Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Dienstag, 6. Oktober 2015

Ad ogni costo (Top Job) 1967 Giuliano Montaldo

Inhalt: Der letzte Blick gilt noch seinen Schülern, die ihn am Flughafen verabschieden, bevor sich der pensionierte Professor James Anders (Edward G. Robinson) in das Flugzeug Richtung New York begibt. Ein Hubschrauber bringt ihn nach Manhattan, von wo er mit dem Taxi zu einem großen Landhaus gebracht wird, in dem sein alter Jugendfreund Mark Milford (Adolfo Celi) residiert, den er seit mehr als 40 Jahren nicht mehr gesehen hat. Der Anlass seines Besuchs ist rein professionell, denn Milford, ein landesweit bekannter Gangster-Boss, soll ihm helfen, ein Team für einen raffinierten Diamanten-Raub zusammenzustellen – eine Bitte, der dieser gerne nachkommt.

Mit den Kontaktdaten ausgerüstet trifft sich der Professor erst mit dem Soldaten Erich Weiss (Klaus Kinski), der die Aktion leiten soll, bevor er den Tresorknacker Gregg, den Techniker und Bastler Agostino Rossi (Riccardo Cucciolla) sowie den Playboy Jean-Paul (Robert Hoffmann) aufsucht. Sie Alle sollen gemeinsam nach seinen Plänen während des Karnevals in Rio de Janeiro einen Tresor in einem streng bewachten Gebäude knacken und einen Koffer mit Diamanten stehlen. Und zwar vollständig unbemerkt, da der Diebstahl erst nach dem Wochenende entdeckt werden darf, um den Beteiligten die Flucht aus dem Land zu ermöglichen – ein schweres Unterfangen…


Es gibt Filme, die lassen schon in den ersten, scheinbar harmlosen Momenten spüren, dass es unter ihrer Oberfläche brodelt - und dass sich Abgründe unter der sorgfältig gepflegten bürgerlichen Fassade verbergen. Dem ließe sich entgegnen, dass es sich bei den sogenannten "Heist-Movies“, die aus dem Blickwinkel der Täter einen groß angelegten Diebstahl schildern, grundsätzlich um eine zwiespältige Angelegenheit handelt. Das Publikum wird emotional auf die Seite von Räubern gezogen, deren Aufgabe es ist, unbemerkt von der Öffentlichkeit ihren Coup durchzuziehen. Im Idealfall ist nicht nur das Objekt der Begierde verschwunden, sondern fehlt jede Information über die Täter. Während das Verbrechen geschah, blieb die äußerliche Normalität gewahrt.

Seitdem Jules Dassin 1955 in „Du rififi chez les hommes“ (Rififi) einen solchen Raub in minutiöser Perfektion auf die Leinwand brachte, erfreut sich das Genre gleichbleibender Beliebtheit, wurde er für Mario Monicelli in „I soliti ignoti“ (Diebe haben’s schwer, 1958) zum Vorbild seiner prägenden Gauner-Komödie, sorgte für Amüsement im futuristisch angehauchten „Sette uomini d'oro“ (Sieben goldenen Männer, 1965) und diente Jean-Pierre Melville als Kulminationspunkt seiner Gangster-Ballade „Le cercle rouge“ (Vier im roten Kreis, 1970). Bis zur jüngeren „Ocean“-Trilogie mit George Clooney als Impresario einer Gruppe von Spezialisten oder der „Mission impossible“ Reihe, erfuhr die Idee eines besonders raffinierten Einbruchs unter schwierigsten Bedingungen wiederholte Variationen. Auch „Ad ogni costo“ (Top Job), der 1967 erfolgreich in den deutschen Kinos lief, reiht sich darin ein und gilt im Gesamtwerk des dank seiner gesellschaftskritischen Filme („Sacco e Vanzetti“ (Sacco und Vanzetti, 1971)) bekannten Regisseurs Giuliano Montaldo als Ausnahme.

Eine oberflächliche Betrachtungsweise, der Montaldo von Beginn an in seiner Inszenierung widersprach. Leider wurden in der deutschen Kinofassung die ersten 90 Sekunden gekürzt, in dem ein Schülerchor, angeleitet von weiß gekleideten Nonnen, ihrem in Pension gehenden Lehrer Professor James Anders (Edward G. Robinson) ein Abschiedsständchen gibt und ein großes „Danke“-Plakat ausrollt. Ennio Morricone griff in seiner Titelmusik auf diese Kinderstimmen zurück, verband sie mit lateinamerikanischen Rhythmen, Big-Band-Sound und einer ins Melancholische abdriftenden Trompetenmelodie, die genau den Kontrast zwischen seriösem Anschein und über Leichen gehender Egozentrik widerspiegelte, den Montaldo in seinem Film bis zur letzten Konsequenz auslebte. Eine Intention, an der schon der Originaltitel „Ad ogni costo“ (Auf eigene Kosten) keinen Zweifel ließ, den die internationalen Filmtitel „Grand Slam“ oder „Top Job“ aber leider zugunsten der reinen „Heist“-Thematik verwässerten.

