Inhalt: Der
aus der Gegend um Neapel stammende Maresciallo Carotenuto (Vittorio De Sica)
wird als Leiter einer kleinen Carabinieri-Station in ein Dorf in die Abruzzen
versetzt. Dass es sich bei dem 50jährigen noch um einen Junggesellen handelt,
sorgt in der kleinen Gemeinde sofort für Aufruhr, denn dem attraktiven,
charmanten Carotenuto wird allerhand zugetraut. Besonders die junge, aus einer
armen Familie stammende Maria (Gina Lollobrigida), genannt
"Bersagliera", fällt dem alten Schwerenöter ins Auge, ohne dass er
ahnt, dass ein junger Brigadier (Roberto Rossi) in sie verliebt ist. Dem
schüchternen jungen Mann war es in acht Monaten nicht gelungen, die kecke
"Bersagliera" anzusprechen, weshalb sie sich von ihm zurückgewiesen
fühlt.
Doch auch
eine andere Frau weckt Carenutos Interesse, die Hebamme Annarella (Marisa
Merlini), die aber regelmäßig für ein paar Tage nach Rom verschwindet, weshalb
er befürchtet, dass sie dort schon vergeben ist. Da er nicht weiß, dass
"Bersagliera" ebenfalls den Brigadier liebt, hält er ihre freche,
offene Art ihm gegenüber für ein Entgegenkommen und macht sich Hoffnungen...
Luigi
Comencini hatte schon seit Mitte der 40er Jahre als Drehbuchautor gearbeitet,
bevor er 1948 mit "Proibito rubato" (Razzia in Neapel) seinen ersten
Film drehte, an dem mit Suso Cecchi D'Amico eine wichtige Autorin des
Neorealismus ("Ladri di biciclette" (Fahrraddiebe, 1948)) beteiligt
war. Obwohl "Proibito rubato" neorealistische Elemente aufwies, zählt
der Film in seiner optimistischeren Anlage nicht zum inneren Kreis des Genres,
wies aber schon auf Comencinis späteren Durchbruch als Regisseur mit "Pane,
amore e fantasia" (Liebe, Brot und Fantasie) hin.
Als dieser
1953 entstand, lag die Hochphase des kritischen, marxistisch geprägten
Neorealismus schon einige Jahre zurück. Vittorio De Sicas hatte ein Jahr zuvor
in "Umberto D.", einem der letzten exemplarischen Werke des
Neorealismus, von dem Schicksal eines alternden Mannes innerhalb einer sich
erneuernden Gesellschaft erzählt, die den Krieg hinter sich lassen wollte. Der
enorme Erfolg von "Pane, amore e fantasia", dem Comencini mit "Pane,
amore e gelosia" (Liebe, Brot und Eifersucht, 1954) ein Jahr später eine
inhaltlich unmittelbar anschließende Fortsetzung folgen ließ, lässt darauf
schließen, dass inzwischen generell ein humorvoller, optimistischer Umgang mit
der Realität gefragt war. Mit "Pane, amore e ..." (Liebe, Brot und
tausend Küsse) wurde 1955 sogar noch ein weiterer Film nach der Erfolgsformel
gedreht, an dem allerdings nur noch Vittorio De Sica und der Co-Autor Ettore
Margadonna von der Stammbesetzung dabei waren (die sogar noch an dem 1958 gedrehten spanischen Ableger "Pan, amor y ...Andalucia" beteiligt waren). Sophia Loren hatte unter der
Regie von Dino Risi den Part des schönen italienischen Mädchens von Gina
Lollobrigida übernommen, inhaltlich und formal hatte sich der komödiantischer
angelegte Film aber von seinen beiden Vorgängern entfernt.
