Inhalt: Ein
Mann (Franco Nero), der zu Fuß einen Sarg hinter sich her zieht, wird Zeuge,
wie Mitglieder einer mexikanischen Gang eine junge Frau überwältigen, fesseln
und auszupeitschen beginnen. Bis sie von amerikanischen Männern plötzlich
erschossen werden. Doch diese wollten keineswegs die Gefangene befreien,
sondern bereiten ein Kreuz vor, an das sie sie als Verräterin ihrer Rasse
binden wollen, weil sie sich mit Mexikanern eingelassen hätte.
Inzwischen
hat sich der unbekannte, schwarz gekleidete Mann mit seinem Sarg der Szene
genähert und drückt sein Missfallen über das Verhalten der Männer aus. Diese
drohen ihm, aber er erschießt sie, ohne das sie reagieren können. Er stellt
sich Maria (Loredana Nusciak) als „Django“ vor, verspricht sie zu schützen und
nimmt sie mit an einen kleinen Ort, wo er ihr in dem Saloon das Zimmer einer
der Animierdamen besorgt. Nur wenig später kündigen sich Colonel Jackson und
seine Männer an, die zuvor aus Spaß wehrlose Menschen abgeknallt hatten. Die
Anwesenheit Djangos weckt sofort ihr Misstrauen…
In den
frühen 70er Jahren gab es einen harmlosen Kinderwitz, der gerne erzählt wurde:
Django
betritt eine Straßenbahn. Kurz darauf kommt der Fahrkartenkontrolleur auf ihn
zu und bittet ihn um seine Fahrkarte, worauf Django mit tiefer brummiger Stimme
entrüstet antwortet „Django kauft keinen Fahrschein!“ – (längere Pause) -
„Django hat eine Monatskarte!“
Ohne Django gesehen zu haben, wusste man auch als Kind, wie absurd ein solcher Wortwechsel war, denn sein Name war ein Markenzeichen, ein Synonym für Härte und Coolness. Daran wird deutlich, dass Sergio Corbucci - gemeinsam mit seinem Bruder Bruno, der am Drehbuch mitwirkte - eine Marke erschaffen hatte, die ins Bewusstsein der Gesellschaft eingedrungen war. Aus der heutigen Sicht wirkt das erstmalige Auftauchen dieser Figur wie eine Revolution im Western - weg vom amerikanischen Vorbild, hin zu einer schäbigen Realität mit herunter gekommenen Orten, durch die schlammige Straßen führten.
Tatsächlich hatte die Entwicklung in Richtung des Italo-Western schon deutlich
früher begonnen. Auch im amerikanischen Western der späten 50er und frühen 60er
Jahre hatten die Helden langsam ihren Glorienschein verloren. Klassiker wie
„Weites Land“, „Rio Bravo“ oder „Die 4 Söhne der Katie Elder“ vermittelten
schon einen staubigen Westen, in dem der Held sich mit Alkoholproblemen und
seiner bürgerlichen Umgebung herumschlagen musste. Und Sergio Leone hatte 1964
Clint Eastwood in „Per un pugno di Dollari“ (Für eine Handvoll Dollar) als coolen
Helden eingeführt, der überirdisch schießen konnte und dem moralische Bedenken
fremd waren. Dagegen wirkt „Django“, für den Corbucci den damals noch
unbekannten Franco Nero verpflichtete, wie eine ehrliche Haut. Seine Beweggründe
sind moralisch nachvollziehbar und er verwandelt sich zunehmend von einem
coolen Revolverhelden zu einem Märtyrer.
Django ist
eine ins Extreme gesteigerte, aus schon bekannten Versatzstücken zusammen
gesetzte Figur, die auf die Komödien - und Historienfilm - Vergangenheit Corbuccis
zurückzuführen ist. In den späten 50er und frühen 60er Jahren wechselten sich
Filme mit antiken Helden wie „Il figlio di spartacus“ (Der Sohn des Spartacus,
1963) mit einer Vielzahl von Komödien ab, in denen meistens Totò die Hauptrolle
spielte – unter anderen „Totò, Peppino…e la dolce vita“ (Toto, Peppino und das
süße Leben, 1961), eine Persiflage auf Fellinis Film – bis sich Corbucci an
seinen ersten Western wagte. „Massacro al grande Canyon“ (Keinen Cent für
Ringos Kopf, 1964) drehte er noch unter dem Pseudonym Stanley Corbett als
Co-Regisseur, bevor er mit „Minnesota Clay“ (1964) seinen ersten Western unter
eigenem Namen heraus brachte, der sich noch am us-amerikanischen Genre
orientierte.
