Dienstag, 17. Juli 2012

Django 1966 Sergio Corbucci


Inhalt: Ein Mann (Franco Nero), der zu Fuß einen Sarg hinter sich her zieht, wird Zeuge, wie Mitglieder einer mexikanischen Gang eine junge Frau überwältigen, fesseln und auszupeitschen beginnen. Bis sie von amerikanischen Männern plötzlich erschossen werden. Doch diese wollten keineswegs die Gefangene befreien, sondern bereiten ein Kreuz vor, an das sie sie als Verräterin ihrer Rasse binden wollen, weil sie sich mit Mexikanern eingelassen hätte.

Inzwischen hat sich der unbekannte, schwarz gekleidete Mann mit seinem Sarg der Szene genähert und drückt sein Missfallen über das Verhalten der Männer aus. Diese drohen ihm, aber er erschießt sie, ohne das sie reagieren können. Er stellt sich Maria (Loredana Nusciak) als „Django“ vor, verspricht sie zu schützen und nimmt sie mit an einen kleinen Ort, wo er ihr in dem Saloon das Zimmer einer der Animierdamen besorgt. Nur wenig später kündigen sich Colonel Jackson und seine Männer an, die zuvor aus Spaß wehrlose Menschen abgeknallt hatten. Die Anwesenheit Djangos weckt sofort ihr Misstrauen…


In den frühen 70er Jahren gab es einen harmlosen Kinderwitz, der gerne erzählt wurde:

Django betritt eine Straßenbahn. Kurz darauf kommt der Fahrkartenkontrolleur auf ihn zu und bittet ihn um seine Fahrkarte, worauf Django mit tiefer brummiger Stimme entrüstet antwortet „Django kauft keinen Fahrschein!“ – (längere Pause) - „Django hat eine Monatskarte!“

Ohne Django gesehen zu haben, wusste man auch als Kind, wie absurd ein solcher Wortwechsel war, denn sein Name war ein Markenzeichen, ein Synonym für Härte und Coolness. Daran wird deutlich, dass Sergio Corbucci - gemeinsam mit seinem Bruder Bruno, der am Drehbuch mitwirkte - eine Marke erschaffen hatte, die ins Bewusstsein der Gesellschaft eingedrungen war. Aus der heutigen Sicht wirkt das erstmalige Auftauchen dieser Figur wie eine Revolution im Western - weg vom amerikanischen Vorbild, hin zu einer schäbigen Realität mit herunter gekommenen Orten, durch die schlammige Straßen führten.

Tatsächlich hatte die Entwicklung in Richtung des Italo-Western schon deutlich früher begonnen. Auch im amerikanischen Western der späten 50er und frühen 60er Jahre hatten die Helden langsam ihren Glorienschein verloren. Klassiker wie „Weites Land“, „Rio Bravo“ oder „Die 4 Söhne der Katie Elder“ vermittelten schon einen staubigen Westen, in dem der Held sich mit Alkoholproblemen und seiner bürgerlichen Umgebung herumschlagen musste. Und Sergio Leone hatte 1964 Clint Eastwood in „Per un pugno di Dollari“ (Für eine Handvoll Dollar) als coolen Helden eingeführt, der überirdisch schießen konnte und dem moralische Bedenken fremd waren. Dagegen wirkt „Django“, für den Corbucci den damals noch unbekannten Franco Nero verpflichtete, wie eine ehrliche Haut. Seine Beweggründe sind moralisch nachvollziehbar und er verwandelt sich zunehmend von einem coolen Revolverhelden zu einem Märtyrer.

Django ist eine ins Extreme gesteigerte, aus schon bekannten Versatzstücken zusammen gesetzte Figur, die auf die Komödien - und Historienfilm - Vergangenheit Corbuccis zurückzuführen ist. In den späten 50er und frühen 60er Jahren wechselten sich Filme mit antiken Helden wie „Il figlio di spartacus“ (Der Sohn des Spartacus, 1963) mit einer Vielzahl von Komödien ab, in denen meistens Totò die Hauptrolle spielte – unter anderen „Totò, Peppino…e la dolce vita“ (Toto, Peppino und das süße Leben, 1961), eine Persiflage auf Fellinis Film – bis sich Corbucci an seinen ersten Western wagte. „Massacro al grande Canyon“ (Keinen Cent für Ringos Kopf, 1964) drehte er noch unter dem Pseudonym Stanley Corbett als Co-Regisseur, bevor er mit „Minnesota Clay“ (1964) seinen ersten Western unter eigenem Namen heraus brachte, der sich noch am us-amerikanischen Genre orientierte.