Dabei könnte der Weg des Professors, der ihn zu seinem Jugendfreund Mark Milford (Adolfo Celi) in die USA führt, widersprüchlicher kaum sein. Erst die heile Welt der Schulkinder, dann das atemberaubende Panorama von New York, bevor er an der Pforte einer mondänen Villa klingelt. Dort wird er in die prächtig eingerichteten Räume eingelassen, gelangt in einen Konzertsaal, in der eine Festgesellschaft klassischer Musik lauscht, zu der sich eine junge Frau auf einer Bühne entkleidet. Von dort wird er in die hinteren, schwer bewachten Räume eingelassen, in denen der Hausherr und bekannte Gangster-Boss Mark Milford residiert. Der so seriös wirkende Professor bittet ihn um Hilfe bei der Auswahl des geeigneten Personals für seinen geplanten Coup. Jahrzehntelang hatte er aus dem gegenüber gelegenen Schulgebäude in Rio de Janeiro beobachtet, wie unter immer gleichen Voraussetzungen eine Lieferung Diamanten gebracht und in einem Tresor gesichert wurde. Entsprechend viel Zeit hatte er, um einen sicheren Plan auszutüfteln, für den er nur noch die notwendigen Spezialisten braucht.

Nach seiner Pensionierung will der Professor eine Ladung Diamanten für sich, bereit jedem Banden-Mitglied eine Million Dollar bei Erfolg auszuzahlen. Mehr erfährt der Betrachter nicht über seine Intention. Weder beklagt er sein bisheriges Dasein, noch kritisiert er den Reichtum Anderer. Auch über die Gesellschaft, die die Diamanten in Empfang nimmt, gibt es keine weiteren Informationen. Damit unterscheidet sich „Ad ogni costo“ entscheidend von ähnlichen Heist-Movies, auch von seinem Vorbild „Rififi“. Üblicherweise soll ein emotionaler Hintergrund Sympathien für die Diebe erzeugen oder bei dem zu bestehlenden Opfer handelt es sich selbst um eine kriminell agierende Persönlichkeit/Gesellschaft. Häufig auch beides, ebenso oft verbunden mit einem humorvollen Unterton. Nichts davon existiert in „Ad ogni costa“, der einzig die persönliche Bereicherung als Anlass gelten lässt.

Darin besteht auch die Intention für die vier Männer, die zwar zusammen arbeiten, unter denen es aber über den Job hinaus keine Verbindung gibt. Die im „Heist-Movie“ sonst fast zwangsläufige Buddy-Thematik wurde hier vollständig ausgehebelt, weil der Ideengeber gar nicht an der eigentlichen Aktion teilnimmt. Der Professor setzt als Stellvertreter den Soldaten Erich Weiss (Klaus Kinski) ein, der für die Koordination der beiden Spezialisten Gregg (George Rigaud) und Agostino Rossi (Riccardo Cucciolla) zuständig ist, die gemeinsam den Tresor knacken sollen. Den vermeintlich leichtesten Job hat der Playboy Jean-Paul (Robert Hofmann), der von der Sekretärin Mary Ann (Janet Leigh) für eine Stunde den Schlüssel zum Tresorraum organisieren soll – eine Aufgabe, die sich aber als die unberechenbarste herausstellt, da sich die wenig zugängliche Frau als immun gegen den sonst so unwiderstehlichen Verführer erweist. Ernst wird er von seinen Mitstreitern trotzdem nicht genommen. Im Gegenteil bestraft ihn Anführer Weiss nur mit Verachtung – Solidarität innerhalb der Truppe gibt es nicht.

Diese Konstellation nahm der Story die Berechenbarkeit, die neben den typischen unerwartet auftretenden Schwierigkeiten für eine stetig steigende Spannungskurve sorgte. Dass der Betrachter trotz der auf jede emotionale Schürung verzichtenden Story mit den Dieben mitfiebert, ist den vier Hauptakteuren zu verdanken, die ihre bewusst eindimensional angelegten Rollen mit Leben erfüllten. Kinskis Testosteron gesteuerter Aktionismus, Rigauds Coolness auch in schwierigsten Situationen, Cucciollas heimliche Sehnsüchte (dem die Begegnung mit der hübschen Brasilianerin in der deutschen Fassung vollständig genommen wurde) und Hoffmanns wachsende Verzweiflung in der Konfrontation mit der eiskalt wirkenden Janet Leigh, ergeben einen heißen Tanz inmitten der vom Karneval aufgeputschten Stadt, der vergessen lässt, dass hier alles nach einem perfiden Plan abläuft. So wie sich die seriöse Fassade des Professors als brüchig erweist, verbarg „Ad ogni costo“ die Abgründe des menschlichen Egoismus unter dem Deckmantel eines Unterhaltungsfilms.

"Ad ogni costo" Italien, Deutschland, Spanien 1967, Regie: Giuliano Montaldo, Drehbuch: Mino Roli, Paolo Bianchini, Augusto Caminito, Marcello Fondato, Marcello, Coscia, José Antonio de la Loma, Darsteller : Klaus Kinski, Robert Hoffmann, George Rigaud, Riccardo Cucciolla, Edward G. Robinson, Janet Leigh, Adolfo Celi, Laufzeit : 120 Minuten

Der Film lief in der deutschen Kinofassung beim 6. Forumtreffen "Deliria Italiano" in Wien vom 03. bis 04.10.2015

weitere im Blog besprochene Filme von Giuliano Montaldo:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.