Inhalt: Pina Fantozzi (Liù Bosisio) ruft unterwürfig
bei der Firma ihres Mannes an, die über einen respektheischend langen Namen
verfügt. Sie formuliert vorsichtig, dass sie sich langsam Sorgen um ihren Mann
Ugo (Paolo Villaggio) macht, der seit 18 Tagen nicht mehr nach Hause gekommen
wäre – eine Mitteilung, die in dessen Firma eine routinemäßige Vorgehensweise
auslöst. Ein Spezialist für das Auffinden vermisster Mitarbeiter nimmt
Fantozzis Geruch an dessen Schal auf, den sie in dessen Spind finden. Dort entdecken
sie auch seine Stempelkarte, was beweist, dass er sich innerhalb des Gebäudes
befinden muss.
Tatsächlich wird der Spezialist schnell fündig und entdeckt ihn hinter
der Abmauerung eines alten Toilettentracks, den die Firma vor 18 Tagen
vorgesehen hatte. Fontazzi beklagt einen leichten Hunger, aber seine Kollegen
nehmen keine Notiz von seinem Auftauchen, sondern sind intensiv mit ihrem
„Schiffeversenken“ Spiel beschäftigt. Nur Signorina Silvani (Anna Mazzamauro), in die Fontazzi seit sieben Jahren heimlich verliebt
ist, nutzt seine Anwesenheit, ihm weitere Akten auf seinen überfüllten Tisch zu
türmen…
Obwohl der
deutsche Verleih mit dem Titel "Das größte Rindvieh weit und breit"
versuchte, auch mit "Fantozzi" auf die Mitte der 70er Jahre nach Deutschland
schwappende Sexfilm/Klamaukwelle aus Italien aufzuspringen, misslang dieses
Unterfangen, denn während es der Film in Italien zu neun Fortsetzungen in mehr
als 20 Jahren brachte - immer mit Paolo Villaggio in der Rolle des Ugo Fontazzi
- kam nicht einmal die erste noch von Regisseur Luciano Salce verantwortete
Fortsetzung "Il secondo tragico Fantozzi" (1976) in die deutschen
Kinos. Oder zumindest auf Video heraus wie Ende der 70er Jahre diverse italienische Sex-Klamotten (darunter
"L'insegnante" (Die Bumsköpfe, 1975), die in Deutschland zu unrecht das heute vorherrschende Image über die italienische Komödie prägten. Es überrascht vordergründig, dass die absurden,
slapstickhaften oder schlicht blöden Erlebnisse des kleinen Angestellten Ugo
Fontazzi außerhalb Italiens keine Anhänger fanden.
Tatsächlich
wird besonders an den ersten beiden "Fantozzi"- Filmen der feine
Unterschied zwischen der "Commedia all'italiana" zu den immer oberflächlicheren Sex-Komödien dieser Zeit deutlich. Während diese ausschließlich der Unterhaltung dienten, besaß die klassische italienische Komödie ein
genaues Gespür für die Realität, die sie zwar in verzerrter Form wiedergab,
dabei hinter dem witzigen Treiben immer auch die Tragik vermittelnd, mit der sie
die gezeigten Verhältnisse letztlich kritisch beleuchtete. Die Entwicklungslinie
von "Guardie e ladri" (Räuber und Gendarm, 1951) über "I soliti ignoti" (Auch Diebe haben es schwer, 1958), der heute als erster
signifikanter Vertreter der "Commedia all'italiana" gilt, bis zu
"Fantozzi" lässt sich entsprechend leicht herstellen. Regisseur Luciano Salce gehörte nicht nur früh seit "Il federale" (Zwei in einem
Stiefel, 1961) zu einem wichtigen Vertreter des Genres, sondern prägte mit "La voglia matta" (Lockende Unschuld, 1962) entscheidend die erotische Variante, die sich zur "Commedia sexy all'italiana" weiter entwickeln sollte.
