Inhalt: Dem berüchtigten Revolverheld „Killer Kid“ (Anthony
Steffen) gelingt der Ausbruch aus dem Militärgefängnis, kurz bevor er gehängt
werden sollte. Auf seiner Flucht wird er scheinbar zufällig Zeuge, wie es
zwischen Waffenschmugglern und mexikanischen Rebellen unter der Führung von
Vilar (Fernando Sancho) zu einem tödlichen Schusswechsel kommt. Vilar will seine Rechnung mit Blei statt mit Gold bezahlen, wird aber von einer Verstärkung der Schmuggler gestört und überwältigt. Sie lassen ihn nur frei, um den nächsten Deal einfädeln zu können. Nach ihrem Verschwinden kommt Killer Kid dem einzigen Überlebenden, einem schwer verletzten jungen Mann, zu Hilfe, wird aber von einer Einheit der
regulären mexikanischen Armee unter dem Kommando von Ramirez (Giovanni
Cianfriglia) verhaftet, der brutal Jagd auf die Revolutionäre macht.
Trotzdem kann Killer Kid den jungen Mann retten
und bringt ihn zu seinen mexikanischen Landsleuten, wodurch er an El Santo (Howard
Nelson Rubien) gelangt, dem weisen Anführer der Revolutionäre. Vilar hatte sich
zuvor schon zu dem geheimen Stützpunkt in einem kleinen Dorf
zurückgezogen und seine eigene Version der Ereignisse verbreitet, der Kid
widerspricht. El Santo, der auf seinen Truppenführer angewiesen ist, versucht
die Gemüter zu beruhigen, aber die Ereignisse überschlagen sich, als Ramirez mit
seinen Soldaten auftaucht und beginnt, systematisch die Bevölkerung hinzurichten,
um an Informationen über die Rebellen heranzukommen…
Mitte der 60er Jahre, spätestens nach dem Erfolg von
"Django" (Kinopremiere 06.04.1966) war die Nachfrage nach Western so
stark gestiegen, dass die Produktionsgesellschaften kaum noch hinterher kamen. In
der Hochphase des Genres 1967 und 1968 liefen mehr als 120 Western in den
italienischen Kinos an, was sowohl eine effektive Herstellung, als auch eine
große Anzahl an Filmschaffenden erforderte. Viele Schauspieler tauchten quasi über
Nacht auf der großen Leinwand auf - für Wenige der Beginn eines langen
Erfolgswegs, während der größte Teil nach dem Abflauen des Western-Hype wieder aus
den Kinosälen verschwand. Doch nicht nur neue Stars wurden geboren, auch
altgediente Regisseure und Drehbuchautoren, deren Karrieren in den Jahren zuvor
ins Stocken gerieten, erhielten eine neue Chance. Eine Konsequenz, die sich an der
Entstehung von "Killer Kid" (Chamaco) beispielhaft ablesen lässt.
Regisseur Leopoldo Savona, Jahrgang 1922, hatte Mitte der
50er Jahre an der Seite Giuseppe de Santis' als Assistent und Autor begonnen
("Giorni d'Amore" (Tage der Liebe, 1954)), bevor er bei "Il
principe dalla maschera rossa" (Robin Hood, der schwarze Kavalier, 1955)
erstmals alleine die Regie übernahm. Neben einem zeitgenössischen Beitrag zur
damals populären Diskussion über die angeblich verrohende Jugend ("Le
notti dei Teddy Boys" (Die Nächte sind voller Gefahren, 1959)), blieb er
besonders dem "Mantel- und Degen"-Film gewogen, hatte aber zuletzt 1963
mit "I diavoli di Spartivento" (Die Teufelskerle von Dorano) einen
Erfolg vorzuweisen. Sein Anfang 1964 herausgekommener, der heute nahezu
unbekannte "L'ultima carica“, blieb für zwei Jahre sein letzter Film. Erst
mit dem Italo-Western "El rojo" (El Rocho - Der Töter) nahm seine
Karriere 1966 wieder Fahrt auf.
