Inhalt: Der letzte Blick gilt noch seinen Schülern, die ihn
am Flughafen verabschieden, bevor sich der pensionierte Professor James Anders
(Edward G. Robinson) in das Flugzeug Richtung New York begibt. Ein Hubschrauber
bringt ihn nach Manhattan, von wo er mit dem Taxi zu einem großen Landhaus gebracht
wird, in dem sein alter Jugendfreund Mark Milford (Adolfo Celi) residiert, den
er seit mehr als 40 Jahren nicht mehr gesehen hat. Der Anlass seines Besuchs
ist rein professionell, denn Milford, ein landesweit bekannter Gangster-Boss, soll
ihm helfen, ein Team für einen raffinierten Diamanten-Raub zusammenzustellen –
eine Bitte, der dieser gerne nachkommt.
Mit den Kontaktdaten ausgerüstet trifft sich der Professor
erst mit dem Soldaten Erich Weiss (Klaus Kinski), der die Aktion leiten soll,
bevor er den Tresorknacker Gregg, den Techniker und Bastler Agostino Rossi
(Riccardo Cucciolla) sowie den Playboy Jean-Paul (Robert Hoffmann) aufsucht.
Sie Alle sollen gemeinsam nach seinen Plänen während des Karnevals in Rio de Janeiro
einen Tresor in einem streng bewachten Gebäude knacken und einen Koffer mit
Diamanten stehlen. Und zwar vollständig unbemerkt, da der Diebstahl erst nach
dem Wochenende entdeckt werden darf, um den Beteiligten die Flucht aus dem Land
zu ermöglichen – ein schweres Unterfangen…
Es gibt Filme, die lassen schon in den ersten, scheinbar
harmlosen Momenten spüren, dass es unter ihrer Oberfläche brodelt - und dass
sich Abgründe unter der sorgfältig gepflegten bürgerlichen Fassade verbergen.
Dem ließe sich entgegnen, dass es sich bei den sogenannten "Heist-Movies“,
die aus dem Blickwinkel der Täter einen groß angelegten Diebstahl schildern,
grundsätzlich um eine zwiespältige Angelegenheit handelt. Das Publikum wird
emotional auf die Seite von Räubern gezogen, deren Aufgabe es ist, unbemerkt
von der Öffentlichkeit ihren Coup durchzuziehen. Im Idealfall ist nicht nur das
Objekt der Begierde verschwunden, sondern fehlt jede Information über die
Täter. Während das Verbrechen geschah, blieb die äußerliche Normalität gewahrt.
Seitdem Jules Dassin 1955 in „Du rififi chez les hommes“
(Rififi) einen solchen Raub in minutiöser Perfektion auf die Leinwand brachte,
erfreut sich das Genre gleichbleibender Beliebtheit, wurde er für Mario
Monicelli in „I soliti ignoti“ (Diebe haben’s schwer, 1958) zum Vorbild
seiner prägenden Gauner-Komödie, sorgte für Amüsement im futuristisch
angehauchten „Sette uomini d'oro“ (Sieben goldenen Männer, 1965) und diente Jean-Pierre
Melville als Kulminationspunkt seiner Gangster-Ballade „Le cercle rouge“ (Vier
im roten Kreis, 1970). Bis zur jüngeren „Ocean“-Trilogie mit George Clooney als
Impresario einer Gruppe von Spezialisten oder der „Mission impossible“ Reihe, erfuhr
die Idee eines besonders raffinierten Einbruchs unter schwierigsten Bedingungen
wiederholte Variationen. Auch „Ad ogni costo“ (Top Job), der 1967 erfolgreich
in den deutschen Kinos lief, reiht sich darin ein und gilt im Gesamtwerk des dank
seiner gesellschaftskritischen Filme („Sacco e Vanzetti“ (Sacco und Vanzetti,
1971)) bekannten Regisseurs Giuliano Montaldo als Ausnahme.
Eine oberflächliche Betrachtungsweise, der Montaldo von
Beginn an in seiner Inszenierung widersprach. Leider wurden in der deutschen
Kinofassung die ersten 90 Sekunden gekürzt, in dem ein Schülerchor, angeleitet
von weiß gekleideten Nonnen, ihrem in Pension gehenden Lehrer Professor James
Anders (Edward G. Robinson) ein Abschiedsständchen gibt und ein großes „Danke“-Plakat
ausrollt. Ennio Morricone griff in seiner Titelmusik auf diese Kinderstimmen
zurück, verband sie mit lateinamerikanischen Rhythmen, Big-Band-Sound und einer
ins Melancholische abdriftenden Trompetenmelodie, die genau den Kontrast zwischen
seriösem Anschein und über Leichen gehender Egozentrik widerspiegelte, den
Montaldo in seinem Film bis zur letzten Konsequenz auslebte. Eine Intention, an
der schon der Originaltitel „Ad ogni costo“ (Auf eigene Kosten) keinen Zweifel
ließ, den die internationalen Filmtitel „Grand Slam“ oder „Top Job“ aber leider
zugunsten der reinen „Heist“-Thematik verwässerten.
