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Leichte Verfügbarkeit macht Andrea (Marcello Mastroianni) schläfrig... |
Inhalt: Nicht nur das der NATO-Offizier Andrea
Rossi-Colombotti (Marcello Mastroianni) selbst in einer Strip-Bar einschläft,
bei seinen diversen Geliebten stößt er mit seiner ständigen Gefahrensuche
zunehmend auf Unverständnis. Er kann nicht zugeben, dass er das Risiko braucht,
um noch als Liebhaber zu funktionieren, seitdem es ihm die Frauen zu leicht
machen. Gewohnt, den Widerstand einer Frau brechen zu müssen, führt ihn deren
selbstbestimmte Bereitwilligkeit direkt in die Impotenz.
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...und zum Fall für seinen Psychotherapeuten (Enrico Maria Salerno) |
Und zum Psychotherapeuten (Enrico Maria Salerno), dessen
Hass auf Frauen ihn auch nicht weiter bringt. Hoffnungsvoll lernt er Gigliola
(Virna Lisi) kennen, Tochter aus gutem Hause, mit der er eine Ehe eingehen
will, um seinen Dämonen zu entkommen. Ein Trugschluss wie sich bald
herausstellt, denn nach wie vor fehlt ihm der Reiz des Widerstands. Da ist
Thelma (Marisa Mell) ein ganz anderes Kaliber – eine erotische Versuchung, die
streng von ihrem Ehemann (Marco Ferreri) überwacht wird.
"Die Frauen sind heute viel zu bereitwillig, viel zu
leicht zu haben"
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Der Angeklagte beteuert seine Unschuld |
An seiner neidvollen Reaktion wird deutlich, dass der Staatsanwalt
diese Erfahrung gerne geteilt hätte, aber ganz so einfach wie es der des Mordes
angeklagte Berufs-Offizier Andrea Rossi-Colombotti (Marcello Mastroianni)
schildert, ist es nun doch nicht. Gewisse optische Vorzüge sollte man als Mann
schon mitbringen. Trotzdem kulminiert in dieser Aussage der gesamte Film - für
den Protagonisten ist es die Ursache seiner Impotenz, für seinen Psychiater (Enrico
Maria Salerno) der Bodensatz allen Übels und für die damaligen Kritiker der
Grund, Mario Monicellis Film Oberflächlichkeit zu unterstellen. Anders als es
die sexuellen Abenteuer des modernen Casanova vermittelten, begannen die
Moralvorstellungen Mitte der 60er Jahre erst langsam zu bröckeln, besaß eine
sexuell offensive Frau nach wie vor einen miserablen Ruf. Die Ironie des Films zeigt
sich in der Parallelität bürgerlicher Scheinmoral: in ihrer Abscheu gegenüber
der sich verändernden Frauenrolle waren sich Filmkritiker, ein konservatives
Publikum und – selbstverständlich aus anderen Beweggründen - der Schwerenöter
Andrea einig.
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Gefahrenpotentiale: die sizilianische Familie,... |
Dieser provokative Subtext war das Wesen der „Comedia
all’italiana“, zu dessen führenden Vertretern Monicelli seit seinem gemeinsamen
Beginn mit Regie-Partner Steno („Guardie e ladri“ (Räuber und Gendarm, 1951))
zählte. Direkt komisch ist der Film nur selten, sieht man von seiner generellen
Absurdität ab. Beispielhaft ist dafür eine zentrale Szene, als Andrea Zeuge
eines Familienzwists in einer sizilianischen Osteria wird. Der Bräutigam einer
Schönen (Jolanda Modio) weigert sich, diese zu heiraten, weil sie keine
Jungfrau mehr wäre, wird aber mit Händen und Füßen von ihren zahlreichen Brüdern
an der Flucht gehindert. Für Andrea, der nur unter Lebensgefahr zum Sex in der
Lage ist, eine Idealsituation. Er gibt sich als Arzt aus, der die Wahrheit
feststellen will, und schläft mit ihr, während die aufgeputschten Brüder vor
der Tür auf das Ergebnis warten. Leider kommt ihm ein echter Arzt in die Quere
und er wird von den Brüdern gnadenlos gejagt, bis er mit seinem Auto von einer
hohen Klippe stürzt. So überdreht diese Situation auf den heutigen Betrachter
wirken mag – unrealistisch ist daran nur, dass Andrea sie mit ein paar
Schrammen überlebt.
