Inhalt: Gerade erst in dem kleinen Nest angekommen, wird der
Goldsucher Johnny Dall (Ivan Rassimov) im Saloon unmissverständlich dazu
aufgefordert, an einer Poker-Partie teilzunehmen, bei der auch der
Kopfgeldjäger Stark (Giovanni Cianfriglia) mit am Tisch sitzt, während der
Sheriff im Hintergrund bleibt. Dall weiß nicht, dass sie ein abgekartetes Spiel
spielen, bei dem es am Ende nur einen Sieger gibt. Zwei der ahnungslosen
Mitspieler werden mit gefälschten Karten so gegenseitig aufgebracht, dass Einer
von ihnen im Duell stirbt, so dass sich Stark danach um den Überlebenden
kümmern kann – gegen eine satte Prämie, die der Sheriff spontan wegen Mordes
festlegt.
Dall gelingt es zwar, sich dank seiner Schießkünste den
Gangstern zu entziehen, aber Stark und seine Kumpanen bleiben ihm bei seiner
Flucht aus der Stadt auf den Fersen. Um seine Verfolger loszuwerden, trickst
Dall sie aus und kann sie überwältigen, wird aber selbst von einer Kugel
getroffen. Stark entkommt und er erreicht mit letzter Kraft eine Ranch, wo er auf
den Rancher McGowan (Adriano Micantoni) und dessen Kinder Sally (Isabella
Savona) und Tommy (Franco Cecconi) trifft, die ihn gesund pflegen. Bald schon
hat sich Dall auf der Ranch gut eingelebt, aber nicht nur von Stark, der ihm
Rache gedroht hatte, droht Unheil…
Nachdem Sergio Garrone in den Jahren zuvor drei
Italo-Western produziert hatte, an denen er zweimal auch als Drehbuchautor beteiligt
war, schien es nur folgerichtig, dass er selbst auch die Regie übernahm.
Allerdings nicht in eigener Produktion, sondern unter der Hoheit von Elsio
Mancuso, der wiederum die Filmmusik zu "Se vuoi vivere... spara!"
(Andere beten - Django schießt) schrieb. Beide wiederholten dieses Team-Work
beim folgenden "Tre croci per non morire" (1968) noch einmal, bevor
sich Mancuso ausschließlich auf die Filmkomposition konzentrierte, darunter
auch in weiteren Garrone-Filmen. Keine seltene Konstellation während des
damaligen Italo-Western-Hypes, dessen wirtschaftlich kalkulierbarer Erfolg offensichtlich
den selbst finanzierten Einstieg ins Filmgeschäft ermöglichte.
Verglichen mit seiner letzten Eigen-Produktion "Killer Kid" (Chamaco, 1967) standen Garrone als Regisseur aber geringere
Geldmittel zur Verfügung, denn die Locations beschränkten sich auf den Saloon und
die Schmiede eines wenig bevölkerten Orts, den trostlosen Schlupfwinkel einer
mexikanischen Gangster-Bande und eine einsam gelegene Ranch inmitten einer karg
wirkenden Umgebung, die ohne großartige Panorama-Bilder eingefangen wurde. Auch
Iwan Rassimov gehörte trotz zweier Einsätze als Revolverheld unter der Regie
von Edoardo Mulargia ("Cjamango" (Django - Kreuze im blutigen Sand,
1967)) damals nicht zur ersten Garde der Western-Darsteller, aber mit seinem
Bruder Riccardo, der schon in Sergio Garrones erster Produktion
"Dequeyo" (Für Dollars ins Jenseits, 1966) eine tragende Rolle
übernommen hatte, „Bösewicht“ Giovanni Cianfriglia und besonders „Killer Kid“- Kameramann
Sandro Mancori hatte er erfahrene Mitstreiter an Bord.
Der folgerichtige Einfluss von „Killer Kid“ auf "Se
vuoi vivere... spara!" (wörtlich: Wenn du leben willst…schieß!) wird
weniger an der von der Grundanlage her konventionellen Story deutlich, sondern mehr
an dem Willen zur Originalität, mit dem sich der „Späteinsteiger“ Garrone offensichtlich
vom Italo-Western-Einerlei abgrenzen wollte. Ähnlich wie in „Killer Kid“
entsprach die Charakterisierung des „Helden“ nicht der Erwartungshaltung an
einen klassischen Pistolero, die dank der deutschen Synchronisation noch
zusätzlich bestärkt wurde. Nicht nur, dass hier kein Django mitspielte, wie es
der deutsche Titel gewohnt werbewirksam suggerieren wollte, Johnny Dall (Ivan
Rassimov) überzeugt zudem mehr durch Emotionalität, denn durch zynische Sprüche
und gnadenlose Duelle. Abgesehen von einer der ersten Szenen, in der er sich
gegen die Machenschaften um den Kopfgeldjäger Stark (Giovanni Cianfriglia)
wehrt, spielen seine Schießkünste keine entscheidende Rolle. Verletzt kann er
sich auf eine Farm retten, wo er nicht nur vom Rancher (Adriano Micantoni) und
dessen jugendlicher Tochter Sally (Isabella Savona) wieder aufgepäppelt wird,
sondern schnell zum allseits geschätzten Mitarbeiter mutiert – eine wenig coole
Rolle, die Garrone noch mit ausführlichen Familienszenen unterstrich.