"Pane,
amore e fantasia" weist dagegen noch eine deutliche Nähe zum Neorealismus
auf. Das kleine Dorf in den Bergen der Abruzzen, in dem die Story spielt,
wurde zwar für die Filmhandlung erfunden, könnte aber real existieren. Als der
Maresciallo Carotenuto (Vittorio De Sica) dort seine Stelle als Leiter einer
Carabinieri-Station antritt, fallen ihm die Ruinen mitten im Ort auf. Auf seine
Frage, ob das noch die Folge eines Bombardements aus dem Krieg wäre, wird ihm
als Ursache ein Erdbeben genannt. Als er entsprechend bei einer weiteren Ruine
mutmaßt, sie wäre ebenfalls bei einem Erdbeben entstanden, heißt es diesmal,
das Haus wäre von Bomben zerstört worden. Dieser trocken vorgetragene Humor ist
signifikant für einen Film, der die Missstände nicht leugnet, sie aber nicht
mehr tragisch nimmt. Das gilt ebenso für die "Fantasie" im Filmtitel,
die einem Dialog des Maresciallo mit einem alten Mann zu verdanken ist, der auf
seine Frage, welchen Belag er auf seinem Brot hätte, die beiden Hälften
auseinander nimmt und die Leere als "Fantasie" bezeichnet. Die
Menschen sind arm und haben nur wenig zu essen, aber sie verlieren deshalb noch
lange nicht ihre gute Laune.
Doch
weniger dieser lässige Umgang mit den äußerlichen Realitäten erzeugte den
Erfolg an den Kinokassen, als die Konzentration auf die eher zwischenmenschlichen
"Realitäten", zusätzlich noch mit einer spezifisch italienischen
Eigenart gewürzt. Schon der zu Beginn eingeblendete Text weist auf die
Situation der Carabinieri hin, die zwar normale Männer mit üblichen
Bedürfnissen wären, gleichzeitig aber den Regeln und Gesetzen der Armee
verpflichtet sind. Obwohl die Carabinieri zivile Aufgaben als Polizisten
übernahmen, gehörten sie zu den italienischen Streitkräften (seit 2000 als
eigenständige Teilstreitkraft), weshalb die Männer für einige Jahre an den Ort in den Abbruzzen
versetzt wurden, selbst aber aus entfernten Regionen stammen. Die sich daraus
ergebenden sprachlichen und moralischen Verwicklungen, sind wesentlich für die
Wirkung des Films, denn der zwar schon leicht gealterte, aber sehr charmante
Maresciallo, der aus Sorrento in der Nähe von Neapel stammt, wird mit den
altertümlichen Regeln des Bergdorfes konfrontiert und gerät zunehmend in
Schwierigkeiten. Wie die beiden berühmten Figuren Statler und Waldorf viele
Jahre später in der "Muppet Show", kommentieren zudem in "Pane,
amore e fantasia" drei kauzige Greise, teilweise mit Fernrohr bewaffnet,
von ihrer Bank aus alle Regungen ihrer Mitbürger, selbstverständlich ganz ihrer
erzkonservativen Haltung verpflichtet.
Entscheidend
für die Popularität des Film, aber auch für ihren eigenen Aufstieg zu
"Gina nazionale" im Herzen der Italiener, ist die von Gina
Lollobrigida gespielte Rolle der Maria, genannt "La Bersagliera"
(etwa "die Freche, Aufmüpfige"). Sie hatte schon unter Carlo Lizzani
in dem neorealistischen Film "Achtung! Banditi!" (1951) die
Hauptrolle gespielt, zudem in zwei internationalen Produktionen mitgewirkt
("Fanfan, la tulipe" (Fanfan, der Husar, 1952) und "Beat the
devil" (Schach dem Teufel, 1953) unter John Huston, aber erst die Rolle
des schönsten und gleichzeitig ärmsten Mädchens des Dorfes, ließ sie zum großen
Star werden.
In ihrer
Figur verbanden sich Realität und die Sehnsüchte ihrer Zeit. Barfuß in einem
schäbigen Kleid herumlaufend oder auf einem Esel, ihrem einzigen Besitz,
reitend, versucht sie mit nicht immer ganz legalen Methoden ihre Mutter zu
unterstützen, die alleine eine Vielzahl von Kindern durchbringen muss.
