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Peppini (Aldo Puglisi) nähert sich Agnese (Stefania Sandrelli) |
Inhalt: Während der brütenden Mittagshitze liegen Don
Vincenzo Ascalone (Saro Urzi) und der Rest seiner Familie schlafend auf ihren
Betten. Nur seine älteste Tochter Matilde (Paola Biggio) und ihr Verlobter Peppino
Califano (Aldo Puglisi) befinden sich noch im Esszimmer, gemeinsam mit ihrer
jüngeren Schwester Agnese (Stefania Sandrelli), die schreibend am Tisch sitzt.
Als auch Matilde die Müdigkeit überkommt, nutzt Peppino die Gelegenheit und
nähert sich Agnese. Ihr Widerstand erlahmt schnell und sie verschwinden in ein
Nebenzimmer.
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Don Ascalone (Saro Urzi) ahnt noch nicht, was auf ihn zukommt |
Agnese geht am nächsten Tag schuldbewusst zur Beichte, aber
das hilft ihr nur wenig. Als ihrer Mutter der Fetzen eines Liebesbriefes in die
Hände fällt, den Agnese in der Hektik nicht vollständig das Klo herunterspülen
konnte, begreift ihr Vater schnell und lässt ihre Jungfräulichkeit prüfen. Mit einem
erschütternden Ergebnis, das kurz darauf ins bodenlose fällt – auch der
Schwangerschaftstest fällt positiv aus. Don Ascalone berät sich mit seinem
Bruder (Umberto Asparo), einem Rechtsanwalt, um einen Ausweg aus dieser
Situation zu finden. Es gilt die Familienehre zu retten…
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Peppino nutzte die Gelegenheit... |
Pietro Germis "Divorzio all'italiana" (Scheidung auf
Italienisch, 1961) war großer Erfolg beschieden. Der Angriff auf die
Doppelmoral seines Heimatlandes, das Ehescheidungen verbot, aber kein Problem
mit Ehrenmorden hat, gewann sogar den
"Oscar für das beste Originaldrehbuch". Darin hatte Germi sein süßes
Gift versprüht und ließ den Betrachter Anteil haben an den Gefühlen eines
verliebten Mannes für die hübsche junge Frau von Gegenüber - ein schönes Paar.
Wer hatte nicht Verständnis dafür, dass die wenig attraktive, etwas geschwätzige
Ehefrau im Weg stand? - Scheidung war nicht möglich, aber es fand sich eine Alternative.
Trotz des bösartigen Subtexts bereitet der aus der subjektiven Sicht des von
Marcello Mastroianni gespielten Liebhabers geschilderte Film großes Vergnügen
und wurde zum Namensgeber der "Commedia all'italiana", unter deren
komödiantischer Oberfläche sich reale Abgründe verbargen.
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...und Don Ascalone platzt vor Wut |
Drei Jahre waren seitdem vergangen, die Modernisierung der
Gesellschaft nach dem Krieg schritt voran, aber in den Köpfen hatte sich nichts
geändert. Die alten patriarchalischen Strukturen galten nach wie vor und damit
eine von der Kirche und einem strengen Ehren-Kodex bestimmte Moral. Erneut
griff Germi dieses Thema auf, siedelte die Handlung wieder auf Sizilien an,
dessen Archaik die allgemein geltenden Moralvorstellungen noch zuspitzte, und
besetzte Stefania Sandrelli wieder als Objekt der Begierde - eine junge,
filigrane Schönheit inmitten einer drallen weiblichen Dorfjugend. Der deutsche
Verleih unterstützte diesen Eindruck von Kontinuität noch mit dem Titel "Verführung
auf Italienisch", damit die tatsächliche Bedeutung "Verführt und im
Stich gelassen" ignorierend. Doch es half nicht. "Sedotta e
abbandonata" erhielt in Italien zwar ähnlich viele Auszeichnungen wie sein
Vorgänger, aber international blieb ihm die Anerkennung verwehrt. Anders als
"Divorzio all'italiana" schaffte er es in Deutschland nicht einmal ins TV- Programm und blieb hierzulande nahezu unbekannt.
