Boccadoro (Monica Vitti) will alles für ihn tun... |
Inhalt: Dank seiner Verdienste im Kampf gegen die
Ungläubigen wird Guerrando da Montone (Tony Curtis) zum Ritter geschlagen und
erhält so viel Land, wie er mit seinem Pferd bis zum Sonnenuntergang durchreiten
kann. Das stellt sich für den erschöpften Ritter schwerer dar als gedacht.
Ausgerechnet als er an der primitiven Hütte des Wildhüters ankommt, in der
Boccadoro (Monica Vitti) bei ihrem Vater lebt, fällt er vom Pferd und schläft
ein. Da ihr der stattliche Mann gefällt, versetzt sie sein Schwert um ein paar
Meter und erklärt sich zu dessen Besitz.
...doch Ritter Guerrando (Tony Curtis) zeigt sich erst wenig begeistert... |
Doch Guerrando, ganz begeistert von seiner frisch erworbenen
Macht, die ihm das Recht der ersten Nacht bei den Frauen seiner Untertanen
einräumt, ist die unter seinem Stand befindliche Boccadoro lästig, obwohl sie
ihm gefällt. Als er sich endlich bereit erklärt, sie trotzdem in sein Bett zu
nehmen, verweigert sie sich zu seiner Überraschung. Jetzt will sie nicht mehr.
Einen solchen Widerstand nicht gewohnt, ersinnt er einen Plan. Er will sie
heiraten und nach der Hochzeitsnacht hinrichten lassen – nur dumm, dass sie
seinen Antrag nicht annimmt. Erst als er droht, ihren Vater köpfen zu lassen,
willigt sie ein. Doch am Ziel ist er noch lange nicht…
Wild trieben es unsere Vorfahren
...viel mehr interessiert ihn das "Jus primae noctis" |
Der titelgebende "La cintura di castità"
(Keuschheitsgürtel) ist im Bild nie zu sehen. Mal klappert es etwas blechern unter
Boccadoros (Monica Vitti) Kleid, aber in ihrem Bewegungsdrang wird sie nicht
behindert. Pragmatische Aspekte wie die mangelnde Hygiene spielten in Pasquale
Festa Campaniles Film ebenso wenig eine Rolle, wie die Tatsache, dass Keuschheitsgürtel
im Mittelalter aller Wahrscheinlichkeit nach nicht existierten. Wichtig ist
allein der Schlüssel - der Schlüssel zum Verhältnis der Geschlechter.
Knappe Marculfo (Nino Castelnuovo) bleiben dagegen nur die Reste |
Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet war es Pech für die Filmemacher.
Pech, dass der Prozess der soziokulturellen Veränderungen Ende der 60er Jahre
so an Dynamik gewann, dass "La cintura di castità" schnell an
Aktualität verlor. Die Emanzipation schritt voran, die Freizügigkeit nahm zu
und die Idee, die Handlung zeitlich weit zurückzusetzen, um Freiräume für
Frivolitäten zu schaffen, fand viele Nachahmer und wurde zur weiteren
Initialzündung in Richtung moderne „Commedia sexy“ der 70er Jahre. Bald schon
feierte Guido Malateste „Le calde notte die Poppaea“ (Die heißen Nächte der
Poppea, 1969) oder schickte Bruno Corbucci die barbusige Isabella ins
Degen-Gefecht („Isabella, duchessa dei diavoli“ (Isabella - Mit blanker Brust
und spitzem Degen, 1969)). Festa Campanile selbst versetzte die Handlung seines
„Quando le donne avevano la coda“ (Als die Frauen noch Schwänze hatten, 1970)
noch weiter in die Vergangenheit und spätestens als in Folge von Pier Paolo
Pasolinis „Il Decameron“ (1971) die Decamerotichi wie Pilze aus dem Boden
schossen, erlebte der Rückblick in das Sexleben unserer Vorfahren seinen
Höhepunkt – der 1973 wieder rasch abflaute.
Um Boccadoro doch zu gewinnen... |
Dank der Vielfalt im italienischen Kino entwickelte sich der
erotische Seitenarm der „Commedia all’italiana“ zwar nicht homogen, setzte aber
eindeutige Schwerpunkte. Lag das Gewicht Mitte der 60er Jahre noch auf dem
Episodenfilm – auch viele der unter einem Regisseur entstandenen Filme wie „Come imparai ad amare le donne“ (Das gewisse Etwas der Frauen, 1966) besaßen eine
episodische Inszenierungs-Form – hatte der Blick in eine weit zurückliegende
Vergangenheit in den späten 60er/frühen 70er Jahren Konjunktur. Die Gründe
dafür geben ein Spiegelbild der damaligen gesellschaftlichen Entwicklung. Die
Kritik an der offensiven sexuellen Thematik der Episodenfilme konnte sich dank
der großen Anzahl an Mitwirkenden vor und hinter der Kamera auf viele Schultern
verteilen. Zudem besaß die Kurzfilmform den Vorteil, verschiedene Sichtweisen
zuzulassen und die davon ausgehenden Provokationen unterschiedlich zu gewichten.
...greift Guerrando zu wenig subtilen Methoden |
Verglichen damit waren die Ausflüge ins Mittelalter oder in
die Zeit des römischen Imperiums modern, denn sie kümmerten sich nicht mehr um
Ausgewogenheit oder Differenzierung. Trotzdem war die Verlegung der Handlung in
eine wenig authentisch gestaltete, selten zeitlich konkretisierte Vergangenheit
eine Konzession an die weiterhin vorhandenen Widerstände gegenüber dem
Erotikfilm. Die knappe Kleidung, der häufig grobschlächtige, direkte Umgang der
Geschlechter untereinander und die regelmäßigen Seitenhiebe gegen Religion und
Kirche wären in einem realen gegenwartsbezogenen Umfeld nur schwer
durchzusetzen gewesen. Ganz abgesehen davon, dass der Komödienton vulgärer und
überdrehter wurde, als ob so die Nähe zu jeder Ernsthaftigkeit vermieden werden
sollte.
