Inhalt: Aufgeregt kann sich Professore Paolino (Totò) kaum
auf seinen Unterricht konzentrieren, denn er erhielt eine Nachricht von Assunta
Perella (Viviane Romance), dass sie ihn dringend treffen müsste. Sie ist nicht
nur die Mutter eines seiner Schüler, sondern auch seine heimliche Geliebte, was
der sehr korrekte Lehrer vor der Öffentlichkeit in dem kleinen Küstenort zu
verbergen weiß. Entsprechend ist es ein Schock für ihn, dass sie im dritten Monat
schwanger ist. Zudem steht unmittelbar die Ankunft ihres Ehemanns bevor,
Kapitän Perella (Orson Welles), der sich für einen seiner seltenen Besuche
angesagt hat.
Nur kurz weiß Paolini nicht weiter, bald schon beginnt er,
sich einen Plan zurechtzulegen. Sein erster Besuch gilt dem Doktor (Mario
Castellani), dem er unter einem Vorwand die Information abringt, dass es noch
nicht zu spät ist, dem Kapitän die Schwangerschaft unterzuschieben, vorausgesetzt
er verbringt eine Nacht mit seiner Ehefrau. Das klingt leichter, als gedacht,
denn das Ehepaar hat sich entfremdet und der Kapitän zeigt wenig Interesse an
seiner Ehefrau. Doch Paolini hat auch dafür vorgesorgt…
Der Mann... |
Die Idee, den Namen des Hauptdarstellers "Totò" im
Titel zu verwenden, obwohl er im Film fiktive, meist mit eigenständigen Namen
versehene Rollen spielte, bedeutete Fluch und Segen zugleich. Dank Totòs
enormer Popularität ab den 40er Jahren bis zu seinem Tod 1967 in Italien,
garantierten seine Filme verlässliche Qualität für seine Anhänger - einen noch
im Geist der "Commedia dell'arte" geschulten neapolitanischen
Komiker, der unverwechselbar grimassierend und gestikulierend gegen alle
Widrigkeiten des Lebens antrat. Für seine Kritiker verkörperte er dagegen immer
den gleichen Typus, begleitet von einer wenig variierten komödiantischen
Handlung. Dass Totò in seinem Spiel die Nuancen zwischen Tragik und Komik genau
auslotete, wurde erst nach seinem Tod erkannt, ebenso wie die Bedeutung von
Filmen wie "Totò cerca casa" (1950) oder "Guardie e ladri"
(Räuber und Gendarm, 1951) für die Entwicklung vom Neorealismus zur "Commedia
all'italiana".
...das Biest... |
Auch Steno nutzte in seinen frühen gemeinsam mit Mario
Monicelli gedrehten Filmen mehrfach Totòs werbewirksamen Namen - nach
"Totò cerca casa" folgte noch "Totò e i re di Roma" (Totò
und der König von Rom, 1951) und "Totò e le donne" (Totò und die
Frauen, 1952). Seinen ersten allein verantworteten, zudem erstmals in Ferraniacolor
gedrehten Film nannte Steno einfachhalber gleich "Totò a colori"
(Totò in Farbe, 1952) und schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe. Nur über
die Handlungsinhalte sagte der Titel nichts aus. Sein zweiter Film ohne Mario
Monicelli, der diesmal auch nicht als Drehbuchautor beteiligt war, verwendete
hingegen den originalen Namen der literarischen Vorlage „L'uomo, la bestia e la
virtù“ (Der Mann, das Biest und die Tugend). Gemeinsam mit seinem
Regie-Assistenten Lucio Fulci, der erstmals auch am Drehbuch mitwirkte, und dem
früh 1954 verstorbenen Schriftsteller Vitaliano Brancati schuf Steno eine
Adaption des Theaterstücks von Luigi Pirandello, einem der bedeutendsten
italienischen Literaten, für die Leinwand.
...und die Tugend |
Brancati als Co-Autoren hinzuziehen war eine intelligente
Wahl, denn nach dem 2.Weltkrieg hatte dieser sich spezifisch mit dem männlichen
Sexualverhalten auseinander gesetzt – sein 1949 erschienener Roman „Il
bell’Antonio“ (Bel Antonio) über einen von Rom heimkehrenden Sizilianer wurde
nach einer Drehbuchfassung von Pier Paolo Pasolini 1960 von Mauro Bolognini mit
Marcello Mastroianni in der Titelrolle verfilmt. Doch es half nicht. Die Erben
des 1934 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichneten Luigi Pirandello
bemängelten nicht nur diverse Änderungen gegenüber der Vorlage, sondern besonders
die Besetzung von Totò in der Hauptrolle des „L’uomo“. Seine Mitwirkung galt für
sie als „Majestätsbeleidigung“, was enorme Folgen für Stenos Film nach sich zog.
Er blieb 40 Jahre verschollen, bevor er 1993 erstmals wieder im italienischen
TV gezeigt wurde – in Schwarz/Weiß, denn die in Gevacolor gedrehte Farbfassung steht
nach wie vor nicht zur Verfügung.