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Gegenüber den "Damen" zeigte er sich deutlich generöser |
Hartnäckig hält sich zudem das Vorurteil, Germi hätte sein
Rezept aus „Divorzio all’italiana“ nur wieder aufgewärmt, weshalb der Nachfolger in
dessen Schatten verblieb. Tatsächlich haben beide Filme bis auf die genannten
äußerlichen Parameter wenig gemein. Erstmals schrieb Germi mit Agenor Incrocci
(Age) und Furio Scarpelli das Drehbuch, die in Zusammenarbeit mit den
Regisseuren Steno und Mario Monicelli stilbildend für die „Commedia
allìtaliana“ in den 50er Jahren wurden. Eine Erfahrung, die Germi in seinem
folgenden Film "Signore & signori" (Aber, aber, meine Herren…,
1966) noch einmal wiederholte. Entsprechend unterschiedlich wurde der Gestus beider
Filme - "Sedotta e abbandonata" ist direkter, gnadenloser und
nervenaufreibender. Entfaltete der Vorgänger seinen perfiden Mord-Plan
unterschwellig im Stil eines Plädoyers, das seine Zuhörer schon überzeugt hat,
bevor es auf den Punkt kommt, geschieht hier nichts verklausuliert.
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Der Baron (Leopoldo Trieste) springt gern als Verlobter ein... |
Schon während der Credits zu Beginn lässt der Sänger, der
Agnese (Stefania Sandrelli) aus dem Off auf ihrem Weg zur Beichte begleitet, keinen
Zweifel am katastrophalen Geschehen. Die 15jährige wurde von dem Verlobten
ihrer Schwester Matilde (Paola Biggio) verführt – eine doppelte Schande für
beide Frauen, die auf die gesamte Familie zurückfällt. Die Art der Inszenierung
dieser Eingangssequenz lässt am drastischen Inhalt des Films keinen Zweifel. Drückende
Hitze liegt auf den schwitzenden Leibern, die erschöpft auf ihren stählernen
Betten liegen inmitten des karg eingerichteten Steinhauses. Peppino Califano (Aldo
Puglisi), zu Besuch bei der Familie seiner Verlobten, nutzt die Situation, um
sich deren hübscheren und jüngeren Schwester Agnese anzunähern, die schreibend
am Tisch sitzt. Sie wehrt sich einen Moment, kann sich aber der körperlichen
Versuchung nicht entziehen. Mit einer romantischen Beziehung, wie sie Germi in
„Divorzio all’italiana“ zumindest vorgaukelte, hat das nichts mehr zu tun. Peppino
Califano ist kein Bonvivant wie der von Mastroianni verkörperte Baron,
sondern ein schmächtiges Bürschchen mit schmalem Oberlippenbart, der auf eine
Beamtenstellung hofft.
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...was sogleich vor der Öffentlichkeit demonstriert werden muss |
Für einen solchen Typen, eher die Karikatur eines „Latin
Lovers“, müsste eine Frau wie Agnese ein Hauptgewinn sein. Doch weit gefehlt –
er weigert sich, sie zu heiraten, da für ihn nur eine Jungfrau in Frage käme.
Dass er selbst dafür verantwortlich war, spielt keine Rolle. Don Vincenzo
Ascalone (Saro Urzi) hatte deshalb von dem Verführer gefordert, seine Tochter
Agnese zu heiraten, nicht ohne zuvor Matilde mit dem Baron Rizieri Zappalà
(Leopoldo Trieste) verlobt zu haben – mit der offiziellen Begründung, dass sie
nichts mehr von ihrem bisherigen Verlobten wissen will. Die Figur des Barons spielte
ironisch auf den von Mastroianni verkörperten Adeligen in „Divorzia all’italiana“ an, der nur noch von den Resten früherer Herrlichkeit lebte. Dem
Baron in "Sedotta e abbandonata" ist nicht einmal mehr das geblieben.