Bei
„Django“ nahm er wieder die Mithilfe seines Bruders in Anspruch, der sich zuvor
vor allem als Drehbuchautor von Komödien einen Namen gemacht hatte. Vielleicht
war es diese Zusammenarbeit, die sich noch einmal bei „Il grande silenzio“
(Leichen pflastern seinen Weg, 1968) wiederholte, die zur Geburt eines
künstlichen Heldentypus führte, der zum Markenzeichen des Italo - Western
wurde, obwohl Corbucci an dessen Entwicklung bis zu „Django“ nicht beteiligt
war. Seine späteren Western "Navajo Joe" (1966), „Il Mercenario“ (Mercenario – der Gefürchtete,
1968) oder „Il grande silenzio“ verfügten nicht nur über vielschichtigere
Charaktere, sondern waren gesellschaftskritischer angelegt, wie auch „Il bestione“
(Die cleveren Zwei, 1974), einem Film, der zwar in der italienischen Gegenwart
spielte, aber über einen ähnlichen Gestus verfügte. „Django“ wirkt dagegen fast
comichaft in seiner eindeutigen Stilisierung, nahe an einer Persiflage auf den
idealtypischen Italo – Westernhelden. Diese Vereinfachung der Symbole und die
damit verbundene Gewalt hatte es zuvor in dieser Eindeutigkeit im Western noch
nicht gegeben.
Django ist nicht
nur ein wortkarger Pistolero, der zu Fuß unterwegs ist, sondern er verbreitet
Schrecken wie der leibhaftige Tod, der einen Sarg hinter sich her schleift. Allein
schon diese Konstellation, die jeder praktischen Erwägung in einer archaischen
Umgebung spottet, ist pure Übertreibung, auch wenn der Sarg ein praktisches
Geheimnis birgt. Überleben kann er mit diesem Ballast nur, weil jede seiner Bewegungen
langsam und überlegt ist, außer er wird gezwungen zu schießen – dann ist er der
Schnellste und Treffsicherste. Doch anders als es seine Optik und sein
anfängliches Verhalten vermuten lassen, kann er vom Charakter her mit den
strahlenden Helden des amerikanischen Edelwestern problemlos mithalten. Schon zu
Beginn, als er die gefangen genommene Maria (Loredana Nusciak) befreit, wird
deutlich, dass er seine Fähigkeiten ausschließlich gegen bösartige Verbrecher
wendet, die allerdings deutlich in der Mehrzahl sind.
Einzig
seine kompromisslose Art, ohne Vorwarnung zu schießen, könnte man als
Kritikpunkt an seinem eindimensionalen Charakter ansehen, aber das relativiert
sich unmittelbar angesichts der zahlenmäßig überlegenen Horde, der er gegenüber
steht. Normale Verbrecher hätten dafür nicht ausgereicht, so das Corbucci
gleich eine Armada an sadistischen Schweinen auflaufen lässt, die wehrlosen
Menschen aus Spaß in den Rücken schießen. Menschliche Regungen sind diesen von
Colonel Jackson (Eduardo Fajardo) angeführten Rassisten, die in ihrem Fanatismus und ihren roten
Kapuzen an den Ku-Klux-Klan erinnern, selbstverständlich fremd. Auch die
mexikanische Gang, die sich mit Jacksons Truppe um dasselbe Terrain streitet,
führt sich gleich standesgemäß ein, indem deren Chef, General Hugo (José Bódalo), dem
bigotten Prediger des Ortes dessen eigenes Ohr verfüttert.
Nur Django
scheint sich bei dessen Auftauchen plötzlich zu verändern. Nicht nur, das ihn
mit dem mexikanischen General, der im eigenen Land nicht mehr willkommen ist,
scheinbar freundschaftliche Gefühle verbinden, auch sonst verliert er seine
bisherige Überlegenheit und handelt bei seinen Aktionen seltsam
unprofessionell. Die gesamte Episode mit General Hugo und seinen Männern wirkt
im Gesamtkontext unmotiviert und auch die Anspielungen auf eine Revolution in
Mexico bleiben wenig differenziert (anders als in Damiano Damianis „Quien sabe?“ (Töte Amigo!, 1966) oder in seinem eigenen Film "Il Mercenario"). Corbucci nutzt diese Szenerie nur, um Django vom
coolen Revolvermann zum Märtyrer werden zu lassen, der versucht, ein altes
Trauma zu überwinden.
