Inhalt: Martha Borroughs (Vira Silenti) und ihre Stief-Kinder,
die 17jährige Jane (Ewa Aulin) und ihr älterer Bruder Jerome (Charles Kohler),
identifizieren den toten Vater und Ehemann im Leichenschauhaus, der bei einem
Autounfall ums Leben gekommen war. Jane glaubt nicht an einen Unfall, denn ihr
Vater wurde mit einem Foto erpresst, auf dem seine zweite Frau abgebildet sein
soll.
Als der französische Schauspieler Bernard (Jean-Louis
Trintignant) abends ins Büro des Nachtclub-Chefs kommt, findet er nicht nur
dessen Leiche vor, sondern entdeckt auch Jane, die sofort ihre Unschuld
beteuert. Bei dem Nachtclub-Boss soll es sich um den Erpresser handeln, den
ihre Stiefmutter Martha angeblich aus dem Weg geräumt hat, wie sie Bernard erklärt,
der Jane sofort verfällt. Gemeinsam fliehen sie, um die wahre Täterin zu überführen…
"Wasser auf dem Körper einer Frau ist wie Tau auf einem
Rosenblatt" Lao Tse
Mit diesem Zitat beeindruckt Bernard (Jean-Louis
Trintignant) die junge Jane Burroughs (Ewa Aulin), bevor ihre Körper sich
erstmals vereinigen, aber es bleibt nicht die einzige Weisheit in "Col
cuore in gola" (Ich bin wie ich bin - das Mädchen aus der Carnaby Street).
Die Worte:
Die Worte:
"Die geeignetste Farbe für einen schönen Körper ist weder das
Grün weiten Graslands, noch das Blau der See, sondern das Schwarz des
Photo-Studios"
werden Michelangelo Antonioni in den Mund gelegt, dessen "Blow up" (1966) in Brass' Film aus allen Poren zu dringen
scheint - eine Kriminalstory, die nur als Aufhänger für eine fulminante 60er
Jahre-Pop-Art-Collage dient, "Swinging London" als Handlungsspielort,
Party, Models und die Jagd nach einem Foto, das einen Hinweis auf den Mörder
geben könnte. Ganz konkret ist ein Plakat mit dem Filmtitel zu sehen, selbst
die Band, aus der der amerikanische Sänger Mal Ryder stammte, der ab Mitte der
60er Jahr in Italien als Solo-Sänger Karriere machte und hier den Song
"Love Girl" zum Besten gibt, hieß "Blow up".
Diesen offensichtlichen Parallelen verdankte Tinto Brass in
den späten 60er Jahren den Ruf eines avantgardistischen Regisseurs in der
Tradition Antonionis. Eine zwar werbewirksame, letztlich aber oberflächliche
Einordnung, denn der Regisseur, der als Assistent Roberto Rossellinis („Il
Generale della Rovere“ (Der falsche General, 1959)) begonnen hatte, entwickelte
einen ganz eigenständigen Stil, der "Col cuore in gola" (sinngemäß:
Mit dem Herz auf der Zunge) als ästhetische Weiterentwicklung seines Erstlings
„Chi lavoro é perduto“ (Wer arbeitet, ist verloren, 1963) über den Western
„Yankee“ (1966) in Richtung „Nerosubianco“ (Attraction, 1968) und „L’urlo“ (1970)
ausweist, die über keine traditionelle Erzählform mehr verfügten. Dagegen
basiert die Story in „Col cuore in gola“ noch auf dem Kriminalroman „Il
sepolcro di carta“ von Sergio Donati, der zu den einflussreichsten
Drehbuchautoren des Italo-Western gehörte, und unter anderen eng mit Sergio
Leone („Per qualche dollari in più“ (Für ein paar Dollar mehr, 1965)) und
Sergio Sollima (“Faccia a faccia“ (Von Angesicht zu Angesicht, 1967)) zusammen
arbeitete.