Dabei könnte der Weg des Professors, der ihn zu seinem
Jugendfreund Mark Milford (Adolfo Celi) in die USA führt, widersprüchlicher kaum
sein. Erst die heile Welt der Schulkinder, dann das atemberaubende Panorama von
New York, bevor er an der Pforte einer mondänen Villa klingelt. Dort wird er in
die prächtig eingerichteten Räume eingelassen, gelangt in einen Konzertsaal, in
der eine Festgesellschaft klassischer Musik lauscht, zu der sich eine junge
Frau auf einer Bühne entkleidet. Von dort wird er in die hinteren, schwer
bewachten Räume eingelassen, in denen der Hausherr und bekannte Gangster-Boss Mark
Milford residiert. Der so seriös wirkende Professor bittet ihn um Hilfe bei der
Auswahl des geeigneten Personals für seinen geplanten Coup. Jahrzehntelang
hatte er aus dem gegenüber gelegenen Schulgebäude in Rio de Janeiro beobachtet,
wie unter immer gleichen Voraussetzungen eine Lieferung Diamanten gebracht und
in einem Tresor gesichert wurde. Entsprechend viel Zeit hatte er, um einen
sicheren Plan auszutüfteln, für den er nur noch die notwendigen Spezialisten
braucht.
Nach seiner Pensionierung will der Professor eine Ladung
Diamanten für sich, bereit jedem Banden-Mitglied eine Million Dollar bei Erfolg
auszuzahlen. Mehr erfährt der Betrachter nicht über seine Intention. Weder
beklagt er sein bisheriges Dasein, noch kritisiert er den Reichtum Anderer. Auch
über die Gesellschaft, die die Diamanten in Empfang nimmt, gibt es keine weiteren
Informationen. Damit unterscheidet sich „Ad ogni costo“ entscheidend von ähnlichen
Heist-Movies, auch von seinem Vorbild „Rififi“. Üblicherweise soll ein emotionaler
Hintergrund Sympathien für die Diebe erzeugen oder bei dem zu bestehlenden Opfer handelt es sich selbst um eine
kriminell agierende Persönlichkeit/Gesellschaft. Häufig auch beides, ebenso oft
verbunden mit einem humorvollen Unterton. Nichts davon existiert in „Ad ogni
costa“, der einzig die persönliche Bereicherung als Anlass gelten lässt.
Darin besteht auch die Intention für die vier Männer, die zwar zusammen
arbeiten, unter denen es aber über den Job hinaus keine Verbindung gibt. Die im
„Heist-Movie“ sonst fast zwangsläufige Buddy-Thematik wurde hier vollständig
ausgehebelt, weil der Ideengeber gar nicht an der eigentlichen Aktion
teilnimmt. Der Professor setzt als Stellvertreter den Soldaten Erich Weiss
(Klaus Kinski) ein, der für die Koordination der beiden Spezialisten Gregg (George
Rigaud) und Agostino Rossi (Riccardo Cucciolla) zuständig ist, die gemeinsam den
Tresor knacken sollen. Den vermeintlich leichtesten Job hat der Playboy Jean-Paul
(Robert Hofmann), der von der Sekretärin Mary Ann (Janet Leigh) für eine Stunde
den Schlüssel zum Tresorraum organisieren soll – eine Aufgabe, die sich aber
als die unberechenbarste herausstellt, da sich die wenig zugängliche Frau als
immun gegen den sonst so unwiderstehlichen Verführer erweist. Ernst wird er von
seinen Mitstreitern trotzdem nicht genommen. Im Gegenteil bestraft ihn Anführer
Weiss nur mit Verachtung – Solidarität innerhalb der Truppe gibt es nicht.
Diese Konstellation nahm der Story die Berechenbarkeit, die
neben den typischen unerwartet auftretenden Schwierigkeiten für eine stetig
steigende Spannungskurve sorgte. Dass der Betrachter trotz der auf jede
emotionale Schürung verzichtenden Story mit den Dieben mitfiebert, ist den vier
Hauptakteuren zu verdanken, die ihre bewusst eindimensional angelegten Rollen
mit Leben erfüllten. Kinskis Testosteron gesteuerter Aktionismus, Rigauds
Coolness auch in schwierigsten Situationen, Cucciollas heimliche Sehnsüchte (dem die Begegnung mit der hübschen Brasilianerin in der deutschen Fassung vollständig genommen wurde) und
Hoffmanns wachsende Verzweiflung in der Konfrontation mit der eiskalt wirkenden
Janet Leigh, ergeben einen heißen Tanz inmitten der vom Karneval aufgeputschten
Stadt, der vergessen lässt, dass hier alles nach einem perfiden Plan abläuft. So
wie sich die seriöse Fassade des Professors als brüchig erweist, verbarg „Ad
ogni costo“ die Abgründe des menschlichen Egoismus unter dem Deckmantel eines
Unterhaltungsfilms.
"Ad ogni costo" Italien, Deutschland, Spanien 1967, Regie: Giuliano Montaldo, Drehbuch: Mino Roli, Paolo Bianchini, Augusto Caminito, Marcello Fondato, Marcello, Coscia, José Antonio de la Loma, Darsteller : Klaus Kinski, Robert Hoffmann, George Rigaud, Riccardo Cucciolla, Edward G. Robinson, Janet Leigh, Adolfo Celi, Laufzeit : 120 Minuten
Der Film lief in der deutschen Kinofassung beim 6. Forumtreffen "Deliria Italiano" in Wien vom 03. bis 04.10.2015
Der Film lief in der deutschen Kinofassung beim 6. Forumtreffen "Deliria Italiano" in Wien vom 03. bis 04.10.2015
weitere im Blog besprochene Filme von Giuliano Montaldo:
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