Bei „Django“ nahm er wieder die Mithilfe seines Bruders in Anspruch, der sich zuvor vor allem als Drehbuchautor von Komödien einen Namen gemacht hatte. Vielleicht war es diese Zusammenarbeit, die sich noch einmal bei „Il grande silenzio“ (Leichen pflastern seinen Weg, 1968) wiederholte, die zur Geburt eines künstlichen Heldentypus führte, der zum Markenzeichen des Italo - Western wurde, obwohl Corbucci an dessen Entwicklung bis zu „Django“ nicht beteiligt war. Seine späteren Western "Navajo Joe" (1966), „Il Mercenario“ (Mercenario – der Gefürchtete, 1968) oder „Il grande silenzio“ verfügten nicht nur über vielschichtigere Charaktere, sondern waren gesellschaftskritischer angelegt, wie auch „Il bestione“ (Die cleveren Zwei, 1974), einem Film, der zwar in der italienischen Gegenwart spielte, aber über einen ähnlichen Gestus verfügte. „Django“ wirkt dagegen fast comichaft in seiner eindeutigen Stilisierung, nahe an einer Persiflage auf den idealtypischen Italo – Westernhelden. Diese Vereinfachung der Symbole und die damit verbundene Gewalt hatte es zuvor in dieser Eindeutigkeit im Western noch nicht gegeben.

Django ist nicht nur ein wortkarger Pistolero, der zu Fuß unterwegs ist, sondern er verbreitet Schrecken wie der leibhaftige Tod, der einen Sarg hinter sich her schleift. Allein schon diese Konstellation, die jeder praktischen Erwägung in einer archaischen Umgebung spottet, ist pure Übertreibung, auch wenn der Sarg ein praktisches Geheimnis birgt. Überleben kann er mit diesem Ballast nur, weil jede seiner Bewegungen langsam und überlegt ist, außer er wird gezwungen zu schießen – dann ist er der Schnellste und Treffsicherste. Doch anders als es seine Optik und sein anfängliches Verhalten vermuten lassen, kann er vom Charakter her mit den strahlenden Helden des amerikanischen Edelwestern problemlos mithalten. Schon zu Beginn, als er die gefangen genommene Maria (Loredana Nusciak) befreit, wird deutlich, dass er seine Fähigkeiten ausschließlich gegen bösartige Verbrecher wendet, die allerdings deutlich in der Mehrzahl sind.

Einzig seine kompromisslose Art, ohne Vorwarnung zu schießen, könnte man als Kritikpunkt an seinem eindimensionalen Charakter ansehen, aber das relativiert sich unmittelbar angesichts der zahlenmäßig überlegenen Horde, der er gegenüber steht. Normale Verbrecher hätten dafür nicht ausgereicht, so das Corbucci gleich eine Armada an sadistischen Schweinen auflaufen lässt, die wehrlosen Menschen aus Spaß in den Rücken schießen. Menschliche Regungen sind diesen von Colonel Jackson (Eduardo Fajardo) angeführten Rassisten, die in ihrem Fanatismus und ihren roten Kapuzen an den Ku-Klux-Klan erinnern, selbstverständlich fremd. Auch die mexikanische Gang, die sich mit Jacksons Truppe um dasselbe Terrain streitet, führt sich gleich standesgemäß ein, indem deren Chef, General Hugo (José Bódalo), dem bigotten Prediger des Ortes dessen eigenes Ohr verfüttert.

Nur Django scheint sich bei dessen Auftauchen plötzlich zu verändern. Nicht nur, das ihn mit dem mexikanischen General, der im eigenen Land nicht mehr willkommen ist, scheinbar freundschaftliche Gefühle verbinden, auch sonst verliert er seine bisherige Überlegenheit und handelt bei seinen Aktionen seltsam unprofessionell. Die gesamte Episode mit General Hugo und seinen Männern wirkt im Gesamtkontext unmotiviert und auch die Anspielungen auf eine Revolution in Mexico bleiben wenig differenziert (anders als in Damiano Damianis „Quien sabe?“ (Töte Amigo!, 1966) oder in seinem eigenen Film "Il Mercenario"). Corbucci nutzt diese Szenerie nur, um Django vom coolen Revolvermann zum Märtyrer werden zu lassen, der versucht, ein altes Trauma zu überwinden.

