Inhalt: Prag,
Anfang der 50er Jahre - Gerard (Yves Montand), stellvertretender Außenminister
der Tschechoslowakei und langjähriges Mitglied der kommunistischen Partei, der
während des Krieges im KZ Mauthausen inhaftiert war, beschwert sich, dass er
offensichtlich überwacht wird. Die Angelegenheit wird herunter gespielt, da
dieses zu seinem Schutz geschähe, aber schon wenige Tage später wird sein Auto
auf offener Straße gestoppt und Gerard in ein Auto gezerrt, mit dem er an einen
unbekannten Ort gebracht wird.
Auf die Frage, warum er hier Gefangen gehalten wird, bekommt er keine Antwort. Stattdessen wird er kontinuierlich psychisch und körperlich gefoltert - er darf sich nicht hinsetzen oder legen, sondern muss immer in seiner Zelle herum laufen, wenn er nicht zusammengeschlagen werden will. Und soll gestehen. Auf seine Gegenfrage, was er gestehen soll, erhält er nur die Antwort, dass er das schon wüsste. Langsam stellt sich heraus, dass er mit den USA kollaboriert haben soll und gegen die Richtlinien der kommunistischen Partei verstoßen hätte...
Auf die Frage, warum er hier Gefangen gehalten wird, bekommt er keine Antwort. Stattdessen wird er kontinuierlich psychisch und körperlich gefoltert - er darf sich nicht hinsetzen oder legen, sondern muss immer in seiner Zelle herum laufen, wenn er nicht zusammengeschlagen werden will. Und soll gestehen. Auf seine Gegenfrage, was er gestehen soll, erhält er nur die Antwort, dass er das schon wüsste. Langsam stellt sich heraus, dass er mit den USA kollaboriert haben soll und gegen die Richtlinien der kommunistischen Partei verstoßen hätte...
Als
Costa-Gavras "L'aveu" (La confessione / Das Geständnis) 1970 drehte,
lagen die darin geschilderten Ereignisse beinahe zwei Jahrzehnte zurück. Der im
Film gezeigte Prozess gegen führende Politiker der Kommunistischen Partei der
Tschechoslowakei orientierte sich am "Slánský"-Prozess von 1952 -
benannt nach dem langjährigen Generalsekretär Rudolf Slánský - der mit dem
Todesurteil von 12 der Angeklagten endete. Nicht zufällig basierte der Prozess auf
einem Vorwurf wegen Landesverrats, denn nach dem Ende des 2.Weltkriegs und dem
Beginn des "Kalten Krieges" hatten sich die Vorzeichen geändert. Der
us-amerikanische Kommunist Noel Field wurde vom russischen Geheimdienst 1949
als angeblicher Spion entlarvt, weshalb jeder Kommunist, der während des
Krieges mit ihm zusammen arbeitete, als Verräter unter Verdacht geriet.
Schon der
normale Menschenverstand lässt die Konstruiertheit dieser Anklage erkennen,
denn selbst wenn sich der Vorwurf gegen Noel Field als richtig heraus gestellt
hätte, ließe sich daran kein Fehlverhalten festmachen, da die Verbündeten von
Fields damaliger Rolle keine Kenntnisse hatten. Doch sollten sie davon gewusst
haben, wie ihnen von den Anklägern unterstellt wurde, wieso hatten sie dann
nicht entsprechend gehandelt? - An ihrem Kampf gegen den Nationalsozialismus
und ihrem Engagement für ihren kommunistisch regierten Staat hatte es bisher
keinen Zweifel gegeben. Costa-Gavras verdeutlicht an der Figur des
stellvertretenden tschechoslowakischen Außenministers Artur London (Yves
Montand), der zu der Gruppe der angeklagten Politiker gehörte und nach dessen Buchvorlage der Film entstand, deren
Intention. Bis zu ihrer Festnahme waren sie loyale Mitglieder der
kommunistischen Partei, weshalb sie regelrecht verstört auf die Anklage
reagierten und sogar noch den Versuch unternahmen, eventuelles eigenes
Fehlverhalten selbstkritisch zu hinterfragen, wie es in der kommunistischen
Doktrin gefordert wird.