Doch ihm stehen auch die Kirche... |
"La cintura di castità" stand am Anfang dieser
Komödien-Spezies, verfügte aber schon über alle wesentlichen Charakteristika.
Als Vorbild könnte Monicellis „L’armata Brancaleone“ (Die unglaublichen
Abenteuer des hochwohllöblichen Ritters Branca Leone, 1966)) gedient haben,
hinter dessen Absurdität aber immer auch das Drama spürbar blieb. Die Szene, in
der Ritter Guerrando da Montone (Tony Curtis) einen zum Tode Verurteilten erst herzt
und umarmt, weil dieser ihm einmal das Leben gerettet hatte, um dann doch
dessen Strafe vollziehen zu lassen, ist bei Campanile ein makabrer Scherz. Die
damit verbundene Tragik blieb, anders als in Monicellis Werk, außen vor. Von
der Ritter-Thematik abgesehen ist "La cintura di castità" näher an
Campaniles im Jahr zuvor erschienenen Beziehungskomödien „Adulterio all’italiana“ (Seitensprung auf Italienisch) und „Il marito è mio e l'ammazzo
quando mi pare“, deren Paar-Streitigkeiten unter dem Gesichtspunkt der
aufkommenden Emanzipation er hier konsequent fortführte.
...der Kreuzzug... |
Dass Campanile nach Catherine Spaak diesmal Monica Vitti für
die weibliche Hauptrolle verpflichtete, stellte einen unmittelbaren
Zusammenhang zum langsam ausklingenden Episodenfilm her, an dem beide
Schauspielerinnen intensiv mitwirkten. Wie Spaak wurde die frühere
Antonioni-Muse Vitti („Il deserto rosso“ (Die rote Wüste, 1964)) zu einer der
profiliertesten Vertreterinnen des aufkommenden Feminismus im 60er und 70er
Jahre Film. Damaligen Kinogängern dürfte bewusst gewesen sein, dass sie nicht
als Nackedei auf der Kinoleinwand zu sehen sein würde – in dieser Hinsicht ist "La
cintura di castità" insgesamt noch sehr zurückhaltend – aber auch ihr
bäuerliches Auftreten zu Beginn, als sie sich dem Ritter an den Hals wirft,
konnte Niemanden täuschen. Wie in Monicellis im Jahr darauf erschienenen „La ragazza con la pistola“ (Mit Pistolen fängt man keine Männer, 1968) wandelt sie
sich schnell vom Naivchen zur selbstbewussten Frau und bringt die Männer, allen
voran natürlich Ritter Guerrando, um den unflexiblen Verstand.
...und Scheich Ibn-El-Rascid (Hugh Griffith) im Weg |
Außergewöhnlich ist die Besetzung ihres männlichen
Widerparts mit dem Hollywood-Star Tony Curtis. Curtis‘ Stern befand sich zwar
in leichtem Sinkflug bevor er in den 70er Jahren zunehmend für das Fernsehen zu
drehen begann, aber zum italienischen Kino hatte er nur wenig Kontakt.
Möglicherweise kam dieser durch das Zusammenspiel mit Claudia Cardinale in
„Don’t make waves“ (Die nackten Tatsachen, 1967) zustande, in dem Curtis unter
der Regie von Alexander Mackendrick aufgetreten war. Mackendrick reagierte mit
seiner in Süd-Kalifornien spielenden Komödie ebenfalls auf die sich
verändernden Geschlechterrollen, blieb aber wesentlich zurückhaltender als
Campanile, der seinen Hang zu brachialer Direktheit in "La cintura
di castità" weiter auslebte.
Entsprechend war das von den Autoren Ugo Liberatore und
Luigi Magni verfasste Drehbuch an leisen Zwischentönen oder dezenten
Anspielungen wenig interessiert, womit es eine spezifische Eigenschaft der
italienischen Komödie, beginnend beim Komödianten Totò über das Duo Franco
Franchi/Ciccio Ingrassia in Richtung „Commedia sexy“ fortführte. Eine Stärke der
„Commedia all’italiana“, auch wenn Tony Curtis‘ Macho-Gehabe im
Ritter-Gewand, Monica Vittis Forderung nach sexueller Selbstbestimmung oder die
von der Kirche propagierte Überlegenheit des Mannes aus heutiger Sicht so
altbekannt wie stilistisch grob wirken. Das täuscht darüber hinweg, wie gewagt diese
unmissverständliche Ausdrucksweise 1967 noch war – und noch den Rückgriff in
die Vergangenheit bedurfte.
"La cintura di castità" Italien 1967, Regie: Pasquale Festa Campanile, Drehbuch: Ugo Liberatore, Luigi Magni, Larry Gelbart, Darsteller : Monica Vitti, Tony Curtis, Nino Castelnuovo, Hugh Griffith, John Richardson, Franco Sportelli, Leopoldo Trieste, Laufzeit : 93 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Pasquale Festa Campanile:
weitere im Blog besprochene Filme von Pasquale Festa Campanile:
"Adulterio all'italiana" (1966)
"La matriarca" (1969)
"Il merlo maschio" (1971)
"Autostop rosso sangue" (1977)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen