Inhalt: New York 1990, in einer nahen Zukunft – der
verwahrloste Stadtteil Bronx wurde sich selbst überlassen und von außen abgeriegelt,
da die Behörden vor der ständig steigenden Kriminalität kapitulierten. Innerhalb
ist inzwischen eine neue Gesellschaftsordnung entstanden, die von
unterschiedlichen Gruppierungen beherrscht wird, darunter „The Riders“, eine
Motorrad-Rocker-Gang, die unter der Führung von Trash (Mark Gregory) einen Teil
des Gebiets kontrolliert. Dorthin gerät auch die 17jährige Ann (Stefania
Girolami), die freiwillig über eine Brücke in die Bronx läuft, weil sie die
kalte, nur an marktwirtschaftlichen Erfolgen orientierte Welt satt hat. Als sie
angegriffen wird, kommen ihr „The Riders“ zu Hilfe – Trash persönlich nimmt sich
der reichen Erbin eines Rüstungskonzerns an und verliebt sich in sie.
Doch die Manager des Konzerns haben kein Verständnis für
ihre Entscheidung und wollen sie aus dem Moloch wieder zurückholen. Eine
Aufgabe für den Profi-Killer Hammer (Vic Morrow), ein ehemaliger Polizist, der
sich sehr gut in der Bronx auskennt und für die dort lebenden Menschen nur Verachtung
übrig hat. Für eine offene Konfrontation ist es noch zu früh, weshalb er sich
in das Gebiet einschleicht und skrupellos seine Intrige beginnt…
Dass Enzo G.Castellari bei "1990: I guerrieri del
Bronx" (The Riffs - die Gewalt sind wir, 1982) neben der Regie auch neben Dardano Sacchetti das
Drehbuch schrieb und selbst mitspielte, erscheint angesichts der üblichen
übergreifenden Zusammenarbeit der Familie Girolami normal - seine Tochter
Stefania spielte die weibliche Hauptrolle und assistierte ihm bei der Regie,
Bruder Ennio gehörte ebenfalls zum Cast - doch bei einer genaueren Betrachtung
wird deutlich, wie wichtig dieses Projekt für Castellari gewesen sein muss,
dessen Erfolg erst seine zwei 1983 folgenden Filme "I nouvi barbari"
(Metropolis 2000) und "Fuga dal Bronx" (The Riffs 2 - Flucht aus der
Bronx) ermöglichte. Die Veröffentlichung von Castellaris letztem Film
"L'ultimo squalo" (The last jaws - der weiße Killer, 1981) - einer
der letzten Italo-Streifen dieser Phase, die noch auf Tier-Horror setzten
(siehe "Das italienische Kino frisst sich selbst") - lag mehr als ein
Jahr zurück. Offensichtlich wurde John Carpenters düstere Zukunftsvision
"Escape from New York" (Die Klapperschlange, 1981) zur Initialzündung
für Castellari, denn zuletzt hatte er Mitte der 70er Jahre bei
"Keoma" (1976) am Drehbuch mitgewirkt.
Trotz diverser Parallelen zu Carpenters Film wäre es falsch,
"1990: I guerrieri del Bronx" als billiges Imitat anzusehen, wie es
italienischen Produktionen dieser Entstehungszeit, speziell auch Castellaris
„L’ultimo squalo“, häufig unterstellt wurde. Die in „Escape from New York“
zugespitzte Zukunftsvision eines sich selbst überlassenen Manhattan, nahm,
angesichts einer damals grassierenden Verbrechenswelle, über die die Justiz
scheinbar die Kontrolle verloren hatte, reale Ängste auf. Die zwischen dem
Hudson River und der Bucht vor Long Island gelegene Insel bot sich auch auf
Grund ihrer Lage dazu an, sie als von außen schwer bewachte Festung auszubauen,
aus der Niemand mehr herausgelassen wird, um die restliche Bevölkerung zu
schützen. Eine Welt, in der nur das Gesetz des Stärkeren gilt, und aus der es
kein Entrinnen gibt.