Zur
Entstehungszeit von "L'aveu" hatten sich diese Vorwürfe schon seit vielen
Jahren als haltlos erwiesen. Noel Field wurde 1955 wieder aus der Haft
entlassen und Rudolf Slánský 1963 juristisch rehabilitiert, denn nach dem Tod
Josef Stalins 1953 hatten sich die Prozesse als reine Säuberungsaktionen
erwiesen, mit denen Stalin und wenige seiner Verbündete wie der
tschechoslowakische Staatspräsident Klement Gottwald, unliebsame Konkurrenz
loswerden wollten. Das viele von ihnen zudem Juden waren, verdeutlicht den tief
in der Gesellschaft verankerten Antisemitismus. Während des "Prager
Frühlings" 1968 hatte auch die tschechoslowakische kommunistische Partei
unter Alexander Dubček mit den damaligen Angeklagten ihren Frieden geschlossen,
so dass dieses unliebsame Kapitel, für das in den eigenen Reihen vor allem
Josef Stalin verantwortlich gemacht wurde, beendet schien. Nicht ohne Grund war
auch der zu Unrecht inhaftierte und gefolterte Noel Field nach seiner
Entlassung Kommunist geblieben.
Der
griechische Regisseur Costa-Gavras hatte 1969 mit „Z“ einen exemplarischen Film
über die Machtergreifung einer rechtsgerichteten Diktatur in seinem Heimatland
gedreht, bevor er sich 1973 mit „État de siège“ (Der unsichtbare Aufstand) den
Mechanismen der Militärdiktatur in Uruguay widmete, die vom us-amerikanischen
Geheimdienst unterstützt wurde. Zu dessen Aufgaben gehörte auch die Schulung
von Foltermethoden, die gegen die Widerstandsbewegung angewendet werden
sollten. In beiden Filmen agierte Yves Montand sowohl als Hauptdarsteller, als
auch als Produzent an der Seite von Costa-Gavras, weshalb ihr dritter
gemeinsamer Film „L’aveu“, der zwischen diesen Werken herauskam, vordergründig
aus der Reihe fällt, da er sich einer zurückliegenden, inzwischen scheinbar angemessen
bewerteten Thematik widmete. Doch der tatsächliche Anlass für die Entstehung
des Films lag genauso in Ereignissen der Gegenwart wie bei „Z“ und „État de siège“, denn Costa-Gavras stellt im Film einen unmittelbaren Zusammenhang zu der
Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 her, als russische Panzer dem
tschechischen Versuch eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ ein Ende
bereiteten. Bis dahin hatte Yves Montand mit dem Kommunismus sympathisiert,
weshalb die Diskussion, die er in seiner Rolle als Artur London mit
Journalisten über die Prozesse der frühen 50er Jahre und die Rolle Stalins
führt – in „L’aveu“ zeitlich kurz vor den Ereignissen in Prag angesiedelt - nicht nur Londons, sondern auch eigene autobiographische Züge trägt.
Costa-Gavras
fügt diesen Gegenwartsbezug ab der Mitte des Films ein, wodurch es deutlich
wird, dass Artur London nicht zum Tode verurteilt werden wird - ein in mehrerer
Hinsicht genialer Drehbuchkniff. Die Tatsache, das London gemeinsam mit seiner französischen Frau Lise (im Film von Montands Ehefrau Simone Signoret gespielt) die 1968 erschienene Buchvorlage für den Film schrieb, ließ dessen Überleben zwar erwarten, aber der Film springt in dem Moment in die Gegenwart, nachdem schon ein monatelanges
Martyrium hinter dem früheren stellvertretenden Außenminister lag, das Costa-Gavras
in schmerzhafter Deutlichkeit vor dem Betrachter ausbreitet. Dabei verzichtet
er auf jede unmittelbare körperliche Gewalt, sondern zeigt die psychische
Methodik, mit der der Angeklagte dazu gebracht werden soll, die ihm
angelasteten Vorwürfe zu gestehen. Artur London erweist sich als sehr
widerstandsfähig, hält wochenlangen Schlaf- und Nahrungsentzug, sowie die
vorgelegten Geständnisse seiner Freunde und Mitstreiter aus, aber die nicht
endenden Verhöre und psychischen Folterungen höhlen auch seinen
Widerstandsgeist aus, bis er wider besseren Wissens seine Verfehlungen zugibt.