Gleichzeitig tritt sie selbstbewusst und emotional auf und ist dem einflussreichen Pfarrer Don Emidio (Virgilio Riento) ein
Dorn im Auge, da er ihre Schönheit und gleichzeitige Bedürftigkeit als große
Versuchung für die Männer ansieht. Doch Maria hat nur Augen für den
schüchternen Carabinieri Pietro (Roberto Russo), der heimlich in sie verliebt
ist, von dem sie sich wegen dessen Tatenlosigkeit, aber auch wegen ihrer Armut
abgelehnt fühlt, weshalb sie ihn bewusst schlecht behandelt. Maresciallo
Carotenuto, dessen Single-Dasein bei den Bewohnern des Ortes sofort Misstrauen
auslöste, hat dagegen weniger Probleme, sich dem weiblichen Geschlecht zu
nähern. Natürlich gefällt ihm „La Bersagliera“, aber auch die Hebamme Annarella
(Marisa Merlini) besitzt seine Aufmerksamkeit, allerdings irritiert es ihn,
dass sie regelmäßig für ein Wochenende nach Rom fährt – hat sie dort einen
Verehrer?
„Pane,
amore e fantasia“ wird häufig als erster Vorläufer der „Commedia all'italiana“
bezeichnet, fügt sich aber stimmig in eine Entwicklung ein, die in den späten 40er Jahren begann. Schon die unter der gemeinsamen Regie von Steno
und Mario Monicelli entstandenen Filme mit Totò in der Hauptrolle (unter
anderen „Guardi e ladri“ (Räuber und Gendarm, 1951)), verbanden Alltagsrealität mit Humor. Auch Comencinis Film
verliert trotz seiner Leichtigkeit und den im Mittelpunkt stehenden
Liebesverwirrungen nie die Realität aus den Augen – selbst das Happy-End wird
ein wenig einschränkt – vorherrschender Eindruck blieb aber die allgemeine
Lebensfreude, während eine Komödie wie „I soliti ignoti“ (Diebe haben's schwer, 1958) von Mario
Monicelli, die heute als Beginn der „Commedia all'italiana“ in ihrer bissig,
ironischen Form gilt, ihr kritisches Potential nicht verloren hat.
Zeitgenössisch
betrachtet war Comencinis Kritik an der damals vorherrschenden Moral sicherlich gewagt, so wie Gina Lollobrigidas Auftreten erste Anzeichen einer weiblichen Emanzipation aufwies, auch wenn sie sich letztlich noch in ihre Rolle als
anständige junge Frau fügte. Doch damit ebnete der Film eher den Weg in Richtung leichterer Komödien, die die folkloristisch italienischen Eigenarten betonten, wie
die zweite Fortsetzung „Pane, Amore e...“ oder der ähnlich geartete „It started in Naples“ (Es begann in Neapel, 1960), jeweils mit Sophia
Loren und Vittorio De Sica in wichtigen Rollen, dessen Karriere als Regisseur
sich später in eine vergleichbar oberflächliche Richtung entwickelte. Doch das ändert nichts an dem sehr guten Gesamteindruck eines auch unbequeme Konsequenzen nicht scheuenden Films, dem es
gelang einer harten Realität Hoffnung und Freude abzuringen. Und der damit den Nerv seiner Zeit und seiner Landsleute traf.
"Pane, amore e fantasia" Italien 1953, Regie: Luigi Comencini, Drehbuch: Luigi Comencini, Ettore Maria Mergadonna, Darsteller : Gina Lollobrigida, Vittorio De Sica, Marisa Merlini, Roberto Risso, Maria Pia Casilio, Virgilio Riento, Laufzeit : 87 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Luigi Comencini:
"A cavallo della tigre" (1961)
"Tre notti d'amore" (1964)
"Le bambole" (1965)
"Delitto d'amore" (1974)
"Tre notti d'amore" (1964)
"Le bambole" (1965)
"Delitto d'amore" (1974)
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