Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Freitag, 30. August 2013

Un detective (Die Klette) 1969 Romolo Guerrieri

Inhalt: Der Kommissar der Fremdenpolizei Stefano Belli (Franco Nero) lässt sich von dem Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi) gut dafür bezahlen, das britische Fotomodell Sandy Bronson (Delia Boccardo) möglichst schnell abzuschieben. Sie hat sich bei Fontana unbeliebt gemacht, weil sie sich an dessen Sohn Mino (Maurizio Bonuglia) heran gemacht hatte, der sie zu heiraten beabsichtigt - für Fontana nur aus dem Grund, um an sein Geld heranzukommen. Zudem soll Belli noch den Musikproduzenten Romanis überprüfen, in dessen Geschäfte Fontanas Frau Vera (Florinda Bolkan) eine größere Summe investieren will.

Die Angelegenheit mit dem englischen Model erweist sich als leichter Auftrag, auch wenn Sandy ihre Verführungskünste einzusetzen versucht, um ihn umzustimmen. Doch bei dem Produzenten erwartet ihn eine böse Überraschung, denn er findet ihn tot in seiner Wohnung liegend vor. Offensichtlich schon längere Zeit, denn sein Kollege von der Mordkommission, Commissario Baldo (Renzo Palmer), ist nicht weit und wundert sich über Bellis Anwesenheit. Diese kann er noch leicht erklären, indem er auf Fontanas Bitte, Romanis zu überprüfen, verweist, aber damit fangen seine Schwierigkeiten erst an...


Regisseur Romolo Guerrieris bürgerlicher Familienname lautet "Girolami" - ein Markenzeichen im italienischen Kino der 60er und 70er Jahre, dank seines Bruders Marino Girolami und seines Neffen Enzo Girolami (bekannt als Enzo G. Castellari), beide ebenfalls Regisseure, sowie dessen Bruder Ennio Girolami, einem Schauspieler. Besonders im Italo-Western Genre mischten die vier Girolamis intensiv und in unterschiedlichen Positionen mit, aber auch der "Poliziesco all'italiana" ist ohne sie kaum vorstellbar. Doch während Enzo G.Castellari zu den unbestrittenen Größen des italienischen Polizeifilms zählt, dessen "La polizia incrimina la legge assolve" (Tote Zeugen singen nicht, 1973) zu den einflussreichsten Werken des Genres gehört, und Marino Girolami in "Roma violenta" (Verdammte heilige Stadt, 1975) erstmals Maurizio Merli in seiner prägenden Rolle als kompromisslosen Commissario auftreten ließ, sind Guerrieris (der Geburtsname seine Mutter) Polizieschi heute nahezu unbekannt.

Weder die frühen "La polizia è al servizio del cittadino?" (Auf verlorenem Posten, 1973) und "Un uomo, una città" (1974) mit Enrico Maria Salerno in der Hauptrolle, noch der während der Hochphase herausgekommene "Liberi armati pericolosi" (Bewaffnet und gefährlich, 1976) sind adäquat in Deutschland erschienen, obwohl sie zu den überdurchschnittlichen Genre-Vertretern gehören und in Guerrieris letztem Poliziesco sogar Tomas Milian die Rolle des Kommissars verkörperte. Einzig "Un detective" (Die Klette) nach dem Roman "Macchie di belletto" (sinngemäß "Flecken auf dem Make-Up") verfügt dank Franco Nero über einen gewissen Bekanntheitsgrad, wird in der Regel aber nicht als wichtiger Wegbereiter für das Poliziesco-Genre betrachtet, sondern als Kriminalfilm etwa im Stil des gleichnamigen us-amerikanischen "The detective", der ein Jahr zuvor mit Frank Sinatra in der Rolle des allein ermittelnden Protagonisten in die Kinos gekommen war.