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..., sein General mit Ehefrau (Margaret Lee),... |
Trotz dieser Konzession an eine Komödie blieb in „Casanova ‘70“
immer die persönliche Tragik des Frauenhelden spürbar. Mastroianni gab ihn im
Stil eines konservativen Bonvivants, der irritiert auf die sich verändernde
Sozialisation und damit das Verhalten der Frauen reagiert. Seine
lebensgefährlichen Trips sind kein Ausdruck wachsenden Irrsinns, sondern der
verzweifelte Versuch, an seinen bisherigen Erfahrungen festzuhalten. Für einen
klassischen Liebhaber wie ihn war es die größte Herausforderung, den Widerstand
einer geliebten Frau zu brechen. Um noch Lust empfinden zu können, sucht er
äußerliche Gefahren bei der Beziehungsanbahnung
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...,der eifersüchtige Ehemann (Marco Ferreri)... |
Eine selbstzerstörerische Konsequenz, die ihm trotzdem Sympathien
einbringt, denn sie wendet sich nicht gegen die Frauen, wie bei seinen
Geschlechtsgenossen sonst üblich. Deren Schwierigkeiten mit der Emanzipation lassen
sich in Enrico Maria Salernos Verkörperung eines misogynen Psychotherapeuten
und in der Figur des eifersüchtigen Ehemanns der schillernden Marisa Mell nicht
übersehen. Dass Regisseur Marco Ferreri diesen in einem seiner seltenen
Leinwandauftritte mit diabolischem Gestus gab, war mehr als ein Fingerzeig,
denn Ferreri („La grande bouffe“ (Das große Fressen, 1973)) blieb bis zu seinem
Tod in den 90er Jahren ein so kritischer, wie vehementer Begleiter der
soziokulturellen Entwicklung nach dem Krieg. Schon 1953 beteiligte er sich am
Drehbuch von „L’amore in città“ und wurde als junger Regisseur in den frühen
60er Jahren zu einem glühenden Vertreter des Episodenfilms („Controsesso“,
1964).
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...der Angebeteten (Marisa Mell) |
Das galt auch für Mario Monicelli. Die Nähe zum Episodenfilm
ist „Casanova ‘70“ entsprechend in mehrfacher Hinsicht anzumerken: die
episodenhafte Struktur der Story, die nur durch wenige erzählerische Klammern
(die Sitzung beim Psychotherapeuten, die abschließende Gerichtsszene)
aufgehoben wird, der provokative Umgang mit der bürgerlichen Moral, der zum
Markenzeichen des Episodenfilms wurde, und nicht zuletzt die breite Mitwirkung
künstlerischer Wegbegleiter. Neben den Leib-Autoren Agenor Incrocci und Furio
Scarpelli waren noch die Antonioni- („Il deserto rosso“ (Die rote Wüste, 1964))
und Visonti-Vertrauten („Vaghe stelle dell'orsa...“ (Sandra, 1965)) Tonino
Guerra und Suso Checchi D’Amico mit am Drehbuch beteiligt. Gemeinsam mit
Checchi D’Amico hatte Monicelli auch seine Episode zu „Bocacccio ‘70“
entworfen, auf den er mit seinem Filmtitel unmissverständlich anspielte. Beide
Filme verstanden sich als Blick in die Zukunft gesellschaftlicher
Veränderungen.
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Andrea mit seiner Verlobten (Virna Lisi) |
Dass dabei auch die Frauen nicht ungeschoren davon kamen,
war zu erwarten. Besonders Marisa Mell als Ehegattin des so reichen, wie
eifersüchtigen Conte (Marco Ferreri) nutzt den risikoreichen Hang ihres
Möchtegern-Liebhabers für ihre Zwecke. Berechnend setzt sie ihre erotische
Wirkung ein, um Andrea immer im letzten Moment mit Verweis auf ihren brutalen
Ehemann zurückzuweisen. Prinzipiell eine „Win-win“-Situation: sie will ihren
Ehemann loswerden und er kann sich über zu wenig Gefahr nicht beklagen. Den
entgegengesetzten Part übernahm Virna Lisi als Tochter aus gutem Hause.
Gigliola (Virna Lisi) entspricht noch ganz dem Anforderungsprofil an eine integre
kommende Ehefrau, für die Sex vor der Ehe nicht in Frage kommt. Angesichts der
schönen Virna Lisi normalerweise eine Geduldsprobe für jeden angehenden
Ehemann. Nicht so bei Andrea. Sein Versuch, sein Seelenheil in einer
konventionellen Beziehung zu finden, erweist sich als Irrtum, weshalb er
froh über ihre Enthaltsamkeit ist. Als Gigliola aber zu seiner Überraschung bereit
ist, vor der Ehe eine Nacht mit ihm zu verbringen, beendet er die Verlobung –
offiziell aus moralischen Gründen.
„Casanova 70“ verfügt über eine Vielzahl an schönen
Darstellerinnen, die Monicelli erotisch inszenierte, auch wenn die einzigen konkreten
Nacktaufnahmen gleich zu Beginn in einem Pariser Striptease-Club stattfinden
(und den Protagonisten Andrea storygemäß zum Einschlafen bringen). Der
„Katholische Filmdienst“ bezeichnete Monicellis Film trotzdem als „Sexualposse“. Ein
Fehlurteil, geschuldet der damals grundsätzlich Empörung hervorrufenden Sexual-Thematik,
denn die optischen Reize des Films stehen ganz im Dienst eines satirischen
Blicks auf die sich wandelnden Geschlechterrollen – die „70“ im Filmtitel ließe
sich bequem bis in die Gegenwart verschieben.
"Casanova '70" Italien 1965, Regie: Mario Monicelli, Drehbuch: Mario Monicelli, Agenore Incrocci, Furio Scarpelli, Tonino Guerra, Suso Cecchi D'Amico, Darsteller : Marcello Mastroianni, Virna Lisi, Marisa Mell, Michelle Mèrcier, Margaret Lee, Rosemarie Dexter, Enrico Maria Salerno, Marco Ferreri, Laufzeit : 115 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Mario Monicelli:
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