Inhalt: Die
Insassen einer Postkutsche werden von mexikanischen Banditen an einer Station
aufgefordert, ihre Habseligkeiten heraus zu geben. Die vier Vagabunden unter ihnen
schmeißen sie in eine Pfütze, wo sie unter dem Gelächter der Mexikaner im
Schlamm wühlen müssen. Hud (Johnny Halliday), der sich in der Station befand,
will sich das Schauspiel nicht mehr länger ansehen und erschießt die Männer,
die zur Bande von „El Diablo“ (Mario Adorf) gehören. Danach verfolgt er seinen
Weg weiter, der ihn zu der Hütte von Boot (Serge Marquand) führt.
Die
Bewohner von Blackstone wissen schon von seiner baldigen Ankunft und beschwören
den Sheriff (Gastone Moschin), gegen Hud vorzugehen. Sie befürchten, dass er
seinen Bruder rächen will, den sie vor zwei Monaten nach dessen Bankraub
gelyncht hatten, um sich die Beute selbst holen, die bisher nicht gefunden
wurde. Doch der Sheriff bleibt ruhig und reitet Hud entgegen, um ihm die sein
Gewehr und den Revolver abzunehmen, da sich Niemand bewaffnet im Dorf aufhalten
darf. Hud willigt ein, entgeht aber nur knapp einem Anschlag, da die Direktorin
der Bank, die Witwe Virginia Pollywood (Françoise Fabian) für ein
Empfangskomitee in Blackstone gesorgt hatte…
Sergio
Corbuccis "Gli specialisti" (Fahrt zur Hölle, ihr Halunken) entstand
1969 mitten in einer Phase, die seine Entwicklung von einer ernsthaften, auch
politisch relevanten Interpretation des Western-Genres zu einer zunehmend
ironischen Sichtweise kennzeichnete. Corbuccis Revolutions-Western "Il
mercenario" (Mercenario - der Gefürchtete) und "Il grande silenzio" (Leichen pflastern seinen Weg), dessen Pessimismus unmittelbar
auf den Vietnam-Krieg reagierte, entstanden 1968 kurz hintereinander und sind
ohne die politisch-gesellschaftlichen Veränderungen dieser Zeit nicht vorstellbar.
Der 1970 folgende "Vamos a matar, compañeros" (Lasst uns töten,
Companeros) nahm die Thematik des Revolutions-Western zwar erneut auf, betonte
aber mehr den komödiantisch, unterhaltenden Charakter, und wies schon auf
Corbuccis späte Western-Parodien ("Il bianco il giallo il nero" (Drei
Halunken erster Klasse, 1975) hin.
Doch anders
als die genannten Filme seiner intensiven Schaffensphase Ende der 60er Jahre,
findet "Gli specialisti" heute kaum noch Erwähnung, obwohl der
Einfluss der Hippie-Ära und der anti-bürgerlichen Protestbewegung hier - zudem
in einer für das Western-Genre fremdartig wirkenden Umsetzung - sehr deutlich
ist. Die vier unbewaffneten und ungepflegten Vagabunden, denen Hud (Johnny
Halliday) zu Beginn das Leben rettet, als einige Bandenmitglieder von El Diablo
(Mario Adorf) ihre Spielchen mit ihnen treiben, wirken in einem Western
deplaziert. In einer grotesken Szene konfrontiert Corbucci den traditionellen
Western mit der Gegenwart der späten 60er Jahre – die vier an Hippies erinnernden
Herumtreiber wollen die hübsche Sheba (Silvie Fennec) dazu nötigen, an ihrem
Joint zu ziehen, was sie mit den Worten, sie sei doch ein Mädchen, entrüstet
ablehnt. Worauf sich eine der Vier als kurzhaarige Frau entpuppt, die ihr
Geschlecht dadurch beweist, dass sie eine ihrer Brüste vorzeigt. Die
Charakterisierung dieser sich respektlos und vulgär benehmenden Figuren ist
offenkundig negativ, was noch in weiteren Szenen betont wird, die weder mit der
eigentlichen Story, noch mit dem Western generell etwas zu tun haben.
Diese
seltsame Konstellation lässt sich am ehesten durch die ungewöhnlichen Umstände
einer italienisch/deutsch/französischen Co-Produktion erklären, die wie ein Mix
aus einem klassischen Western und einem 60er Jahre Experimentalfilm wirkt. Sie
war gleichzeitig ein Vehikel für einen der größten französischen Stars, dem
Rock-Musiker Johnny Hallyday, der in „Gli specialisti“ seine erste Hauptrolle
spielte. Bis heute hält Hallyday sämtliche Zuschauerrekorde für Live-Konzerte
in Frankreich, aber in den 60er Jahren stand er auch für den Protest gegen die
bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. 1963, nach einem Konzert in Paris
vor 150000 Zuschauern wurde die Innenstadt stark verwüstet und fanden
Straßenkämpfe mit der Polizei statt – eine Entwicklung, die sich fortsetzte und
die Auswirkungen der späten 60er Jahre schon vorweg nahm. Ohne dieses Image ist
Hallyday als schweigsamer Pistolero Hud nicht korrekt einzuordnen.