In der Figur des Verhörspezialisten Kohoutek (Gabriele Ferzetti), der von der
Schuld Londons überzeugt ist, da er entsprechende Weisungen von oben erhielt,
lässt Costa-Gavras zudem die typischen Mechanismen eines Beamtenapparates
erkennen, die den Einzelnen scheinbar von Schuld entlasten, da er nur seiner
Pflicht nachgekommen ist.
Durch das frühe Wissen, dass die Identifikationsfigur London nicht sterben wird, nimmt
Costa-Gavras dem Film eine Spannungssituation, die den Blick auf die Farce des
Schauprozesses und die weiteren Angeklagten verstellt hätte. Auch körperliche
Gewalt, die zu dauerhaften Schäden geführt hätte, wäre kontraproduktiv gewesen
wäre, denn bei der Gerichtsverhandlung, die der Öffentlichkeit detailliert
vorgeführt wird, soll jede Form eines Märtyrertums vermieden und der Anschein
einer fairen Verhandlung gewahrt bleiben. Begriffe wie Ehrlichkeit, das Recht
auf Verteidigung oder ein gerechtes Urteil, werden angesichts eines
erbärmlichen, Menschen verachtenden Schauspiels pervertiert. Durch die in der
Gegenwart angesiedelte Diskussion, lässt Costa-Gavras erkennen, wie schwer sich
die Kommunisten mit dem Missbrauch dieser Begriffe getan hatten, wie sehr sie
der Idee nachhingen, nur Stalin und wenige Mitstreiter hätten damals ihre
humanen Absichten verraten. Doch die brutale Niederschlagung der vorsichtigen
Demokratiebewegung in der Tschechoslowakei, die Costa-Gavras mit dokumentarischen Aufnahmen zeigt - dazwischen Bilder des entsetzt blickenden Yves Montand einblendend - belehrte Viele eines Besseren. Auch
für sie hatte sich die Herrschaft der UDSSR endgültig als Diktatur entlarvt.
Neben dem
generellen Blick auf die Methoden der psychischen Folter, ist „L’aveu“ auch
eine persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Idealen, wie sie von der
Linken Ende der 60er Jahre vehement geführt wurde. Vielleicht liegt darin der
Grund, warum „L’aveu“ heute zu unrecht so wenig bekannt ist, oft nicht einmal
im Zusammenhang mit Costa-Gavras sonstigen politischen Filmen genannt wird. Die
detaillierte Ansicht der diktatorischen Methoden der kommunistischen Partei,
verknüpft mit den Ereignissen in Prag 1968, konnte Anhänger dieser Politik
nicht befriedigen, bedeutete aber auch nicht den Schritt auf die andere Seite
des eisernen Vorhangs. Im Gegenteil betonte Costa-Gavras damit seinen Willen zu
einer unabhängigen, kritischen Betrachtung jeder restriktiven Politik.
"L'aveu" Frankreich, Italien 1970, Regie: Costa-Gavras, Drehbuch: George Semprùn, Lise und Artur London (Buchvorlage), Darsteller : Yves Montand, Simone Signoret, Gabriele Ferzetti, Michel Vitold, Michel Robin, Laufzeit : 137 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Costa-Gavras:
"Z" (1969)
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