Sergio Garrones Anfänge lassen sich zwar noch früher finden,
aber nach einer kurzen Phase als Produktions- und Regie-Assistent Ende der
40er/Anfang der 50er Jahre war er mehr als ein Jahrzehnt dem Filmgeschäft fern
geblieben - auch aus finanziellen Gründen. Eine Situation, die sich
offensichtlich dank des Erfolgs des Italo-Western geändert hatte, denn Garrone
stieg Mitte der 60er Jahre nicht nur als Drehbuchautor, sondern auch als
Produzent ein. Nach "Degueyo" (Für Dollars ins Jenseits, 1966) und
"L'ultimo killer" (Rocco - Ich leg' dich um, 1967) – beide Filme verhalfen
Regisseur Giuseppe Vari zu insgesamt neun Western - kam es bei "Killer Kid" (Chamaco)
zum Zusammentreffen von Sergio Garrone und Leopoldo Savona. Für Garrone das
Ende seiner Produzententätigkeit - nur 1972 beteiligte er sich noch einmal an
der deutsch-italienischen Produktion "Io monaca... per tre carogne e sette
peccatrici" (Die Rache der geschändeten Frauen) - und der letzte Schritt
auf seinem Weg zur eigenen Regie. Beginnend mit "Se vuoi vivere...
spara!" (Andere beten - Django schießt, 1968) sollte er in den kommenden drei
Jahren noch sechs Italo-Western drehen.
Die wesentlichen Insignien des Genres waren zu diesem
Zeitpunkt schon gesetzt, weshalb Garrone und Savona eine eigenständige
Interpretation versuchten und das klassische Pistolero-Thema mit der
mexikanischen Revolution kombinierten. Obwohl kurz nach Damiano Damianis „Quien sabe?“ (Töte, Amigo, 1966) und vor Sergio Corbuccis „Il mercenario“ (Mercenario
– der Gefürchtete, 1968) entstanden, blieb „Killer Kid“ die Anerkennung hinsichtlich
seiner gesellschaftskritischen Relevanz verwehrt. Tatsächlich fokussierte sich
die historisch im Ungefähren bleibende Handlung nur auf die Belange einer
kleinen mexikanischen Gemeinschaft unter der Leitung des weisen El Santo (Howard
Nelson Rubien), der mit Hilfe seines Truppenführers Vilar (Fernando Sancho) an
Waffen aus US-Armeebeständen herankommen will, um gegen die mexikanische Armee
anzukämpfen. Stellvertretend für deren brutales Durchgreifen steht der sadistische
Offizier Ramirez (Giovanni Cianfriglia), der keine Hemmungen hat, auch Frauen
und Kinder standrechtlich erschießen zu lassen, um an Informationen über die
Rebellen heranzukommen.
Mit einer Hinrichtung hatte auch „Quien sabe?“ begonnen,
aber „Killer Kid“ fehlte die generelle Kritik an der Vorgehensweise der USA im
damaligen Vietnamkrieg, auf die in Damianis Film nur wenig verklausuliert
angespielt wurde. Außer als kleine Gruppe von Waffenschmugglern, die sich am
Konflikt in Mexiko persönlich bereichern wollen, spielen die USA politisch hier
nur eine untergeordnete Rolle. Das galt in dieser Hinsicht auch für „Killer
Kid“, der seinen deutschen Verleih-Namen „Chamaco“ wahrscheinlich der klanglichen
Nähe zu „Cjamango"(1967) verdankte. Dieser kam zwar als „Django – Kreuze
im blutigen Sand“ in die deutschen Kinos, kann aber als Vorbild für „Shamango“
gelten, zu dem wiederum "Gentleman Jo...uccidi" (1967) umbenannt
wurde. Darin hatte Anthony Steffen ebenfalls den Helden verkörpert, weshalb die
Nähe zum eingeführten Namen schlüssig scheint.
Doch anders als dem von Lou Castel gespielten
US-Revolverheld in „Quien sabe?“ fehlt der Figur des „Killer Kid“ die eigennützig-rücksichtslose
Charaktereigenschaft, wie sie auch Franco Nero in „Il mercenario“ trefflich
verkörperte. Obwohl „Killer Kid“ als berüchtigter Mörder gilt, der kurz vor der
Vollstreckung seines Todesurteils aus dem Militärgefängnis geflohen ist und auf
den ein hohes Lösegeld ausgesetzt wurde, blieb Steffen in seiner Rolle von fast
bescheidener Präsenz, ganz im Gegensatz zum gewohnt vehement auftretenden
Fernando Sancho, der neben der Revolution noch eigene Interessen verfolgt. Killer
Kid hatte ihn dabei beobachtet, wie er an seinen mexikanischen Kameraden vorbei
eigene Geschäfte mit den Waffenschmugglern machen wollte, weshalb ihm der
„Gringo“ ein Dorn im Auge ist und er alles dafür tut, ihn bei El Santo und
dessen Nichte Mercedes (Luisa Baratto) zu diskreditieren. Dass er damit nicht
falsch liegt, ahnt der Betrachter schon – auch El Santo äußert einmal Erstaunen
über Kids selbstlosen Einsatz für seine Leute – aber seine Beweggründe sind
nicht persönlicher Natur. Als verdeckt arbeitender Offizier der US-Armee
versucht er den Waffenschmuggel zu unterbinden, kommt damit aber den
mexikanischen Revolutionären in die Quere.
