Anruf erhält, der eine Gegenleistung für
diese Bezahlung einfordert, beschließt er spontan, seinen Dienst zu quittieren,
um nicht erpressbar zu sein.
Doch ein
schrecklicher Vorfall macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Sein Kollege
Vincenzo Laganà (Franco Odoardi) wird gemeinsam mit dem Anwalt Milanesi
(Giordano Falzoni) im Poizeigebäude von drei Männern ermordet, die sich als
Polizisten verkleidet hatten. Laganà hatte gegen die Mafia ermittelt, aber
seine Kontoauszüge lassen den Verdacht zu, dass er selbst in die Sache
verwickelt war - eine Verdächtigung, gegen die sich seine Witwe Silvia (Laura
Trotter) vehement wehrt. Baresi, der gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten
Martorana (Martin Balsam) den Fall aufklären soll, vermutet, dass sie mehr
weiß, als sie zugibt. Als sie erpresst wird, scheint sich eine erste Spur zu
ergeben...
"L'avvartimento"
(Die tödliche Warnung) bedeutete nicht nur einen Einschnitt im Schaffen des
Regisseurs Damiano Damiani, ab diesem er nur noch selten für das Kino
arbeitete und sich vermehrt dem Fernsehen zuwendete, sondern setzte auch einen
Schlusspunkt im Polizieschi-Genre. Nachdem er mit "Amityville II: the
possession" (Amityville 2: der Besessene) 1982 eine Auftragsarbeit in
Hollywood abgeliefert hatte, setzte Damiani mit "La piovra" (Allein
gegen die Mafia) 1984 neue Maßstäbe für eine Fernsehserie. In dieser griff er
seine seit "Il giorno della civetta" (Der Tag der Eule, 1968) mehrfach
wiederholte Thematik der Unterwanderung der italienischen Gesellschaft durch
die Mafia erneut auf, die auch in "L'avvartimento" den Anlass für die
Handlung lieferte, ohne selbst Gegenstand einer genaueren Betrachtung zu
werden.
Im
Mittelpunkt stehen die polizeilichen Ermittlungen, da die Story
fast ausschließlich aus dem Blickwinkel von Commissario Antonio Baresi
(Giuliano Gemma) erzählt wird, womit Damiano Damiani ein letztes Mal auf Stilmittel des Polizieschi-Genre zurückgriff, das seinen Zenit 1980 überschritten hatte. Ein Jahr zuvor hatte Giuliano Gemma in "Un uomo in
ginocchio" (Ein Mann auf den Knien), seinem ersten Film unter der Regie Damianis, einen Dieb
verkörpert, der in die Mühlen der Mafia gerät, in "L'avvartimento"
trat er dann das Erbe Franco Nero an, der in Damianis frühen Polit-Thrillern meist für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen zuständig war. Der Bogen, den der Film damit über mehr als ein Jahrzehnt spannte, lässt sich auch den beteiligten Drehbuchautoren ablesen - Massimo De Rita und Arduino Mauri waren schon an Carlo Lizzanis "Banditi a Milano" (Die Banditen von Mailand, 1968) und Sergio Sollimas "Città violentà" (Brutale Stadt, 1970) beteiligt, die das Polizieschi-Genre früh beeinflusst hatten.
Schon in
der Eingangssequenz charakterisiert Damiani seinen Protagonisten als einen
Einzelkämpfer, der konsequent nur seinen eigenen Maßstäben folgt. Während die
nächtliche Geliebte seine Wohnung in dem Wissen verlässt, dass ein Wiedersehen
eher unwahrscheinlich ist, entdeckt Baresi auf seinem Kontoauszug einen hohen
Geldbetrag, dessen Herkunft er sich nicht erklären kann. Nachdem ihm seine Bank
die Korrektheit der Überweisung bestätigte und er wenig später im Polizei-Präsidium
einen anonymen Anruf erhält, der Gegenleistungen dafür erwartet, formuliert er
sofort seinen Austritt aus dem Polizeidienst, um nicht erpressbar zu sein. Nur
ein brutales Attentat auf seinen Vorgesetzten Lagana (Franco Odoardi), der
mitten im Polizeigebäude von drei als Polizisten verkleideten Attentätern
ermordet wird, ändert seine Pläne - gemeinsam mit dem Polizeipräsidenten
Martorana (Martin Balsam) soll er nicht nur die Mörder finden, sondern das
Geflecht aus Korruption, in dem scheinbar auch Lagana verstrickt war,
entwirren.