„Il secolpro di carta“ war zuvor in der Giallo-Mondadori-Reihe
erschienen, weshalb der Verfilmung auch das Etikett „Giallo“ angeheftet wurde,
aber Brass interessierte nur das Grundgerüst der Story. Der junge französische
Schauspieler Bernard (im Buch ein Pianist) findet den Chefs eines Nacht-Clubs tot in dessen Büro und entdeckt
eine junge Frau, die verstört im Raum steht. Ihm war das sehr hübsche Mädchen
zuvor schon aufgefallen, glaubt ihren Unschuldsbeteuerungen und flieht mit ihr,
um den tatsächlichen Mörder zu fassen. Tinto Brass verfolgte die Handlung zwar weiter,
nutzte sie aber nur als Leitfaden, um ihren sexuellen Subtext mit „Swinging-London“
zu verzahnen, dem Nabel der Liberalität, Mitte der 60er Jahre, wie ihn auch Mario
Monicelli in „La ragazza con la pistola“ (Mit Pistolen fängt man keine Männer,
1968) für seine Satire auf die archaischen Moralvorstellungen der Sizilianer nutzte.
Auch in Tinto Brass‘ Film gibt es komische Momente, wenn sich
Bernard mit Tarzan-Schrei auf Jane stürzt, nachdem diese ihn mit einem
Striptease in Verzückung versetzt hatte, aber diese spielerischen Augenblicke betonen
noch den sich steigernden Irrsinn inmitten einer hektischen, den nächsten Kick
suchenden Umgebung. Schon in „Chi lavoro é perduto“ entwickelte Brass ein hohes
Tempo, dass er in „Col cuore in gola“ mit einem Kaleidoskop ständig in seine Einzelteile
zerfallender Bilder weiter steigerte. Eine Methode, die er in seinem folgenden
Film „Nerosubianco“ zur Meisterschaft führte und die in kaum einem größeren
Gegensatz zum Stil Antonionis hätte stehen können. Aus unzähligen Einzelbildern
entstand ein komplexes Gebilde aus Krieg, weltweiten Protesten, Glanz und Niedergang,
Spaß und Gewalt, Musik, Drogen und Sex, durch das Bernard stürzt, um der
schönen Jane habhaft zu werden, die ihm doch nur immer wieder entgleitet.
In der zentralen Szene des Films befreit er sie gemeinsam
mit ihrem Bruder Jerome (Charles Kohler) aus den Händen ihrer Entführer. Der Weg
dorthin wird geprägt von Industriebrachen und zerfallenen Häusern, bevor Brass
die Situation im Stil des Italo-Western inszenierte. Begleitet von schnellen
Schnitten auf die Augen Bernards und die Situation des entführten Opfers,
fokussiert die Kamera den Lauf einer Pistole, die einem Phallus gleich über den
entblößten Körper Janes gleitet. Zwar können die Gangster überwältigt werden,
aber das führt zu keiner Lösung, denn eine solche strebte Brass in seinem Film
nicht an.
Während der deutsche Titel „Ich bin wie ich bin – das Mädchen
aus der Carnaby-Street“ werbewirksam auf die sexuell selbstbestimmte weibliche
Jugend setzte (die populäre Carnaby-Street kommt im Film gar nicht vor) und
Donatis Roman den Typus eines „Bad Girls“ in den Mittelpunkt stellte – beides ließ
sich aus moralischer Sicht bequem miteinander verbinden – wertete Tinto Brass
nicht, sondern überließ es dem Betrachter, die Puzzleteile dieses
Films zu einer Welt nach eigenem Empfinden zusammenzusetzen. Ist Bernard naiv, romantisch
oder egoistisch, Jane verrückt, berechnend oder liebenswert und das Ende tragisch, bösartig oder nur konsequent? - Es spielt letztlich keine Rolle.
"Col cuore in gola" Italien, Frankreich 1967, Regie: Tinto Brass, Drehbuch: Tinto Brass, Francesca Longa, Pierre Lévy, Sergio Donati (Roman), Darsteller : Jean-Louis Trintignant, Ewa Aulin, Charles Kohler, Vira Silenti, Monique Scoazec, Laufzeit : 100 Minuten
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