In den 60er Jahren beteiligte sich Salce auch intensiv am Episodenfilm ("Alta infedeltà", 1964), der ihn mit einer Vielzahl an Kollegen zusammenbrachte, darunter mit Mario Monicelli der neben Steno prägende Regisseur der "Commedia all'italiana". Dessen 1966 erschienener Film
„L'armata Brancaleone“ (Die unglaublichen Abenteuer des hochwohllöblichen
Ritters Branca Leone) zeichnete sich wie „Fantozzi“ durch einen Humor aus, der sich ohne genaue Sprachkenntnisse und das Wissen über landestypische Eigenheiten nicht vollständig erschließt, weshalb sein Bekanntheitsgrad außerhalb Italiens beschränkt blieb. An der
Fortsetzung „Brancaleone alle crociate“ (Brancaleone auf Kreuzzug ins heilige
Land, 1970), die stark gekürzt in die deutschen Kinos kam, war auch der Komiker
Paolo Villaggio in einer seiner ersten Rollen beteiligt. Nur wenig später schrieb
er sich in zwei Romanen die Figur des „Ugo Fantozzi“ auf den eigenen Leib und gelangte durch deren Verkörperung auf der Kinoleinwand in Italien zu großer
Popularität. Aus dem Blickwinkel eines kleinen, unauffälligen
Angestellten schildert Villagio dessen verbissen geführten, ständig
scheiternden Kampf gegen die Widrigkeiten des Lebens, wobei ihm tiefe Einblicke
in den italienischen Alltag gelangen. Trotz der humorvollen Inszenierung und
Fantozzis Unverwüstlichkeit, lässt der Film die Ignoranz und den Egoismus einer
Sozialisation deutlich werden, in der nur der Erfolgreiche etwas gilt –
unabhängig davon, ob gerechtfertigt oder nicht - eine bis heute unveränderte
Situation, die hier an spezifisch italienischen Eigenarten durchgespielt wurde.
Villaggio
wählte eine episodenhafte Erzählweise, die zwar unterschiedliche Aspekte des
Arbeits- und Privatlebens in sich abgeschlossen behandelt, dabei aber eine Art
geistiger Klammer verwendend – auch dank der ironischen Überleitungen aus dem
Off – die dem Film einen zusammenhängenden Charakter verlieh. Für die gesamte
Handlung bestimmend bleiben Fantozzis vergebliche Annäherungsversuche an seine
Kollegin Signorina Silvani (Anna
Mazzamauro), womit der Film die Idealisierung des „kleinen Mannes“ vermeidet,
der zuerst immer auch ein Mann ist. Obwohl Fantozzis Stellenwert auf unterster
Ebene angesiedelt ist, wie schon die erste Szene des Films verdeutlicht, in der
ihn seine Frau Pina (Liù Bosisio) erst nach 18 Tagen als vermisst meldet
(seiner Firma war seine Abwesenheit noch nicht aufgefallen), will er Signorina
Silvani, immerhin schon zum zweiten Mal zur „Miss“ der 40. Etage gewählt,
erobern. Anna Mazzamauro, die diese Rolle sieben weitere Male verkörpern
sollte, ist in ihrer spitznasigen Dünnheit nicht unbedingt ein Schönheitsideal,
weiß aber ihre Wirkung geschickt einzusetzen, weshalb sie Fantozzi immer gerade
so viel entgegen kommt, dass er den Mut nicht ganz verliert.
Auch wenn Fantozzi in allen Situationen eine komische Figur abgibt und viele
Niederlagen einstecken muss, vermied es der Film, ihn vollkommen der
Lächerlichkeit preiszugeben. Zwar fällt es ihm selbst schwer, seine Tochter
Mariangela (Plinio Fernando) zu küssen, die mehr wie ein Äffchen aussieht, aber
als sich die Chefs seiner Firma bei einer Weihnachtsgratifikation über ihr
Aussehen lustig machen und sie damit zum Weinen bringen, schreitet er vehement
ein. Zunehmend wird deutlich, dass es nicht Fantozzi ist, um den es hier
wirklich geht, sondern um seine Umgebung, die angesichts seiner wenig
ernstzunehmenden Figur ganz aus sich herausgeht und damit die Mechanismen der
italienischen Gesellschaft demaskiert. Auch darüber hinaus spart der Film nicht mit bösen Seitenhieben - etwa als Fantozzi in ein Gefängnis gesperrt wird, um eine medizinisch
betreute Diät zu machen, und das Personal deutsch spricht. Irgendwann reicht
es Fantozzi und ihm wird klar, dass er nur ausgenutzt und hintergangen wird. Er
lässt sich zu dem Einzigen noch größeren Außenseiter in der riesigen Firma
versetzen – einem Kommunisten, der an einem abgelegenen Ort im Keller sein Dasein
hinter Aktenbergen fristet.
"Fantozzi" Italien 1975, Regie: Luciano Salce, Drehbuch: Luciano Salce, Leonardo Benvenuti, Piero De Benardi, Paolo Villaggio (Roman), Darsteller : Paolo Villaggio, Anna Mazzamauro, Liù Bosisio, Plinio Fernando, Nello Pazzafini, Laufzeit : 103 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Luciano Salce:
1 Kommentar:
Danke für diesen Filmtipp und den sehr gelungenen Text! Werde mir den Streifen zur Ansicht mal vormerken.
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