Inhalt: Carloni (Gino Rossi) wird zu seinem Chef
gerufen, um einen neuen Auftrag entgegen zu nehmen. Der Detektiv soll für den reichen Fabrikanten Fontana (Frederico Sarmi) mehr über dessen Ehefrau
Paola (Lucia Bosè) in Erfahrung bringen. Fontana hatte die deutlich jüngere
Frau in den letzten Kriegsjahren geheiratet, weiß aber wenig über deren
Vergangenheit, in der er Männergeschichten vermutet. Carloni fährt in Paolas
Heimatstadt, wo sie unter einfachen bürgerlichen Bedingungen aufgewachsen ist,
stößt bei seinen Nachforschungen aber auf Misstrauen.
Paola, die dank Fontana in luxuriösen Verhältnissen
lebt, erfährt davon, ohne zu ahnen, dass ihr eifersüchtiger Mann dahinter
steckt. Aus Angst, die Polizei
untersucht den Tod einer damaligen Freundin, nimmt sie wieder Kontakt zu
Guido (Massimo Girotti) auf, mit dem sie damals eine heimliche Liebesbeziehung
hatte. Dessen Verlobte war in einen Aufzugschacht gefallen, ohne dass ihr Guido
und sie zu Hilfe gekommen wären. Seitdem plagt sie das schlechte Gewissen,
weshalb sie sich vor vielen Jahren von Guido trennte, aber als sich wieder
begegnen, erwachen ihre Gefühle füreinander erneut…
Michelangelo Antonioni war eng an der Erneuerung des
italienischen Films in den 40er Jahren beteiligt. Er schrieb an den Drehbüchern
zu Roberto Rossellinis Frühwerk "Un pilota ritorna" (1942) und zu
Giuseppe De Santis' "Caccia tragica" (Die tragische Jagd, 1947).
Zudem dokumentierte er in "Gente del Po" (1943) früh die armseligen
Lebensbedingungen der am Po lebenden Menschen – ein Kurzfilm, dem er noch
weitere spezifische Einblicke in die italienische Realität folgen ließ („Sette canne, un vestito“ (1950)). Trotzdem wird sein Name nie im direkten
Zusammenhang mit dem Neorealismus genannt, der sinnbildlich für die Modernisierung
des italienischen Kinos steht. Im Gegenteil. Sein erster Langfilm "Cronaca
di un amore" (Chronik einer Liebe, 1950) wurde heftig dafür kritisiert,
dass seine Story innerhalb der reichen Gesellschaftsschicht spielte – neben der
großzügigen Stadtwohnung des Fabrikanten Fontana (Frederico Sarmi) standen
Modesalons, Edel-Restaurants oder die Probefahrt mit einem Maserati für den
Hintergrund einer Handlung, die sich scheinbar den Befindlichkeiten einer
winzigen Elite widmete.
Damit wurde „Cronaca di un amore“ stilbildend für das weitere Werk
Antonionis, dessen Filme nur selten („Il grido“ (Der Schrei, 1957)) innerhalb
prekärer Lebensverhältnisse angesiedelt waren. Trotzdem ist es nicht nur
falsch, diesem die gesellschaftskritische Relevanz abzusprechen, auch die darin
enthaltenen Parallelen zum Neorealismus sind offensichtlich - beginnend mit Massimo Girotti in der
männlichen Hauptrolle, der seit Viscontis „Ossessione“ (Besessenheit, 1942) zu
einem führenden Darsteller des Neorealismus aufgestiegen war und mit Rossellini
(„Desiderio“ 1946, „Amore“ 1948), De Santis („Caccia tragica“), Pietro Germi
(„Juventù perduta“ (Jugend verboten, 1947), „In nome della legge“ (Im Namen des
Gesetzes,1949) und Luigi Zampa („Anni difficile“, 1948) zusammenarbeitete. Eine
Besetzung, die Antonionis Orientierung an „Ossessione“, der als erster
neorealistischer Film gilt, noch betonte.
Die von ihm erdachte Figur des am Existenzminimum lebenden
Autoverkäufern Guido (Massimo Girotti) ähnelt dem arbeitslosen Herumtreiber in
Viscontis Film sowohl hinsichtlich dessen Liebesbeziehung zu einer Frau aus
wohlhabenderen Verhältnissen, als auch im später gemeinsam gefassten Plan,
ihren Gatten zu ermorden. Zwar spielte die Story in „Ossessione“ , basierend
auf dem Roman „When the postman rings twice“ (Wenn der Postmann zweimal
klingelt), auf tieferen sozialen Ebenen, aber in beiden Filmen wird die
materielle Diskrepanz zwischen den Liebenden zum Auslöser des Mordplans – die
zwei Frauen wollen jeweils den Mann, ohne ihre gesicherte gesellschaftliche Stellung
zu verlieren. Mit seiner klar komponierten, die allgemeine Tristesse betonenden
Bildsprache sowie der artifiziellen musikalischen Begleitung durch ein
Saxophon/Klavier-Duo grenzte sich Antonioni stilistisch deutlich gegenüber
Viscontis grobkörniger Wiedergabe einfacher Lebensverhältnisse ab, aber das
Vorbild blieb jederzeit sichtbar.
