Inhalt: Der
Kommissar der Fremdenpolizei Stefano Belli (Franco Nero) lässt sich von dem
Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi) gut dafür bezahlen, das britische Fotomodell
Sandy Bronson (Delia Boccardo) möglichst schnell abzuschieben. Sie hat sich bei
Fontana unbeliebt gemacht, weil sie sich an dessen Sohn Mino (Maurizio
Bonuglia) heran gemacht hatte, der sie zu heiraten beabsichtigt - für Fontana nur
aus dem Grund, um an sein Geld heranzukommen. Zudem soll Belli noch den
Musikproduzenten Romanis überprüfen, in dessen Geschäfte Fontanas Frau Vera
(Florinda Bolkan) eine größere Summe investieren will.
Die
Angelegenheit mit dem englischen Model erweist sich als leichter Auftrag, auch
wenn Sandy ihre Verführungskünste einzusetzen versucht, um ihn umzustimmen.
Doch bei dem Produzenten erwartet ihn eine böse Überraschung, denn er findet
ihn tot in seiner Wohnung liegend vor. Offensichtlich schon längere Zeit, denn
sein Kollege von der Mordkommission, Commissario Baldo (Renzo Palmer), ist
nicht weit und wundert sich über Bellis Anwesenheit. Diese kann er noch leicht
erklären, indem er auf Fontanas Bitte, Romanis zu überprüfen, verweist, aber
damit fangen seine Schwierigkeiten erst an...
Regisseur
Romolo Guerrieris bürgerlicher Familienname lautet "Girolami" - ein
Markenzeichen im italienischen Kino der 60er und 70er Jahre, dank seines Bruders Marino Girolami und seines Neffen Enzo Girolami (bekannt als Enzo G.
Castellari), beide ebenfalls Regisseure, sowie dessen Bruder Ennio Girolami,
einem Schauspieler. Besonders im Italo-Western Genre mischten die vier
Girolamis intensiv und in unterschiedlichen Positionen mit, aber auch der
"Poliziesco all'italiana" ist ohne sie kaum vorstellbar. Doch während
Enzo G.Castellari zu den unbestrittenen Größen des italienischen Polizeifilms
zählt, dessen "La polizia incrimina la legge assolve" (Tote Zeugen
singen nicht, 1973) zu den einflussreichsten Werken des Genres gehört, und
Marino Girolami in "Roma violenta" (Verdammte heilige Stadt, 1975) erstmals Maurizio Merli in seiner prägenden Rolle als kompromisslosen
Commissario auftreten ließ, sind Guerrieris (der Geburtsname seine Mutter)
Polizieschi heute nahezu unbekannt.
Weder die
frühen "La polizia è al servizio del cittadino?" (Auf verlorenem
Posten, 1973) und "Un uomo, una città" (1974) mit Enrico Maria
Salerno in der Hauptrolle, noch der während der Hochphase herausgekommene
"Liberi armati pericolosi" (Bewaffnet und gefährlich, 1976) sind
adäquat in Deutschland erschienen, obwohl sie zu den überdurchschnittlichen
Genre-Vertretern gehören und in Guerrieris letztem Poliziesco sogar Tomas
Milian die Rolle des Kommissars verkörperte. Einzig "Un detective"
(Die Klette) nach dem Roman "Macchie di belletto" (sinngemäß
"Flecken auf dem Make-Up") verfügt dank Franco Nero über einen
gewissen Bekanntheitsgrad, wird in der Regel aber nicht als wichtiger
Wegbereiter für das Poliziesco-Genre betrachtet, sondern als Kriminalfilm etwa im
Stil des gleichnamigen us-amerikanischen "The detective", der ein
Jahr zuvor mit Frank Sinatra in der Rolle des allein ermittelnden Protagonisten in die Kinos
gekommen war.
„Un
detective“, dessen deutscher Titel „Die Klette“ die Coolness des Films unnötig
untergräbt, erinnert in seiner ruhigen Inszenierung vordergründig an einen
klassischen Kriminalfilm, aber Guerrieri bricht mit eigenwilligen Rück- und
Überblendungen regelmäßig das grundsätzlich langsame Tempo des Films. In einer
Szene treibt er die stakkatoartige Beschleunigung der Handlung auf die Spitze,
als Commissario Stephano Belli (Franco Nero) versucht, dass britische Model Sandy
Bronson (Delia Boccardo) zu einer Aussage zu zwingen, indem er
lebensgefährliche Manöver mit seinem Auto unternimmt. Mit rasendem Tempo fährt
Belli durch Roms Straßen, gegen die Fahrtrichtung und ohne Rücksicht auf die
übrigen Verkehrsteilnehmer zu nehmen, was auch zu einigen Unfällen führt, die
ihn aber nicht von seiner Vorgehensweise abhalten, das Model in Angst und
Schrecken zu versetzen – ein Plan, der scheinbar aufgeht. Diese mit hohem Tempo
gefilmten Szenen erinnern stark an die späteren für den Poliziesco typischen
Verfolgungsjagden, wirken aber in „Un detective“ noch fremdartig, da dieser
darüber hinaus nur wenige weitere Action-Elemente aufweist.