In seinem vollständig leergeräumten Palazzo versucht er sich gerade das Leben
zu nehmen, als Vincenzo Ascalone ihm das Angebot macht, seine Tochter Matilde
zu heiraten. Ein Angebot, dem der zahnlose Baron nicht widerstehen kann -
allein, damit er endlich wieder eine warme Mahlzeit bekommt.
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Nur Peppino weigert sich, Agnese zu heiraten... |
Germi zeichnete das Bild einer Männerwelt, deren eigene
Frauen jungfräulich sein müssen, die selbst aber nichts anbrennen lassen – ein
klassisches Motiv der Erotikkomödie der 70er Jahre, in dem häufig der noch jugendliche Protagonist
entweder mit einer erfahrenen Frau Sex hat oder ins Bordell geht. Im Anblick
dreier Prostituierten, die auffällig durch den Ort in Richtung Hotel spazieren,
schwadroniert Don Ascalone über die Bedürfnisse des Mannes von 18 bis 60 Jahren
- natürlich 365 Tage im Jahr - während sein zukünftiger Schwiegersohn nichts
eiligeres zu tun hat, als sich von seiner Mutter Geld für ein Schäferstündchen zu borgen. Moral ist etwas für Frauen. Männer achten darauf, dass diese
sich daran halten. Sonst droht ihnen Ehrverlust – für die Männer die schlimmste aller
Konsequenzen. Weil Peppino sich der für ihn ehrlosen Heirat mit Agnese durch
Flucht entziehen will, setzt deren Vater seinen einzigen Sohn Antonio (Lando
Buzzanca) auf ihn an, um ihn zu töten. Nur so kann die Familienehre gewahrt bleiben.
Eine frühe Paraderolle für Lando Buzzanca als unsicherer Rächer, den auch die
Aussicht auf nur fünf Jahre Gefängnis nicht überzeugen kann. Nicht einmal der
Ehrenmord klappt in "Sedotta e abbandonata".
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...weshalb Antonio (Lando Buzzanca) zum Rächer werden soll |
Der Humor, wenn man von Humor sprechen möchte, entsteht aus
dem Chaos, das das zunehmend zum Nervenbündel mutierende, großartig von Saro
Urzi gespielte Familienoberhaupt entfacht, um einen Ausweg aus der
Katastrophe zu finden. Doch als Identifikationsfigur eignet er sich ebenso
wenig, wie jeder andere in diesem verlogenen Spiel. Germis Angriff auf die
gesellschaftliche Doppelmoral mit ihren veralteten Geschlechterrollen erfolgte
hier ohne Gnade. Und ohne ironische Anspielungen oder unterschwellige Andeutungen
wie noch in „Divorzio all’italiana“, der - wenn auch zu Unrecht - häufig im
Zusammenhang mit den folkloristischen Sophia-Loren-Komödien dieser Zeit genannt
wird. Eine Gefahr, die hier nicht besteht, weshalb "Sedotta e
abbandonata", der die Grenze zwischen Komödie, Farce und Drama sehr schmal
auslegte, schnell in Vergessenheit geriet. Schlimmer hätte die Geschichte für
alle Beteiligten kaum ausgehen können. Und doch gibt es ein Happy-End, denn die
Familienehre wurde gerettet.
"Sedotta e abbandonato" Italien 1964, Regie: Pietro Germi, Drehbuch: Pietro Germi, Agenore Incrocci, Furio Scarpelli, Luciano Vincenzoni, Darsteller : Saro Urzi, Stefania Sandrelli, Lando Buzzanca, Aldo Puglisi, Leopoldo Trieste, Laufzeit : 96 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Pietro Germi:
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