„Un detective“, dessen deutscher Titel „Die Klette“ die Coolness des Films unnötig untergräbt, erinnert in seiner ruhigen Inszenierung vordergründig an einen klassischen Kriminalfilm, aber Guerrieri bricht mit eigenwilligen Rück- und Überblendungen regelmäßig das grundsätzlich langsame Tempo des Films. In einer Szene treibt er die stakkatoartige Beschleunigung der Handlung auf die Spitze, als Commissario Stephano Belli (Franco Nero) versucht, dass britische Model Sandy Bronson (Delia Boccardo) zu einer Aussage zu zwingen, indem er lebensgefährliche Manöver mit seinem Auto unternimmt. Mit rasendem Tempo fährt Belli durch Roms Straßen, gegen die Fahrtrichtung und ohne Rücksicht auf die übrigen Verkehrsteilnehmer zu nehmen, was auch zu einigen Unfällen führt, die ihn aber nicht von seiner Vorgehensweise abhalten, das Model in Angst und Schrecken zu versetzen – ein Plan, der scheinbar aufgeht. Diese mit hohem Tempo gefilmten Szenen erinnern stark an die späteren für den Poliziesco typischen Verfolgungsjagden, wirken aber in „Un detective“ noch fremdartig, da dieser darüber hinaus nur wenige weitere Action-Elemente aufweist.

Auch Franco Neros atypisch charakterisierte Rolle widersprach den späteren Gepflogenheiten. Als Commissario der Fremdenpolizei ist er in die Aufklärung des Mordes an dem Musikproduzenten Romanis nicht eingebunden, ermittelt aber trotzdem in dem Fall und stört damit die Untersuchungen seines Kollegen Baldo (Renzo Palmer) von der Mordkommission. Der Grund für seinen Aktionismus liegt aber nicht im mutigen Kampf gegen gesellschaftliches Unrecht oder Verbrechersyndikate, sondern um sich selbst zu schützen. Er hatte von dem Rechtsanwalt Fontana (Adolfo Celi) Geld dafür genommen, das englische Model Sandy unter fadenscheinigen Gründen abschieben zu lassen, da sie sich an dessen Sohn Mino (Maurizio Bonuglia) herangemacht hatte. Zudem sollte er die Seriosität des getöteten Produzenten überprüfen, weil Fontanas Frau Vera (Florinda Bolkan) beabsichtigte, viel Geld in dessen Geschäfte zu investieren. Belli findet schnell heraus, dass es Verbindungen zwischen beiden Fällen gibt und setzt besonders Sandy unter Druck, damit sie ihn nicht wegen Bestechlichkeit anzeigt.

Die Rolle des eigenmächtig handelnden, bei seinen Ermittlungen rücksichtslos vorgehenden Commissario weist schon deutlich auf die harte Vorgehensweise etwa eines Maurizio Merli hin, wie sie Mitte der 70er Jahre im Poliziesco üblich war, wird hier aber gebrochen, da Belli selbst keine weiße Weste hat, sondern von Nero als selbstgefälliger, egoistischer Zeitgenosse verkörpert wird. Zudem ist „Un detective“ nicht gesellschaftskritisch angelegt, sondern beschränkt sich auf die feine Gesellschaft von Rom mit der Via Veneto als Ausgangspunkt. Mit seiner großen Anzahl an schönen Darstellerinnen – neben Florinda Bolkan und Delia Boccardo, noch Susanna Martinková und Laura Antonelli in einer frühen Nebenrolle - weist der Film zwar Parallelen zum damals populären Giallo auf, aber Guerrieri nutzte den moralisch verdorbenen Hintergrund, geprägt von Sex, Drogen und Erpressung im Show-Business, nicht für eine exzessive Story, sondern behielt einen nahezu sachlichen Gestus bei, der sowohl in seiner Optik, als auch der jazzartigen Musik noch von den 60er Jahren geprägt ist.

Mit dieser ruhigen, auf gezielte Spannungsmomente verzichtenden Inszenierung, die über differenziert gestaltete Charaktere verfügt, erfüllte „Un detective“ weder die Erwartungshaltung an einen Giallo-artigen Thriller, noch - trotz einiger Nacktaufnahmen, die nachvollziehbar integriert wurden - an die aufkommende Erotik-Welle. Selbst die Besetzung Franco Neros bot sich nicht uneingeschränkt zur Identifikation an, zu sperrig und egoistisch agierte er hier. Trotzdem ist „Un detective“ uneingeschränkt ein Kind seiner Zeit, dass den Weg zum Poliziesco der 70er Jahre vorzeichnete, in seiner Grundanlage aber noch der traditionellen Erzählform der 60er Jahre verpflichtet blieb.

"Un detective" Italien 1969, Regie: Romolo Guerrieri, Drehbuch: Massimo D'Avak, Alberto Silvestri, Gene Luotto, Ludovico Dentice (Roman)Darsteller : Franco Nero, Florinda Bolkan, Adolfo Celi, Delia Boccardo, Renzo Palmer, Laura Antonelli, Laufzeit : 98 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Romolo Guerrieri:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.