Anders als
in Damianis zuvor gedrehten "Io ho paura" (Ich habe Angst, 1977), in
dem Gian Maria Volonté einen demoralisierten Polizisten mimte, der erst seine
Ängste überwinden musste, wirkt Giuliano Gemma in seiner Rolle als Commissario
keinen Moment verunsichert und tritt ähnlich energisch gegen einen übermächtig
wirkenden Gegner an, wie ihn Franco Nero in "Confessione di un commissariodi polizia al procuratore della repubblica" (Der Clan, der seine Feinde
lebendig einmauerte, 1971) als Staatsanwalt verkörperte. Dieser Rückgriff auf
Damianis Frühphase des politisch motivierten Polizieschi, wird noch durch die
Besetzung Martin Balsams betont, der hier seine damalige Rolle an der Seite
Neros variierte und erneut in den Verdacht gerät, selbst korrupt zu sein. Damit
zitierte sich Damiani nur vordergründig selbst, denn inhaltlich vertauschte er
die Rollen. Nicht der sich auch illegaler Methoden bedienende Commissario steht
in "L'avvartimento" im Verdacht, mit den Verbrechern gemeinsame Sache
zu machen - wie noch in Damianis 1971 gedrehten Film - sondern der betont
konservativ auftretende, bürgerliche Polizeipräsident.
"L'avvartimento"
wirkt in dieser sich verändernden Charakterisierung wie ein Kommentar auf das vergangene Jahrzehnt des Polizieschi. So pessimistisch Damianis frühere
Polizeifilme auch waren, so behielten sie immer eine integere Figur im Zentrum,
selbst wenn diese menschliche Schwächen aufwies. Der von Gemma verkörperte
Commissario zeigt dagegen auch Charakterzüge des von Maurizio Merli ("Roma a mano armata" (Die Viper, 1976)) gespielten zwar unbestechlichen, aber
rücksichtslos vorgehenden Polizistentypus, etwa wenn Baresi die attraktive
Witwe Silvia Lagana (Laura Trotter) trotz ihrer offensichtlichen psychischen
Anfälligkeit unter Druck setzt, weil er glaubt, dass sie mehr weiß, als sie
zugibt, oder er ein Attentat auf den Polizeipräsidenten vortäuscht, um diesen
zu verunsichern. Dank Gemmas ruhigem Spiel, seinem Verzicht auf übertriebene
Emotionen, für die in "L'avvartimento" sein Kollege Brizzi (Giancarlo
Zanetti) zuständig ist, und seines intellektuellen Auftretens, blieb diese
Figur trotzdem in Damianis Sinn unabhängig.
Wie gewohnt
streute der Regisseur nur wenige, entsprechend beeindruckende Actionszenen ein
- besonders der kaltblütige Mord im Polizeipräsidium ist sehr graphisch
dargestellt - und legte das Schwergewicht auf den sprachlichen Diskurs. Nur
langsam erschließen sich die Zusammenhänge zwischen politischen Interessen, den
mafiösen Strukturen und einem korrupten Polizeiapparat, wodurch Damianis Film trotz
der spannenden Thematik eher den Gestus eines realistischen Films annimmt -
zusätzlich betont durch die unprätentiösen Bilder der grauen und dreckigen
Großstadt Rom. Entsprechend mündet der Film in kein abschließendes
Actionspektakel, sondern in eine lange Szene um die Hochzeit eines jungen
Paares, zu der sich die einflussreiche Gesellschaft Roms versammelt hat. Fast
provozierend ruhig gestaltet sich der Film in seiner Endphase, verzichtet zwar
nicht auf dramatische Ereignisse, lässt diese aber nur parallel zur eigentlichen Haupthandlung stattfinden – dem Gespräch zwischen dem Commissario und
dem Polizeipräsidenten, dass die abschließenden Konsequenzen auslöst.
Zusammengefasst
wird deutlich, warum „L’avvartimento“ nur wenig Erfolg hatte. Auf der einen Seite die gröberen, plakativen Stilmittel eines Poliziesco nutzend – zu einem Drehzeitpunkt, als das Genre an Popularität verloren hatte – lag das Schwergewicht trotzdem auf den Zwischentöne, sind es die im
Detail verborgenen Verhaltensweisen, die erst über Macht oder Ohnmacht entscheiden.
Auch die von Gemma souverän gespielte Figur eines unbeirrbaren Commissario,
sowie das unerwartete Ende täuschen nur vordergründig darüber hinweg, dass
Damiano Damiani nichts von seinem pessimistischen Blick verloren hatte –
„L’avvartimento“ wäre als sperrige Entdeckung dringend für eine angemessene
Veröffentlichung zu empfehlen.
"L'avvartimento" Italien 1980, Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Damiano Damiani, Nicola Badalucco, Massimo De Rita, Arduino Mauri, Darsteller : Giuliano Gemma, Martin Balsam, Laura Trotter, Giancarlo Zanetti, Franco Odoardi, Laufzeit : 103 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Damiano Damiani:
"Il rossetto" (1960)
"Il sicario" (1961)
"L'isola di Arturo" (1962)
"Quien sabe" (1967)
"Il giorno della civetta" (1968)
"La moglie più bella" (1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (1971)
"L'istruttoria è chiusa: dimentichi" (1971)
"Perché si uccide un magistrato" (1974)
"Io ho paura" (1977)
"Il sicario" (1961)
"L'isola di Arturo" (1962)
"Quien sabe" (1967)
"Il giorno della civetta" (1968)
"La moglie più bella" (1970)
"Confessione di un commissario di polizia al procuratore della republicca" (1971)
"L'istruttoria è chiusa: dimentichi" (1971)
"Perché si uccide un magistrato" (1974)
"Io ho paura" (1977)
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