Auch in „Cronaca di un amore“ stammt die weibliche
Hauptfigur ursprünglich aus der selben sozialen Schicht wie ihr Liebhaber, was
der Film im Stil einer Kriminalstory aufdecken lässt, die Antonionis Einfluss
durch das US-Kino verdeutlicht. Fontana beauftragt eine Detektei, die
Vergangenheit seiner schönen jungen Frau Paola (Lucia Bosé), von der er nach
sieben Jahren Ehe kaum etwas weiß, zu untersuchen. Die Wege des Detektivs
Carloni (Gino Rossi) in Paolas Kindheit und Jugend führen ihn in einfache
bürgerliche Verhältnisse, der alles Prätentiöse fehlt, wie es Paola inzwischen
ganz selbstverständlich lebt. Bosé, die 1947 zur ersten „Miss Italia“ nach dem
Krieg gewählt wurde, verkörperte einen für die Entstehungszeit sehr
selbstbewussten Frauentyp. Ob sie Antonioni lässig rauchend, am Steuer ihres
Autos oder im Bett mit Guido zeigt – nur wenige Frauen besaßen diesen Freiraum,
den Paola ausschließlich der materiellen Sicherheit ihres Mannes verdankt.
Darauf zu verzichten ist sie nicht bereit, weshalb sie Guido dazu überredet,
ihn zu töten.
Schon die Gegenüberstellung von „Chronik“ und „Liebe“ im
Filmtitel verweist auf Antonionis wenig emotionale Interpretation großer
Gefühle - ebenfalls stilbildend für sein späteres Werk, das den egoistischen
Missbrauch von Liebe, verbunden mit der Unfähigkeit zu Nähe, wiederholt
thematisierte. Damit kehrte er Viscontis Ansatz um, der die Liebe zwischen den
beiden Protagonisten als Strudel inszenierte, der sie wie Ertrinkende
aneinander band. Solche Emotionen existieren in „Cronaca di un amore“ nicht,
dessen dramatische Entwicklungen entsprechend wenig Tragik vermitteln. Im
Gegenteil bringt erst das Misstrauen des Ehemanns die Ereignisse im Stil einer
selbsterfüllenden Prophezeiung in Gang. Paola und Guido hatten sich seit vielen
Jahren nicht mehr gesehen, nachdem seine damalige Verlobte tödlich verunglückt
war. An deren Unfalltod gaben sich die heimlich Liebenden eine Mitschuld, die
sie auseinandertrieb. Erst die Nachforschungen des Detektivs – sie glauben, er
will die damaligen Vorfälle untersuchen – bringt sie wieder zueinander.
In „Ossessione“ standen die überbordenden Gefühle
sinnbildlich für die verzweifelte Situation der in Armut lebenden Menschen,
wurden die tragischen Folgen zur Anklage gegen eine von der
Mussolini-Administration verheimlichte Realität - eine Sichtweise, die von der
Hoffnung auf Veränderung motiviert war, wie sie typisch für die frühen
neorealistischen Werke wurde. Von diesem unterschwelligen Optimismus ist in
Antonionis „Cronaca di un amore“ nichts mehr zu spüren. Selbst in ihren wenigen
innigen Momenten wirken die Liebenden verhalten, veranschaulichte Antonioni
ihre innere Leere durch weite, gleichförmige und unbelebte Räume. Entsprechend
bedurfte es keines Mords für das Scheitern ihrer Liebe, dessen echte
Konsequenzen angesichts der oberflächlichen Schwüre und Versprechungen viel zu
extrem gewesen wären. Antonioni unterschied darin nicht zwischen arm und reich,
sondern nutzte die Abwesenheit jeder klassenkämpferischen Parole für die
Herausarbeitung einer Sozialisation, deren realistische Analyse ihre Gültigkeit
bis heute nicht verloren hat.
weitere im Blog besprochene Filme von Michelangelo Antonioni:
"Gente del Po" (1943)
"Superstizione" (1949)
"Sette canne, un vestito" (1949)
"I vinti" (1952)
"L'amore in città" (1953)
"Il grido" (1957)
"L'avventura" (1960)
"La notte" (1961)
"L'eclisse" (1962)
"Il deserto rosso" (1964)
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