Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Dienstag, 13. August 2013

Mondo cane (1962) Paolo Cavara, Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi

Inhalt: „Mondo cane“ entwickelte an Hand von weltweit aufgenommenen dokumentarischen Aufnahmen menschlicher Verhaltensmuster - bezogen auf Ernährung, Sexualität, Kleidung, Hierarchien, Religion, Freizeitgestaltung und Kultur – das komplexe Bild einer Welt, die „vor die Hunde geht“. Obwohl es viele Parallelen im Verhalten der unterschiedlichen Völker gibt, egal ob sie in New York oder im Dschungel leben, wird die zerstörerische Kraft einer Zivilisation deutlich, die für sich die Führung und damit die Hoheit über die Standards des Zusammenlebens beansprucht…


Der 1962 von den Dokumentarfilmern Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi und Paolo Cavara in die Kinos gebrachte "Mondo cane" gilt als der Begründer eines Subgenres, das sich scheinbar authentisch den Lebensverhältnissen der Menschen weltweit widmete. Kurze dokumentarische Aufnahmen aus verschiedenen Kulturräumen wurden auf Spielfilmlänge zusammengefügt, um ein möglichst komplexes Bild der menschlichen Sozialisation entstehen zu lassen, bezogen auf die wesentlichen Merkmale des Zusammenlebens - Ernährung, Sexualität, Kleidung, Hierarchien, Religion, Freizeitgestaltung und Kultur. Der Begriff "Mondo" (Welt) wurde zuvor schon in "Il mondo di notte" (Die Welt bei Nacht, 1959) von Regisseur Luigi Vanzi verwendet, aber darin widmete dieser sich ausschließlich den spezifischen Formen des Nachtlebens, weshalb "Mondo cane" zum ersten Film wurde, der das menschliche Dasein auf diese Weise generell erfassen wollte und dank seines großen Erfolgs zum Vorbild für viele Nachahmer wurde.

Sieht man von "Mondo cane 2" einmal ab, der ein Jahr später aus im ersten Film noch nicht verwendetem Material montiert wurde, wäre der unbekannt gebliebene "Il mondo di notte" das ehrlichere Vorbild für die folgenden "Mondo" - Filme, denn diese strebten keine umfassende, differenzierte Beobachtung menschlicher Verhaltensformen mehr an, sondern widmeten sich Themenbereichen, die sich an der Sensationsgier des Publikums orientierten. Selbst der von den drei Dokumentarfilmern ebenfalls noch 1963 veröffentlichte „La donna del mondo“ (Alle Frauen dieser Welt) schränkte seinen Blick schon ein, weshalb ihre folgenden Filme über Afrika („Africa addio“ (1966)) und „Addio, zio Tom“ (Addio Onkel Tom, 1971)) nicht mehr den „Mondo“ – Begriff im Titel führten. An den Afrika-Filmen war Paolo Cavara nicht mehr beteiligt, der mit „I malamondo“ (1964) schon einen Gegenentwurf zu „Mondo cane“ vorlegte, der sich bewusst auf die Auswüchse der westlichen Gesellschaft konzentrierte.

Denn obwohl in „Mondo cane“ versucht wurde, Parallelen zwischen dem Verhalten der westlichen Zivilisation und dem der Menschen in exotisch empfundenen Ländern aufzuzeigen, konnte von einer gleichwertigen Gegenüberstellung nicht die Rede sein, da der Film für ein westliches Publikum erdacht und hergestellt wurde. Aus Sicht der Verhaltensforschung haben afrikanische Stammesrituale bei der Jagd auf einen Bräutigam und der lächerliche Voyeurismus einer Hundertschaft Marinesoldaten beim Anblick hübscher Mädchen im Bikini einen ähnlichen Ursprung, für das damalige Publikum dagegen nicht, denn der Erfolg des Films beruhte auf Einblicke in Welten, die dem westlich geprägten Europäer oder Nordamerikaner Anfang der 60er Jahre noch gänzlich fremd waren. So wie im Panoptikum des frühen 20. Jahrhunderts allein die Zurschaustellung eines Schwarzafrikaners zur Sensation gereichte, so genügte schon der Anblick von Afrikanern mit ihrem Gesichtsschmuck und Tätowierungen, von Asiaten, die Schlangen oder Hunde verspeisen, gemästeten Haremsfrauen eines spindeldürren Despoten, oder die gezeigten Tierschlachtungen, um gruseliges Empfinden zu erzeugen.