Vordergründig wirkt er in dieser Rolle ähnlich deplaziert wie die vier Vagabunden,
aber zur Entstehungszeit des Films - besonders in Frankreich - war keine weit
reichende Charakterisierung notwendig, um ihn als Klassenkämpfer zu
personifizieren.
Hud (in der
deutschen Synchronisation "Brad") kommt wieder zurück in seine alte
Heimatstadt, um die Unschuld seines Bruders zu beweisen, der wegen eines
angeblichen Bankraubs vom Mob gelyncht wurde. Zwar zeigt Hud in der ersten
Szene seine überragenden Schießkünste, aber danach sieht man ihn nur noch
selten in Aktion. Stattdessen übergibt er dem Sheriff (Gastone Moschin) ohne
Widerstand seine Waffen, die Niemand im Ort bei sich tragen darf. Äußerlich
gibt sich Hallyday zwar cool, aber mit den zwiespältigen Revolverhelden eines
Clint Eastwood oder Giuliano Gemma hat er wenig gemein. Auch über seine
bisherige Rolle als Revolverheld erfährt man nichts, aber er handelt nie zum
eigenen Vorteil. Er schießt nur in Notwehr oder um Andere zu beschützen und
verfolgt keine egoistischen Ziele. Zwar wird ihm von den Bürgern des Ortes
unterstellt, er wäre auf der Suche nach der bisher verschwundenen Beute seines
Bruders, aber hinter dieser falschen Behauptung verbirgt sich nur der wahre
Bösewicht des Films – eine egoistische, nur an ihrem Geld interessierte, feige
Gesellschaft.
Viele
Western Corbuccis verwendeten als Hintergrund eine Bürgerschaft, die ihre
Interessen rücksichtslos verfolgte, aber in „Gli specialisti“ geht er darüber
hinaus. Françoise Fabian verkörpert als Witwe Virginia Pollywood - die
Anspielung ist offensichtlich - den Kapitalismus in Reinkultur. Ungeniert ihre
körperlichen Reize einsetzend - im damaligen Westen unvorstellbar für eine Frau
der besseren Gesellschaft - setzt die Bankdirektorin ihre Pläne ohne Skrupel
um. Zwar gibt es mit dem mexikanischen Bandenboss „El Diablo“ auch einen echten
Banditen, aber im Vergleich zu der verschlagenen Pollywood und den anderen
Honoratioren der Stadt bis zum zwielichtigen Sheriff, ist er nur ein
sympathischer Grobian. Schon zu Jugendzeiten war er ein Freund von Hud, mit dem
er sich immer sportlich fair duellierte. Und seine Angewohnheit, seine
heroischen Taten einem Jungen in dessen Schreibblock zu diktieren, verleiht dem
sonst ernsthaften Film ein wenig Humor.
Die
abschließende, knapp zehnminütige Sequenz des Films treibt die Verfremdung des
Western auf die Spitze. Die Rache-Story ist beendet und die Schuldigen sind
bestraft, aber die Demütigung der Bürger steht noch aus. Hud, schwer verletzt
und mehr an einen Märtyrer als an einen Revolverhelden erinnernd, verbrennt das
wieder gefundene Geld vor den Augen der Bewohner der Stadt, die jammernd
versuchen, noch einen Rest davon zu erhaschen. Doch damit endet ihre Tortur
noch nicht, denn die vier Hippies bekommen noch ihren großen Auftritt und
zwingen sie, sich nackt auszuziehen, auch um Hud damit herausfordern. Ein
letztes Mal rafft er sich auf, um sie mit einer ungeladenen Pistole in die
Flucht zu schlagen, bevor er allein davon reitet – einen Moloch aus nackten,
verängstigten und erniedrigten Leibern hinter sich lassend, während Orgelmusik erklingt.
„Gli
specialisti“ kam stark gekürzt in die deutschen Kinos, obwohl der Film nur
wenige Gewaltszenen beinhaltet. Dahinter verbarg sich der Versuch, einen
„normalen“ Italowestern zu kreieren, was schon daran scheitern musste, dass
Johnny Hallydays Interpretation eines Westernhelden nicht den Standards
entsprach. Dass „Gli specialisti“ heute kaum noch bekannt ist, erklärt sich
durch diese Umstände, ist aber nicht gerechtfertigt. Als „Italo-Western“
hinterlässt er zwar einen uneinheitlichen, phasenweise fremdartigen Eindruck,
aber als Gesamtwerk im zeitlichen Kontext ist er von großer Originalität.
"Gli specialisti" Italien / Frankreich / Deutschland 1969, Regie: Sergio Corbucci, Drehbuch: Sergio Corbucci, Sabatino Ciuffini, Darsteller : Johnny Hallyday, Francoise Fabian, Sylvie Fennec, Gastone Moschin, Mario Adorf, Laufzeit : 99 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Corbucci:
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