Als Co-Hauptdarsteller taucht früh Donovan (Riccardo
Garrone) auf, ein sehr auf sein Äußeres achtender Herrenreiter, dessen Rolle
lange im Ungewissen bleibt. Als er bei seiner Ankunft eine Decke über den Rücken
seines Pferdes legt, amüsiert das die umstehenden Cowboys noch, aber er
verschafft sich sofort Respekt, woran deutlich wird, dass von dem Mann noch
mehr zu erwarten ist. Aus der Kombination Donovan/Johnny Dall entsteht später
ein schlagkräftiges Duo mit vertauschten Rollen. Während der optisch dem Westernhelden
entsprechende Stark zwar voller Elan Rache üben will, nachdem die
Farmerfamilie, die ihn so freundlich aufgenommen hatte, niedergemetzelt wurde,
ist es der Frauenheld Donovan, der cool und überlegt vorgeht – und damit die
Position des Anführers übernimmt. Diese gegen das Western-Klischee geschürte Interpretation
eines Buddy-Movies wäre dem Betrachter leichter zu vermitteln gewesen, hätte
sich Garrone bei seinem ersten selbst verantworteten Western zwischen Komödie
und Drama entschieden.
Schon die Eingangssequenz vermittelt diesen uneinheitlichen,
für den gesamten Film signifikanten Eindruck. Während der dicke Sheriff nach
einem Glas Bier im Saloon vor sich hinschlummert, spitzt sich die Situation bei
einem Pokerspiel zu. Zwei Männer werfen sich gegenseitig Falschspiel vor. Es
kommt zu einem tödlichen Schusswechsel, worauf der Kopfgeldjäger Stark
seelenruhig zu dem Sheriff geht und ihn bittet, die Prämie für den Überlebenden
festzulegen – tot oder lebendig. Da sie in beiden Fällen gleich hoch ist,
braucht er nicht lange, um sich zu entscheiden. Geldverdienen leicht gemacht,
denn daran das Stark und seine Compagnons für die mehr als vier Asse selbst
zuständig waren, besteht kein Zweifel. Die Absurdität dieser Szene nimmt ihr trotz
des tödlichen Ausgangs für einen Unschuldigen - auch als sie sich kurz darauf mit
Johnny Dall als nächstes Opfer wiederholt - die Spannung, steht aber
beispielhaft für die Überraschungen, mit denen "Se vuoi vivere...
spara!" aufwarten kann.
Zwar gehörte die Story vom reichen Großgrundbesitzer, der
mit seinen skrupellosen Helfern die kleinen Rancher terrorisiert, um ihnen für
wenig Geld ihr Land abzukaufen, zum Standard-Repertoire des Italo-Western, aber
Garrone nutzte diesen oberflächlich bleibenden Handlungsrahmen nur dazu, eine
Vielzahl unterschiedlicher Szenen darunter zu vereinen. Wird der Beginn noch von
der Auseinandersetzung zwischen Stark und Dall geprägt, spielt dieser Konflikt
erst am Ende des Films wieder eine Rolle. Nach den Familienszenen und einer
angedeuteten Liebesgeschichte zwischen Dall und Farmerstochter Sally, steht
Donovan zunehmend im Mittelpunkt des Geschehens und Franco Cobianchi, auch als
Co-Autor und Regieassistent an der Entwicklung des Films beteiligt, darf
zwischendurch eine Kostprobe als mexikanischer Bandenchef im Fernando
Sancho-Modus geben. Der Charakter dieser Szenen wechselt zwischen ernsthaften
und komischen Momenten. Einmal findet Dall den erschossenen kleinen Sohn der
Farmersfamilie auf, dann befreit eine ehemalige Geliebte Donovans das Duo aus
den gar nicht so harten Fängen der mexikanischen Banditen, die er danach nicht
mehr los wird. Wann endete ein Italo-Western damit, dass der Held am Ende
fluchtartig vor einer Frau davon reitet?
In einer Phase, Anfang 1968, in der die Italo-Western
zunehmend begannen, nur noch die eigenen Insignien zu wiederholen und das
Gewalt-Level weiter anzuziehen, gehörte "Se vuoi vivere... spara!" zu
den frühen Beispielen, die dem Genre auch komische Seiten abrangen – ein Trend,
der sich verstärken sollte. Doch verglichen mit ähnlich konzipierten Western
wie „Sugar Colt“ (1966) oder „Arizona Colt“ (1966), die trotz ironischer Brüche
keinen Zweifel an dem grundsätzlich dramatischen Geschehen aufkommen ließen,
wirkt der Humor hier deftiger und zwischen ernsten Szenen punktueller gesetzt.
Garrone persiflierte das Genre sogar direkt. Im Stall des deutsch-stämmigen Schmieds,
der in der Originalfassung ein wunderbares Italienisch mit eingestreutem
deutschen Vokabular spricht, tragen die einzelnen Pferde-Koppeln die Namen
bekannter Western-Helden wie "Django", "Ringo" oder Garrones eigene Kreation "Killer
Kid". Man spürt regelrecht das Augenzwinkern des Regisseurs – eine Sichtweise,
die der Betrachtung des Films insgesamt sehr entgegen kommt.
"Se vuoi vivere...spara!" Italien 1968, Regie: Sergio Garrone, Drehbuch: Sergio Garrone, Franco Cobianchi, Darsteller : Ivan Rassimov, Giovanni Cianfriglia, Riccardo Garrone, Isabella Savona, Franco Cobianchi, Laufzeit : 97 Minuten
"La colomba non deve volare" (1970)
weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Garrone:
"La colomba non deve volare" (1970)
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