Mit einer Realität,
wie sie in Sergio Leones oder Corbuccis späteren Western in ihrer schmutzigen
Optik auch immer erfahrbar blieb, hat das wenig zu tun, genauso wie Djangos
hehrer Charakter wenig mit Leones egoistischen und den menschlichen Dingen
zugetanen Protagonisten gemeinsam hat. In „Django“ gilt nur das Gesetz des
Stärkeren im Kampf „gut“ gegen „böse“ in einer gesetzlosen Umgebung, in der jeder Mensch, der sich nicht wehren kann, schon Opfer ist. Die
Abläufe bleiben vorhersehbar und die klischeehaften Dialoge sind in ihrer Ernsthaftigkeit
teilweise unfreiwillig komisch. Einzig der Inhalt des Sarges bleibt eine
gewisse Zeit ein Rätsel.
Ob die
Corbucci - Brüder die Figur des „Django“ selbst nicht ganz ernst nahmen, bleibt
fraglich, denn die beeindruckenden Bilder sind von morbider Qualität und die
Musik, besonders der Titelsong, verbreitet cooles Sixty-Feeling. Es gelang
ihnen der seltene Fall, mit ihrem Film einen Typus zu kreieren, der sich von
seiner filmischen Vorlage löste und bis in die Gegenwart überdauerte –
wahrscheinlich hätte ein zu komplexer Film mit vielschichtigen Charakteren
dabei nur gestört.
"Django" Italien / Spanien 1966, Regie: Sergio Corbucci, Drehbuch: Sergio Corbucci, Bruno Corbucci, Darsteller : Franco Nero, Loredana Nusciak, Eduardo Fajardo, José Bódalo, Ángel Álvarez, Laufzeit : 88 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Corbucci:
3 Kommentare:
Die Quelle für den Kinderwitz: Klimbim
Muß so 73/74 gewesen sein.
Da hat Alfons wohl gut recherchiert - das klingt plausibel. Übrigens sind mir die verschiedenen Djangowitze aus meiner Kindheit ebenfalls noch so halb im Ohr. Die Frage ist nur, ob so eine doch schnell gestrickte Klamaukserie wie Klimbim einfach schon umgehende Witze nachgespielt hat oder ob im Zeitalter von drei Fernsehprogrammen damals ein einziger Witz so eine enorme Verbreitung gefunden hat. Sei's drum.
Was ich zu DJANGO noch anmerken wollte, ist der Ursprung der Gewaltdarstellungen. Die scheinen mir weit eher in der Faschismus- und Weltkriegserfahrung der italienischen Regisseure zu liegen, als in irgendwelchen amerikanischen Quellen. Die Einbettung in Ku-Klux-Klan-Szenarien oder in den Hintergrund der mexikanischen Ereignisse ist da eher Hüllform. Das Mexikanische bot sich für Italiener einfach an, weil man ganz zwanglos die gemeinsamen katholischen Bildformeln und Rituale für die Inszenierung nutzen konnte.
Ich kann mich nur erinnern, das wir uns den "Django"-Witz natürlich in der Straßenbahn erzählten, mit der ich ab 1970 zur Schule unterwegs war. Ob er von "Klimbim" stammt oder von diesen aufgegriffen wurde, kann ich nicht beurteilen, klingt aber schlüssig. Entscheidend ist für mich, wie selbstverständlich der Witz von uns Kindern begriffen wurde, obwohl ich "Django" nicht kannte und "Klimbim" noch nicht sehen durfte.
Deine grundsätzlichen Bemerkungen zur Beeinflussung im Italo-Western, finde ich ebenfalls nachvollziehbar. In meiner Review ging es mir vor allem darum, warum ausgerechnet Corbucci, dessen zwei frühere Western noch ganz auf der amerikanischen Linie lagen, plötzlich ein solch extremes Werk herausbrachte. Den Grund dafür sehe ich vor allem im Einfluss seines Bruders Bruno, der als Autor vieler Komödien geübt darin war, Dinge satirisch zuzuspitzen.
"Django" besitzt viele Momente, die stramm an der Satire vorbei rauschen - schönes Beispiel auch die Ankunft der Bande um Colonel Jackson, die sich damit ankündigt, wehrlose Mexikaner wie Tontauben abzuschießen. Warum und in welchem Zusammenhang, oder woher diese kamen, obwohl die Stadt sonst völlig ausgestorben ist? - Spielt keine Rolle, hauptsache der Betrachter weiß, was da für Sadisten kommen. Diese verfügen auch über entsprechende Fressen, die Corbucci in Großaufnahme zeigt, um sie dann sang- und klanglos von Django umnieten zu lassen. Das ist auch einfach urkomisch in dieser kompletten Reduzierung. Könnte glatt von "Klimbim" sein.
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