Inhalt: Scheinbar
kommt es zu einer friedlichen Co-Existenz zwischen der mexikanischen
Bevölkerung und den US-Siedlern, aber der ehemalige Offizier Ferguson (Mark
Damon) täuschte die Einigung nur vor, um die Mexikaner skrupellos zu ermorden.
Nur ein etwa 10jähriger Junge überlebt trotz eines Streifschusses am Kopf. Er
wird zufällig von einem Wanderprediger entdeckt, der mit einer Haushälterin und
deren Tochter Princy (Barbara Frey) vorbei kommt, ihn mitnimmt und aufzieht.
Zehn Jahre
später hat der inzwischen zu einem jungen Mann (Lou Castel) herangewachsene
Ziehsohn immer noch keine Erinnerungen an seine Vergangenheit, kann aber geschickt
mit einem Messer umgehen. Zum Unwillen seines Adoptivvaters. Als seine Pflegeschwester
bei einem Zwischenhalt in einer Stadt den Verlockungen erliegt und einfach
verschwindet, beschließt er, sie zu suchen. Zufällig
gerät er bei einem Überfall an eine Waffe und erschießt zu seiner eigenen Überraschung alle Banditen.
Dank dieser plötzlich entdeckten Begabung, gelingt es ihm unversehrt an
den Ort zu gelangen, wo Princy inzwischen als Prostituierte arbeitet, wozu sie
mit Drogen gefügig gemacht wird. Naiv will er sie dort wieder herausholen, gerät aber an einen überlegenen Gegner, ohne zu ahnen, dass er wieder an den Ort
seiner Vergangenheit zurückgekehrt ist…
Carlo
Lizzani, dessen Karriere als Regisseur noch während der Phase des Neoraelismus
mit "Achtung Banditi!" (1951) begann - zuvor hatte er an den Drehbüchern zu
"Caccia tragica" (Tragische Jagd, 1947) und "Riso amaro"
(Bitterer Reis, 1949) unter Giuseppe De Santis mitgewirkt - und der zu den
sechs Regisseuren neben Michelangelo Antonioni, Federico Fellini, Alberto
Lattuada, Dino Risi und Francesco Maselli gehörte, die mit "L'amore in città" (1953) die lang anhaltende Tradition des italienischen
Episodenfilms begründeten, widmete sich auch dem Italo-Western, als sich das
Genre 1966 - 1968 auf seinem Höhepunkt befand. "Requiescant" (Mögen
sie in Frieden ruhen) wurde nach "Un fiume di dollari" (Eine Flut von
Dollars, 1966) sein zweiter und letzter Western, bevor er 1968 "Banditi a Milano" drehte, der das Polizieschi-Genre der 70er Jahre vorweg nahm.
Bis zu
seinem Suizid am 05.10.2013, der an den Freitod seines ebenfalls hoch betagten
Kollegen Mario Monicelli erinnert, den dieser am 29.11.2010 beging, ließ
Lizzani kaum ein Genre aus - dabei immer bestrebt, sein Publikum zu
unterhalten, ohne seinen eigenen Anspruch und seine politisch links gerichteten
und gesellschaftskritischen Überzeugungen zu verraten. Die Besetzung von "Requiescant"
entsprach dieser Haltung, denn mit Lou Castel besetzte er einen Akteur in der
Hauptrolle, der unter Marco Bellocchio als ein an der bürgerlichen Gesellschaft
erkrankter Mörder in "I pugni in tasca" (Mit der Faust in der Tasche,
1965) reüssierte, bevor er in Damiano Damianis "Quien sabe?" (Töte,
Amigo!, 1966) neben Gian Maria Volonté als skrupelloser Nutznießer der
mexikanischen Revolution auftrat. "Requiescant" spielt zeitlich in
der Vorphase des mexikanischen Aufstands gegen die US-amerikanische Besatzung und
versteht sich als vorrevolutionärer Western, worin sich deutliche Parallelen zu
den aktuellen politischen Ereignissen 1967 zeigen, als der Widerstand gegen das
Engagement der USA in Vietnam wuchs.
Besonders
die Mitwirkung von Pier Paolo Pasolini, der auch am Drehbuch beteiligt war,
lässt keinen Zweifel an der politischen Dimension des Films. Nur unter Carlo
Lizzani spielte Pasolini zweimal eine größere Rolle (zuvor noch in "Il
gobbo" (Der Bucklige von Rom, 1960)) in einem nicht von ihm selbst
gedrehten Kinofilm. Als Pater Juan konnte Pasolini seine Überzeugungen hier
wenig verklausuliert wiedergeben - er verabscheut Gewalt, aber als Realist weiß
er, dass ein starker Anführer wie "Requiescant" (Lou Castel)
notwendig ist, um die Unterdrücker zu besiegen. Zwar ist dieser dank seiner
Schießkünste in der Lage, die Feinde zu dezimieren, aber Pasolini gab den
intellektuellen Gegenpol zu dem ehemaligen Offizier Ferguson (Mark Damon), der
die ortsansässige mexikanische Bevölkerung zehn Jahre zuvor in einen Hinterhalt
gelockt hatte, um sie zu töten und ihr Land an sich zu reißen.