Auch Franco Neros atypisch charakterisierte Rolle widersprach den späteren Gepflogenheiten. Als Commissario der
Fremdenpolizei ist er in die Aufklärung des Mordes an dem Musikproduzenten
Romanis nicht eingebunden, ermittelt aber trotzdem in dem Fall und stört damit
die Untersuchungen seines Kollegen Baldo (Renzo Palmer) von der Mordkommission.
Der Grund für seinen Aktionismus liegt aber nicht im mutigen Kampf gegen gesellschaftliches Unrecht oder Verbrechersyndikate,
sondern um sich selbst zu schützen. Er hatte von dem Rechtsanwalt Fontana (Adolfo
Celi) Geld dafür genommen, das englische Model Sandy unter fadenscheinigen
Gründen abschieben zu lassen, da sie sich an dessen Sohn Mino (Maurizio
Bonuglia) herangemacht hatte. Zudem sollte er die Seriosität des getöteten
Produzenten überprüfen, weil Fontanas Frau Vera (Florinda Bolkan)
beabsichtigte, viel Geld in dessen Geschäfte zu investieren. Belli findet
schnell heraus, dass es Verbindungen zwischen beiden Fällen gibt und setzt
besonders Sandy unter Druck, damit sie ihn nicht wegen Bestechlichkeit anzeigt.
Die Rolle
des eigenmächtig handelnden, bei seinen Ermittlungen rücksichtslos vorgehenden
Commissario weist schon deutlich auf die harte Vorgehensweise etwa eines
Maurizio Merli hin, wie sie Mitte der 70er Jahre im Poliziesco üblich war, wird
hier aber gebrochen, da Belli selbst keine weiße Weste hat, sondern von Nero
als selbstgefälliger, egoistischer Zeitgenosse verkörpert wird. Zudem ist „Un detective“ nicht gesellschaftskritisch angelegt, sondern beschränkt sich auf die
feine Gesellschaft von Rom mit der Via Veneto als Ausgangspunkt. Mit seiner
großen Anzahl an schönen Darstellerinnen – neben Florinda Bolkan und Delia
Boccardo, noch Susanna
Martinková und Laura Antonelli in einer frühen Nebenrolle - weist der Film zwar
Parallelen zum damals populären Giallo auf, aber Guerrieri nutzte den moralisch
verdorbenen Hintergrund, geprägt von Sex, Drogen und Erpressung im
Show-Business, nicht für eine exzessive Story, sondern behielt einen nahezu
sachlichen Gestus bei, der sowohl in seiner Optik, als auch der jazzartigen
Musik noch von den 60er Jahren geprägt ist.
Mit dieser
ruhigen, auf gezielte Spannungsmomente verzichtenden Inszenierung, die über
differenziert gestaltete Charaktere verfügt, erfüllte „Un detective“ weder die
Erwartungshaltung an einen Giallo-artigen Thriller, noch - trotz einiger
Nacktaufnahmen, die nachvollziehbar integriert wurden - an die aufkommende
Erotik-Welle. Selbst die Besetzung Franco Neros bot sich nicht uneingeschränkt
zur Identifikation an, zu sperrig und egoistisch agierte er hier. Trotzdem ist
„Un detective“ uneingeschränkt ein Kind seiner Zeit, dass den Weg zum
Poliziesco der 70er Jahre vorzeichnete, in seiner Grundanlage aber noch der traditionellen
Erzählform der 60er Jahre verpflichtet blieb.
"Un detective" Italien 1969, Regie: Romolo Guerrieri, Drehbuch: Massimo D'Avak, Alberto Silvestri, Gene Luotto, Ludovico Dentice (Roman), Darsteller : Franco Nero, Florinda Bolkan, Adolfo Celi, Delia Boccardo, Renzo Palmer, Laura Antonelli, Laufzeit : 98 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Romolo Guerrieri:
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