Das ändert
sich überraschend, als er sie zu einer Kur begleitet. Bei der ärztlichen
Untersuchung sieht er erstmals ihre Brüste und als er die positive Reaktion
anderer Männer auf ihr Aussehen mit bekommt, erfährt er erstmals als ihr
Ehemann Anerkennung, denn einer der Männer gibt ihm Feuer. Das facht seinen
Ehrgeiz an, aber Costanza reagiert abweisend auf seine plötzlichen sexuellen
Bedürfnisse…
Als
"Il merlo maschio" (Das nackte Cello) Anfang der 70er Jahre herauskam, besaß die "Commedia all'italiana" nicht nur schon eine zwei Jahrzehnte lang anhaltende Tradition, sondern waren in den 60er Jahren vermehrt sexuell orientierte Komödien entstanden, die sich unter dem Begriff "Commedia sexy all'italiana" Ende der 60er Jahre zu einem eigenen Genre-Zweig entwickelten. Die
gesellschaftlichen Veränderungen hatten mit dieser medialen Entwicklung nicht
Schritt gehalten - im italienischen Alltag ging es nach wie vor sehr konservativ zu. Besonders auf Regisseur und Drehbuchautor Pasquale Festa Campanile, prägend für das Genre, gehen eine Vielzahl dieser zunehmend erotisch provokanten Filme zurück - eine Konfrontation von Tradition und Sexualität, die er in
"Il merlo maschio" ironisch
auf die Spitze trieb.
Laura
Antonelli - seit dem Drama "Le melizie di venere" (Venus im Pelz, 1969) das
Objekt der Begierde im italienischen Erotik-Film - besetzte er als
hochgeschlossene brave Hausfrau, deren körperliche Vorzüge erst nach einigen
Jahren von ihrem Ehemann entdeckt werden. Um gesellschaftliche Anerkennung zu
erlangen, beginnt er, sie nackt den voyeuristischen Blicken Fremder
auszusetzen, womit Campanile die Betrachter des Films gleich mit einbezog und
deren Erwartungshaltung an einen erotischen Film - zumal mit Laura Antonelli in
der weiblichen Hauptrolle - erfüllte. Dass das Streben des Ehemanns, immer
wildere erotische Fantasien zu befriedigen, ihn direkt in den Wahnsinn treiben sollte,
durfte durchaus im übertragenen Sinne verstanden werden.
Doch zurück
zu "Il merlo maschio", womit die Figur des Ehemanns in schöner
Doppeldeutigkeit benannt wird. Niccolo Vivaldi (Lando Buzzanca) hatte früher an
Vogelstimmen-Wettbewerben erfolglos teil genommen, dabei aber als Amsel
("maschio") das Herz der hübschen, aber etwas naiven Costanza (Laura
Antonelli) gewonnen, die ihn bald darauf heiratete. Das der Chauffeur ihres
Hochzeits-Autos ohne den frisch gebackenen Ehemann abfuhr, war allerdings
signifikant für das Leben des Cellisten, dessen Namen sein Dirigent auch nach
zehn Jahren Orchesterzugehörigkeit noch nicht kannte. Überall wird er übersehen
oder gar nicht erst wahrgenommen, was Niccolo Vivaldi zunehmend in Depressionen
verfallen lässt. Nur seine Frau hat Gefühle für ihn, die er aber nicht ernst
nimmt, bis er sie zu einer Kur begleitet, wo er zum ersten Mal bewusst ihre
körperlichen Vorzüge wahrnimmt. Als er hört, wie andere Männer bewundernd über
ihren Po und ihre Brüste sprechen, stört es ihn nicht, dass sie ihn als
hässlich bezeichnen, denn erstmals spürt er so etwas wie Anerkennung. Diese
Erfahrung lässt in ihm einen Plan reifen, der der zweiten Bedeutung von
"Il merlo maschio" alle Ehre macht - "männlicher
Einfaltspinsel".
Der heute kaum noch bekannte Lando
Buzzanco, der in den 60er Jahren zu einem der führenden Komödiendarsteller wurde und in der "Commedia sexy all'italiana" dieser Zeit fast omnipräsent war, glänzt hier als Verkörperung eines sympathischen Typen, der als Musiker
des Orchesters von Verona und geliebter Ehemann einer hübschen Frau glücklich
sein müsste, der stattdessen aber nur um die Anerkennung von unsympathischen
Männern ringt - sein arroganter herrschsüchtiger Dirigent, sein heimtückischer
Sitznachbar im Orchester und die Vielzahl an Männern, die nur an den
körperlichen Vorzüge von Frauen interessiert sind. Genau damit will er punkten,
nachdem ihm aufgefallen war, dass seine Frau höchste Bewunderung für ihren
runden Po und ihre wohlgeformten Brüste erhielt.
Um
Nacktfotos mit der Polaroid-Kamera zu machen, flösst er ihr Schlaftabletten ein
und drapiert sie in Posen, wie er sie aus den Sex-Heften vom Kiosk kennt. Als
sie am nächsten Tag die Fotos entdeckt, verlässt sie ihn erbost, kehrt aber
wieder zu ihm zurück, nachdem selbst ihre Eltern es ganz natürlich fanden, dass
ihr Mann sie nackt fotografieren wollte. Diese ahnten zwar nicht, was Niccolo
damit bezweckte, aber nachdem er es Costanza gebeichtet hatte, beginnt sie ihn
aus Liebe zu unterstützen und macht seine Spielchen mit, die sich ständig
steigern müssen, damit ihr Mann nicht in erneute Depressionen verfällt.
Pasquale
Festa Campanile treibt hier ein irrwitziges Spiel um den Voyeurismus, den er
einerseits mit wunderschönen erotischen Aufnahmen von Laura Antonelli befriedigt, ihn gleichzeitig
aber in seiner sich steigernden Spirale immer neuer Anreize kritisiert. Obwohl die Missachtung durch seine ignoranten Zeitgenossen und
sein verzweifelter Kampf um Anerkennung durchaus Mitgefühl für Nicolo erzeugen können, profitieren sowohl der Betrachter des Films, als auch die Männer im Film von dessen Obsession, die ihn schließlich in den Wahnsinn treibt. Noch in der Heilanstalt preist er gegenüber anderen Insassen die Qualität der Brüste seiner Frau. Vor lauter Hochgefühl steigt er zwitschernd wie eine Amsel auf einen Baum – letztlich doch ein
versöhnliches Ende für ihn.
"Il merlo maschio" Italien 1971, Regie: Pasquale Festa Campanile, Drehbuch: Pasquale Festa Campanile, Luciano Bianciardi, Darsteller : Lando Buzzanca, Laura Antonelli, Ferruccio De Ceresa, Luciano Bianciardi, Gino Cavalieri, Laufzeit : 105 Minutenweitere im
Blog besprochene Filme von Pasquale Festa Campanile:
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"Autostop rosso sangue" (1977)
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