Mark Damon,
der normalerweise auf die Heldenrollen festgelegt war ("Johnny Yuma", 1966),
brilliert hier als regionaler Usurpator, dessen rassistische,
menschenverachtende und misogyne Haltung keine äußerliche Attitüde ist, sondern
eine tief empfundene Emotion, die er auch angesichts seines möglichen Todes
nicht aufgibt. Trotzdem ist der blass geschminkte, sein Altern nicht
akzeptierende, gebildete Mann kein typischer Sadist, wie er in vielen Western
auftrat, sondern ein aus seiner inneren Überzeugung handelnder Mensch, dessen
abschließender Monolog nicht zufällig an die Argumente erinnert, die jedesmal
von einer Besatzungsmacht hervorgebracht wurden, wenn sie gezwungen waren,
einen Staat in dessen Unabhängigkeit zu entlassen. Ferguson steht hier
symbolisch für die selbstgerechte Haltung westlicher Industriestaaten, die den Befreiten keine Selbstverwaltung zutrauen ind das Chaos voraussegen. Es überrascht nicht, dass in der stark gekürzten deutschen Kinoversion sowohl
Pasolinis, als auch Mark Damons Reden fehlten, was dem Film viel von seiner politischen Dimension und damit seiner inneren
Schlüssigkeit nahm.
Obwohl
"Requiescant" über überzeugende Charaktere verfügt und sich die
eigenständig gestaltete Story wenig vorhersehbar entwickelt, wird der Film kaum
einmal in einer Liste der besten Italo-Western genannt. Dabei lag Carlo Lizzani
sehr viel an einem spannend erzählten Western, weshalb er auch Adriano Bolzoni
für das Drehbuch hinzuzog, der seit seiner Mitarbeit bei "Per un pugno di Dollari" (Für eine Handvoll Dollar, 1964) fest im Genre verankert war. Mit
"L'uomo che viene da Canyon City" (Die Todesminen von Canyon City)
hatte er 1965 schon einen rauen, politisch weniger motivierten
Revolutionswestern entworfen. Entsprechend verfügt "Requiescant" über
alle signifikanten Elemente des Genres, beginnend beim überragenden
Revolverschützen, skrupellosen Banditen, schönen Frauen und stilsicher
inszenierten Duellen inmitten einer klassischen Story über einen Rächer, der es
mit einem weit überlegenen Gegner aufnimmt.
Doch die
Kombination aus Gesellschaftskritik und Unterhaltung irritierte viele
Betrachter, da Lizzani besonders die Figur des "Helden" gegen die
Erwartungen entwickelte. "Requiescant" ist zwar der gewohnt schnelle
Scharfschütze, wurde aber bei dem Massaker seines Dorfes am Kopf verletzt und
verdankt sein Leben einem zufällig vorbei kommenden erzreligiösen Prediger, der
den mexikanischen Jungen zu sich aufnahm und in seinem Geiste erzog. Coole
Sprüche und lässige Umgangsformen sind nicht von ihm zu erwarten, weshalb die
einfältig wirkende Figur nicht zur Identifikation einlädt. Eine hinsichtlich
der politischen Ausrichtung des Films konsequente Vorgehensweise, denn ein
klassischer Vigilant - wie gerecht seine Sache auch wäre - hätte einen zu
individuellen, zudem konservativen Charakter.
Wie schwer
sich gerade Anhänger des Western-Genre mit Lizzanis originellem Beitrag taten,
wird daran deutlich, dass hier innere Zusammenhänge in Frage gestellt wurden, die in
der Regel als gegeben akzeptiert werden. Lizzani nahm sich die
selben Freiheiten wie ein Sergio Leone oder Sergio Corbucci. Warum ein Clint
Eastwood oder "Django" überragend schießen können, wird nicht
hinterfragt, Requiescants plötzlich entdeckte Begabung dagegen als unlogisch
betrachtet. Auch das es den Protagonisten wieder an den Ort eines vor langer
Zeit begangenen Verbrechens zurücktreibt, gehört zu den klassischen Mythen
eines Genres, das von der Erfüllung schicksalshafter Verwicklungen lebt. Doch
besonders die Nähe zum Horror-Film, die der Figur des Ferguson angedichtet wurde,
verdeutlicht die Unfähigkeit, diese intelligent entworfene Figur in ihrer
Tragweite anzunehmen. Denn der Horror ist in "Requiescant" nicht fantastisch, sondern sehr
realistisch und der Zusammenhang zu den aktuellen politischen Ereignissen
unverkennbar. Lizzani gelang damit eine überragende Genre-Umsetzung, die bis
heute nichts von ihrer Wirkung verloren hat und gleichzeitig prächtig unterhält.
"Requiescant" Italien, Deutschland 1967, Regie: Carlo Lizzani, Drehbuch: Lucio Battistrada, Pier Paolo Pasolini, Adriano Bolzoni, Darsteller : Lou Castel, Mark Damon, Pier Paolo Pasolini, Barbara Frey, Franco Citti, Feruccio Viotti, Laufzeit : 108 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Carlo Lizzani:
"L'amore in città" (1953)
"Banditi a Milano" (1968)
"Amore e rabbia" (1969)
"Roma bene" (1971)
"Mussolini: ultimo atto" (1975)
"Banditi a Milano" (1968)
"Amore e rabbia" (1969)
"Roma bene" (1971)
"Mussolini: ultimo atto" (1975)
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