Gemessen an der charismatischen Figuren eines „Django“ und
dessen zahlreichen Epigonen wirkt „Killer Kid“ trotz seiner Schießkünste weich,
fehlt ihm die stilisierte Zuspitzung des einsamen Helden. Selbst Fernando
Sancho wird als Vilar regelmäßig von Selbstzweifeln gepackt, lässt in einem
Moment seine Leute mit Satteltaschen voll Gold im Stich, um kurz darauf an
deren Seite gegen die mexikanische Armee anzutreten. Einzig Giovanni
Cianfriglia bleibt einseitig bösartig in seiner Rolle als mexikanischer
Offizier. Diese Ambivalenz wurde häufig als inkonsequent und wenig schlüssig
kritisiert, obwohl sich darin die Einzigartigkeit des Films manifestiert. Savona
und Garrone nahmen sich zwischen den Action-Szenen ausreichend Zeit, die
gewohnten Charakter-Klischees zu durchbrechen, wodurch „Killer Kid“ einen
unvorhersehbaren, hochspannenden Verlauf nimmt.
In der zentralen Szene des Films wird ihre inszenatorische
Absicht deutlich. In einer nächtlichen Liebesszene mit Mercedes bittet Kid die
junge Frau, ihren Onkel zu überreden, ihn nicht wegzuschicken. Dieser war
Vilars Vorwürfen, dass es sich bei Kid um einen Spion handeln soll, zwar nicht
gefolgt, wollte aber kein Risiko eingehen, nachdem aus für ihn noch ungeklärten
Gründen der Munitions-Wagon abgestürzt und explodiert war. Die verliebte
Mercedes setzt sich selbstverständlich für Kid ein, ohne zu ahnen, damit dessen
heimliche Pläne zu unterstützen. In einer kurzen Szene hatte der Film zuvor
Kids wahre Absichten offenbart, weshalb der Dialog zwischen Mercedes und Kid gleichzeitig
Vertrauen und Verrat, Liebe und Egoismus widerspiegelt – ohne sich in eine
Richtung festzulegen. Gleiches gilt für die Rolle des Vilar, dessen wechselnden
Reaktionen jederzeit nachvollziehbar bleiben. Sancho gab hier nicht den
brachialen mexikanischen Gangsterboss, der sich einfach nimmt, was er will,
sondern verlieh dieser häufig von ihm verkörperten Figur eine tragische
Komponente. Zwar zeigt er wenig Einfühlungsvermögen beim Versuch, Dolores
(Virginia Darval) als Frau zu gewinnen, aber als diese ihn abweist, nimmt er
sie sich nicht mit Gewalt, sondern legt sich allein ins Bett. Vilar will
Anerkennung und spürt seine Einsamkeit, auch nachdem er allein mit dem Gold in
die Berge geflüchtet war.
Selbst der Vorwurf, „Killer Kid“ hätte die
Revolutions-Thematik nur als spannungsfördernden Hintergrund genutzt, lässt
sich nicht aufrecht halten. Zwar verzichteten die Macher auf konkrete
politische Aussagen, folgte ihre Sympathie für die Revolutionäre den Regeln des
Gut-/Böse-Schemas, aber sie ließen keinen Zweifel an der perversen inneren Logik
einer sich stetig steigernden Gewaltspirale. In Form einer bitteren Parabel, begleitet von Berto Pisanos melancholischer Musik, endet „Killer Kid“ wie er begonnen hatte und bestätigte damit den Eindruck
eines großartigen Films, der sich nicht der üblichen Eindeutigkeit des
Italo-Western hingab.
"Killer Kid" Italien 1967, Regie: Leopoldo Savona, Drehbuch: Leopoldo Savona, Sergio Garrone, Darsteller : Anthony Steffen, Fernando Sancho, Luisa Baratto, Giovanni Cianfriglia, Howard Nelson Rubien, Laufzeit : 98 Minuten
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