Mit einer Realität, wie sie in Sergio Leones oder Corbuccis späteren Western in ihrer schmutzigen Optik auch immer erfahrbar blieb, hat das wenig zu tun, genauso wie Djangos hehrer Charakter wenig mit Leones egoistischen und den menschlichen Dingen zugetanen Protagonisten gemeinsam hat. In „Django“ gilt nur das Gesetz des Stärkeren im Kampf „gut“ gegen „böse“ in einer gesetzlosen Umgebung, in der jeder Mensch, der sich nicht wehren kann, schon Opfer ist. Die Abläufe bleiben vorhersehbar und die klischeehaften Dialoge sind in ihrer Ernsthaftigkeit teilweise unfreiwillig komisch. Einzig der Inhalt des Sarges bleibt eine gewisse Zeit ein Rätsel.

Ob die Corbucci - Brüder die Figur des „Django“ selbst nicht ganz ernst nahmen, bleibt fraglich, denn die beeindruckenden Bilder sind von morbider Qualität und die Musik, besonders der Titelsong, verbreitet cooles Sixty-Feeling. Es gelang ihnen der seltene Fall, mit ihrem Film einen Typus zu kreieren, der sich von seiner filmischen Vorlage löste und bis in die Gegenwart überdauerte – wahrscheinlich hätte ein zu komplexer Film mit vielschichtigen Charakteren dabei nur gestört.

"Django" Italien / Spanien 1966, Regie: Sergio Corbucci, Drehbuch: Sergio Corbucci, Bruno Corbucci, Darsteller : Franco Nero, Loredana Nusciak, Eduardo Fajardo, José Bódalo, Ángel Álvarez, Laufzeit : 88 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Sergio Corbucci:

3 Kommentare:

  1. Die Quelle für den Kinderwitz: Klimbim
    Muß so 73/74 gewesen sein.

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  2. Da hat Alfons wohl gut recherchiert - das klingt plausibel. Übrigens sind mir die verschiedenen Djangowitze aus meiner Kindheit ebenfalls noch so halb im Ohr. Die Frage ist nur, ob so eine doch schnell gestrickte Klamaukserie wie Klimbim einfach schon umgehende Witze nachgespielt hat oder ob im Zeitalter von drei Fernsehprogrammen damals ein einziger Witz so eine enorme Verbreitung gefunden hat. Sei's drum.

    Was ich zu DJANGO noch anmerken wollte, ist der Ursprung der Gewaltdarstellungen. Die scheinen mir weit eher in der Faschismus- und Weltkriegserfahrung der italienischen Regisseure zu liegen, als in irgendwelchen amerikanischen Quellen. Die Einbettung in Ku-Klux-Klan-Szenarien oder in den Hintergrund der mexikanischen Ereignisse ist da eher Hüllform. Das Mexikanische bot sich für Italiener einfach an, weil man ganz zwanglos die gemeinsamen katholischen Bildformeln und Rituale für die Inszenierung nutzen konnte.

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  3. Ich kann mich nur erinnern, das wir uns den "Django"-Witz natürlich in der Straßenbahn erzählten, mit der ich ab 1970 zur Schule unterwegs war. Ob er von "Klimbim" stammt oder von diesen aufgegriffen wurde, kann ich nicht beurteilen, klingt aber schlüssig. Entscheidend ist für mich, wie selbstverständlich der Witz von uns Kindern begriffen wurde, obwohl ich "Django" nicht kannte und "Klimbim" noch nicht sehen durfte.

    Deine grundsätzlichen Bemerkungen zur Beeinflussung im Italo-Western, finde ich ebenfalls nachvollziehbar. In meiner Review ging es mir vor allem darum, warum ausgerechnet Corbucci, dessen zwei frühere Western noch ganz auf der amerikanischen Linie lagen, plötzlich ein solch extremes Werk herausbrachte. Den Grund dafür sehe ich vor allem im Einfluss seines Bruders Bruno, der als Autor vieler Komödien geübt darin war, Dinge satirisch zuzuspitzen.

    "Django" besitzt viele Momente, die stramm an der Satire vorbei rauschen - schönes Beispiel auch die Ankunft der Bande um Colonel Jackson, die sich damit ankündigt, wehrlose Mexikaner wie Tontauben abzuschießen. Warum und in welchem Zusammenhang, oder woher diese kamen, obwohl die Stadt sonst völlig ausgestorben ist? - Spielt keine Rolle, hauptsache der Betrachter weiß, was da für Sadisten kommen. Diese verfügen auch über entsprechende Fressen, die Corbucci in Großaufnahme zeigt, um sie dann sang- und klanglos von Django umnieten zu lassen. Das ist auch einfach urkomisch in dieser kompletten Reduzierung. Könnte glatt von "Klimbim" sein.

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