Aus heutiger Sicht wirkt diese Reaktion in mehrfacher
Hinsicht unangemessen. Nicht nur, dass Totò als Darsteller inzwischen auch vom
seriösen Feuilleton rehabilitiert wurde, er wurde von Steno ideal besetzt in
der Rolle eines Kleinstadt-Lehrers, der mit einer verheirateten Frau, Mutter
eines seiner Schüler, ein Verhältnis hat, gleichzeitig aber größtmöglichen Wert
auf eine tugendhafte Außendarstellung legt. Häufig spiegelte Totò in seinen
Rollen die verlogene bürgerliche Moral, entstand sein Humor aus dem teilweise
aberwitzigen Widerspruch zwischen Schein und Sein. Mit burlesken Übertreibungen
und augenrollenden cholerischen Anfällen karikierte er gleichzeitig seine
Figuren und nahm ihnen damit die negative Attitüde – ein Grund dafür, warum er trotz
der wenig verklausulierten Kritik an der bürgerlichen Doppelmoral ein großes
Publikum erreichte. Das galt auch für seine Rolle in „L'uomo, la bestia e la
virtù“. Als „Professore“ setzt er einerseits alle Hebel in Bewegung, um
möglichen Schaden von sich fernzuhalten, nachdem er erfahren hatte, dass seine
Geliebte Assunta (Viviane Romance) im dritten Monat schwanger ist, andererseits
nutzte Totò die Konfrontation mit seinen Schülern, dem Doktor (Mario
Castellani) oder dem Apotheker zu witzigen, sketchartigen Szenen.
Wahrscheinlich empfanden die Erben des Autoren Pirandello diese
in schönster Komödien-Tradition entworfene Konstellation als Abschwächung der
ursprünglichen Intention. Auch die Ausgangssituation des Films wurde von Steno gegenüber
dem Theaterstück inhaltlich zwar nur leicht, von der Aussagekraft her aber maßgeblich
geändert. In der vom Autor so genannten „Lehrfabel in drei Akten“, die an
„irgendeinem Ort am Meer, egal wo, heute“ spielt, wissen die Beteiligten voneinander.
Kapitän Perella verbringt seine Zeit lieber bei der Geliebten in Neapel,
während sich der allein stehende Professor um dessen zurückgelassene Ehefrau kümmert.
Ein funktionierendes Arrangement, wäre Assunta nicht plötzlich schwanger
geworden. Dass der Professor alles versucht, dem nach einem halben Jahr für
einen kurzen Besuch heimkehrenden Kapitän das Kind unterzujubeln, betont dessen
Verlogenheit noch. Er geht so weit, dass er seine Geliebte gegen deren Willen
verführerisch einkleidet und ihrem desinteressierten Mann heimlich ein
Aphrodisiakum verabreicht, das er sich zuvor in der Apotheke besorgte. In der
Hoffnung, dass sie die Nacht zusammen verbringen – nur um weiterhin nach Außen
den Schein zu wahren.
In der Filmversion wählt der Lehrer eine ähnliche
Vorgehensweise, aber dass der Kapitän (Orson Welles) eine Geliebte hat, weiß
weder er, noch dessen Frau – auch der Betrachter erfährt es erst spät. Das
nimmt seinem Verhalten die Schärfe, denn seine Angst vor dem gehörnten Ehemann
ist durchaus verständlich. Nicht zufällig spielte Orson Welles die Rolle des
Kapitäns im polternden „Othello“-Modus – erst kurz zuvor hatte er seine
Interpretation des Shakespeare-Stücks („The Tragedy of Othello: The Moor of
Venice“, 1952) fertig gestellt. In „L'uomo,
la bestia e la virtù“ wird aber nicht er zur tragischen Figur, sondern der eifrig
auf den Erhalt der Moral erpichte Lehrer. Dessen „Verkuppelung“ des
entfremdeten Ehepaars erweist sich erfolgreicher als geplant und lässt den
stets korrekt gekleideten „Mann“ als Verlierer zurück. Das „Biest“ erweist
sich dagegen trotz des furchterregenden Äußeren als friedlicher Zeitgenosse. Das
entsprach Pirandellos Intention, denn die drei im Titel genannten Figuren standen
stellvertretend für die Masken, hinter denen sich die wahre Natur des Menschen verbirgt.
Der Vorwurf der Erben, der Film hätte die kritische Aussage
des Theaterstücks abgeschwächt, ist nicht von der Hand zu weisen, greift aber
zu kurz. Zwar kommt der „Professore“ in Stenos Film besser weg, aber die große
Identifikation des Publikums mit Totò ermöglichte eine wirksame Unterwanderung
gängiger Vorurteile – ein Markenzeichen der „Commedia all’italiana“, deren beißende
Kritik an bestehenden Verhältnissen sich unter der Oberfläche einer komödiantischen
Handlung verbarg. Wenn der enttäuschte Lehrer sich am Ende von der
Orts-Prostituierten Trost zusprechen lässt, wird diese doppelte Dimension
sichtbar.
"L'uomo, la bestia e la virtù" Italien 1953, Regie: Steno, Drehbuch: Steno, Lucio Fulci, Jean Josipovici, Vitaliano Brancati, Luigi Pirandello (Drama), Darsteller : Totò, Orson Welles, Viviane Romance, Mario Castellani, Carlo Delle Piane, Laufzeit : 87 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Steno:
"Totò a colori" (1952)
"Un Americano a Roma" (1954)
"Le avventure di Giacomo Casanova" (1955)
"Guardia, ladro e cameriera" (1958)
"Letti sbagliati" (1965)
"La polizia ringrazia" (1972)
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