Den Filmemachern muss bewusst gewesen sein, damit den wachsenden Wunsch des Publikums nach Tabubrüchen zu bedienen, der sich in der moralisch konservativ geprägten Nachkriegszeit mit dem Verweis auf „primitive“ Völker leichter verwirklichen ließ (siehe auch den deutschen Beitrag von 1956 „Liane, das Mädchen aus dem Urwald“). Ein inhaltlicher Vorwurf ist ihnen daraus vordergründig nicht zu machen, denn nur wenige Szenen wirken übertrieben oder geschürt, wie das Schwein, das an einer weiblichen Brust säugt, während ihr Versuch, den exotischen Schauwerten zivilisatorische Abgründe mit gezielt entlarvenden Bildern von Ausbeutung oder Dekadenz entgegen zu setzen, offensichtlich wird. Begleitet von der großartigen, häufig in ihrer Schönheit bewusst kontrastierenden Musik Riz Ortolanis und einem emotionslos vorgetragenen Kommentar, der angesichts des Gezeigten abwechselnd zynisch, ironisch oder informierend wirkt, entfaltet sich ein Bild der Welt vor dem Auge des Betrachter, das seine erschreckende Wirkung inzwischen eher gesteigert hat.

Denn aus heutiger Sicht erweisen sich die Aufnahmen der Naturvölker oder die Essgewohnheiten von Asiaten als traditionell gewachsene Lebensformen, während die gezeigten Eingriffe und Auswüchse der westlichen Zivilisation zerstörerisch und unnatürlich wirken. Das Einsperren von Hunden in viel zu enge Käfige, die in Reih- und Glied aufmarschierenden, uniform gekleideten Mädchen in Australien, Entenstopfleber in Frankreich, die Schnapsleichen am Morgen auf der Hamburger Reeperbahn oder die Missionierung der Afrikaner erhalten mit dem heutigen Wissen eine gänzlich andere Bewertung, als es 1962 möglich war. Das lässt nicht übersehen, dass das Denken der Macher konservativ geprägt war und die Auswahl dessen, was als lächerlich oder kleingeistig dargestellt wurde, deren subjektiver Meinung entsprach. Allein die einmaligen Aufnahmen der Performance des unmittelbar nach der Entstehung des Films früh verstorbenen französischen Pop-Art Künstlers Yves Klein, dessen monochromes Blau Kunstgeschichte schrieb, legitimieren schon die Ansicht des Film, auch wenn der Kommentator den Künstler nicht nur fälschlicherweise als Tschechoslowaken bezeichnete (ein seltsamer Fehler, angesichts der sonst hohen Professionalität), sondern sich auch stammtischartig über die „Moderne Kunst“ belustigte - wie häufig mit einem Hinweis auf deren hohen Preis.

Das „Mondo cane“ als Vorbild für die folgende Welle so genannter „Mondo“ Filme gilt – darunter die wenig später entstandenen „Sexy nel mondo“ (1963) und „Mondo balordo“ (1964) von Regisseur Roberto Bianchi Montero – ist nur hinsichtlich der äußeren Form richtig, inhaltlich gibt es kaum Parallelen. Doch während die frühen Nachahmer immerhin noch versuchten, dem Begriff „Mondo“ und damit einer weltweiten Betrachtung gerecht zu werden, sind „Mondo Hollywood“ (USA, 1967) oder das ab den 70er Jahren inflationär verwendete „Mondo cannibale“ schon in sich widersprüchlich, da sie sich auf einen sehr begrenzten Bereich konzentrierten. Umberto Lenzis 1972 entstandener Dschungel-Abenteuerfilm „Il paese del sesso selvaggio“ gilt als erster "Mondo cannibale", wobei es sich um einen Etikettenschwindel des deutschen Verleihs handelt. Lenzis Film hat mit „Mondo cane“ nur den darin geäußerten Hinweis des Kommentators auf Kannibalismus gemeinsam und diverse Szenen von Tiertötungen - von einem direkten Einfluss kann nicht die Rede sein.

Dagegen ist es wichtig, einen Film wie „Mondo cane“ gleichzeitig aus damaliger wie heutiger Sicht zu betrachten, denn daran lässt sich die Entwicklung eines halben Jahrhunderts in der sich verändernden Bewertung der menschlichen Zivilisation nachvollziehen. Die damals als sensationell empfundenen Bilder haben ihre Wirkung in einer medial übersättigten Welt schon lange verloren, weshalb es gerade die eher unscheinbaren Aufnahmen sind, die heute kaum Jemand mehr zeigt, die tiefe Einblicke in das Verhalten der Menschheit vermitteln.

"Mondo cane" Italien 1962, Regie: Paolo Cavara, Gualtiero Jacopetti, Franco Prosperi, Drehbuch: Paolo Cavara, Gualtiero JacopettiDarsteller : Stefano Sibaldi (Erzähler), Laufzeit : 103 Minuten

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.