Diese Idee nahm Castellari zwar auf, versetzte die Handlung
aber in eine nahe Zukunft, die ohne besondere futuristische Elemente auskam und
in der damaligen Gegenwart verankert blieb. Die in New York gedrehten
Außenaufnahmen mit Straßenzügen heruntergekommener Häuser und verfallener
Plätze spiegelten die Realität wider, wie auch die optischen Details der
einzelnen Gangs ganz dem beginnenden Hedonismus der frühen 80er Jahre und dem
damaligen Hang zur Postmoderne verpflichtet waren. Die zu Beginn des Films in
langen Detailaufnahmen gezeigten Ausstattungsstücke aus Stahl und Leder, die
der Selbstverteidigung im Nahkampf dienen sollen, sind gleichzeitig Schmuck und
Zugehörigkeitsmerkmal der einzelnen Gruppen, denn nur Wenige sind hier auf sich
allein gestellt. Das jeweilige Outfit entscheidet zudem über die hierarchische
Position. Die in gleichförmigen Uniformen steckenden Roll-Hockey-Spieler werden
trotz ihrer Schläger nicht ernst genommen, während die im Untergrund lebenden,
in Lumpen gekleideten Wesen gefährlichen Ratten ähneln. Dagegen hinterlassen
die stolz auf ihren Choppern thronenden „Riders“ (in der deutschen
Synchronisation die titelgebenden „Riffs“) den Eindruck freiheitsliebender
Männer, die hart, aber fair agieren.
Damit kehrte Castellari Carpenters Ausgangssituation um –
nicht die Welt im Inneren ist hier schlecht, sondern eine gefühlskalte, rein
marktwirtschaftlichen Interessen verpflichtete Außenwelt, aus der die 17jährige
Ann (Stefania Girolami), reiche Erbin eines Rüstungskonzerns, freiwillig in die
Bronx flieht. Dort gerät sie zwar kurz in Gefahr, wird aber von Trash (Mark
Gregory), dem Anführer der „Riders“ gerettet, der sich in die junge Frau
verliebt und ihr erstmals das Gefühl von Geborgenheit vermittelt. Die hier
gegenüber gestellten Positionen sind zwar von einfachstem Zuschnitt, gestehen
aber den von der Gesellschaft Ausgestoßenen moralische Gefühle zu. Innerhalb
der Bronx haben sie sich trotz der anarchischen Situation eigene,
funktionierende Regeln geschaffen, die erst in Gefahr geraten, als der von
außen geschickte Ex-Cop Hammer (Vic Morrow) - ein zynischer Killer, der Ann zurückholen
soll - Intrigen zu spinnen beginnt und den Zusammenhalt unter den „Riders“
zerstört. Dass er sich dafür Ice (Joshua Sinclar) aussucht, der statt Trash die
Gruppe führen will, lässt sich auch an dessen Wehrmacht-Uniform und
Himmler-Nickelbrille ablesen.
Alles in Castellaris Film ist Formalismen untergeordnet, die
einer Sozialisation ohne Ordnung Halt geben sollten - eine unmittelbare Reaktion
auf die soziokulturellen Strömungen Anfang der 80er Jahre, die auch in
Carpenters "Escape from New York" eingeflossen waren. Allerdings hätte die
Wahl des damals gerade 17jährigen, extra für den Film gecasteten
Hauptdarstellers kaum gegensätzlicher zu dem von Kurt Russel gespielten „Snake
Plissken“ ausfallen können. Mark Gregory ist kein talentierter Schauspieler, eignete
sich aber in seiner Body-gestählten, langhaarigen jugendlichen Schönheit ideal
als unschuldig wirkende Identifikationsfigur innerhalb einer als verdorben
dargestellten Welt, obwohl sein Name „Trash“ das Gegenteil ausdrückt. Doch
dieser bezieht sich auf seine Herkunft, der er entkommen ist, denn er gilt in
"1990: I guerrieri del Bronx" ebenso als Erfolgstyp, wie der von Fred
Williamson gespielte „Ogre“, der als selbst ernannter König der Bronx immer so
aussieht, als käme er gerade von der Disco-Tanzfläche.
Die Grenze zum Lächerlichen blieb entsprechend schmal, auch
wegen des geringen Budgets, doch dank der Original-Schauplätze und einiger
ausgefallener Ideen entstand der atmosphärisch stimmige Eindruck eines
begrenzten, sich selbst definierenden Handlungsraums. Allein die Szene am Hudson-River, in der ein
Schlagzeuger das Treffen der „Riders“ mit dem exzentrischen Gefolge des „Ogre“
musikalisch begleitet, reicht dafür schon aus. Castellari bettete seine dezente
Zukunftsvision in einen, gewohnte Härten aufweisenden Italo-Actionfilm - dabei
kurzweilig von einem Scharmützel zum nächsten wechselnd - der sich dank seiner
Sympathien für die Außenseiter der bürgerlichen Gesellschaft und seines
konsequenten, damalige Ängste und soziopolitische Entwicklungen ausdrückenden
80er Jahre Stils von ähnlich konzipierten Storys positiv absetzte.
weitere im Blog besprochene Filme von Enzo G. Castellari:
"La polizia incrimina la legge assolve" (1973)
"Il cittadino si ribella" (1974)
"L'ultimo squalo" (1981)
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