Doch dieser kann seine Verfolger abschütteln und entkommt aus England, allerdings nicht ohne Inspektor Milton zuvor die Krone zuzusenden, als Gegenleistung für die Rettung vor dem Strick. Denn inzwischen verfolgt Kriminal neue Ziele...
Selbst in Italien, wo das Medium Comic deutlich früher kulturelle Akzeptanz erfuhr, als in Deutschland, hatte die von Max Bunker ersonnene Comicserie "Kriminal" erheblich mit der Zensur zu kämpfen. In der Frühphase des "Fumetto nero", in der ersten Hälfte der 60er Jahre, galten das zynische und kompromisslose Verhalten des Protagonisten, und besonders dessen eindeutigen sexuellen Handlungen als Provokation, was dem Erfolg bei den Lesern allerdings keinen Abbruch tat.
Trotzdem überraschte die frühe Umsetzung des Stoffs in einem Film, denn was in den Comicheften zumindest eingeschränkt möglich war, konnte noch nicht auf die Leinwand gebracht werden. Umberto Lenzis Drehbuch auf Basis des Comics merkt man diesen Kompromiss zugunsten einer Kinoverträglichkeit entsprechend deutlich an, denn "Kriminal" orientierte sich mehr an der erfolgreichen Welle der James Bond-Filme, als an der Originalvorlage. Das beginnt schon bei dem Skelett - Kostüm, dem eigentlichen Markenzeichen des "Kriminal", dass hier nur selten und unmotiviert verwendet wird. Schon gar nicht zu einem Inkognito, denn jedes Mal, wenn Kriminal (Glenn Saxson) es benutzt, zieht er sich die Maske vom Kopf.
Das überrascht auch nicht, denn der holländische Mime sollte in seiner ersten Rolle vor allem mit Blondhaar und angenehmen Gesichtszügen überzeugen, die seinen schnellen Erfolg beim weiblichen Geschlecht schlüssig werden ließen, weshalb Lenzi sich auch gar nicht erst mit einer Charakterisierung des Protagonisten oder dessen Entwicklung zum Meisterverbrecher aufhielt. Stattdessen fängt er gleich mit dessen Hinrichtung an, die auf Grund seines Diebstahls der königlichen Krone in London per Strick ausgeführt werden soll. Dass er entkommt, war ebenso folgerichtig, allerdings weniger der Fakt, dass ausgerechnet sein Hauptfeind, Inspektor Milton (Andrea Bosic) von Scotland Yard, dafür zuständig war. Dieser versprach sich davon, das Versteck der Krone herauszubekommen, was zwar nicht klappt, weil Kriminal natürlich seinen Verfolgern entwischen kann, aber er revanchiert sich für seine Rettung mit der Rückgabe der Krone.
Mit dieser Anfangssequenz gibt Umberto Lenzi dem Film seine Linie vor – gewohnt elegante Locations, vor allem in Istanbul, wo der größte Teil der weiteren Handlung stattfindet, eine schnelle, in ihrer Logik zwar nicht immer nachvollziehbare Handlung, die sich aber - grafisch gekonnt - mit ihrem Comiccharakter herausredet, das ständige Katz- und Mausspiel zwischen Kriminal und dem Inspektor, dass ein wenig an die ebenfalls zu dieser Zeit populären „Fantomas“ Filme erinnert, und nicht zuletzt viele schöne Frauen, von denen sich vor allem das deutschstämmige Model Helga Liné als Zwillingsschwestern Inge/Trude hervor tat, die Kriminal das Leben richtig schwer machten. Kurz, „Kriminal“ kann jederzeit mit einer abwechslungsreichen Handlung und seinen optischen Vorzügen unterhalten, konnte aber nicht annähernd an die Erfolge oder gar die Popularität der Bond oder Fantomas - Filme heranreichen, weshalb der Film, trotz der Fortsetzung „Il marchio di Kriminal“ zwei Jahre später, in Vergessenheit geriet.
Der Grund dafür liegt ausgerechnet in dem stilistischen Element, das den Film noch heute, über den 60er Jahre Zeitgeist hinaus, ansehenswert macht. Trotz aller Glättung der originalen Comicvorlage, macht auch Lenzis Film kein Geheimnis daraus, dass Kriminal ein Verbrecher ist, der zum eigenen Vorteil rücksichtslos mordet. Anders als „Fantomas“, und schon gar nicht vergleichbar mit James Bonds Gentleman – Rolle, bleibt die Identifikation mit dem Protagonisten schwierig. Schon durch den Verzicht auf historische Hintergründe der Hauptperson, fehlt eine moralische Differenzierung seiner Handlungen. Sein Wunsch, die Juwelen zu stehlen, basiert ausschließlich auf dem Gedanken einer Bereicherung.
Dass er sie anderen Kriminellen abnehmen will, die zuvor Versicherungsbetrug begingen, verhindert, dass seine Rolle nicht eindeutig negativ besetzt ist, ebenso wie der Fakt, dass er nur Menschen ermordet, die mit ihm auch nichts anderes vorhatten. Aber mit echter Selbstverteidigung haben seine Säure - Anschläge und geschickt inszenierten Tötungen nichts zu tun, auch wenn sie nicht gerade Sympathieträger treffen. Ähnliches gilt für seine Liebschaften, die – wie im Comic - immer aus einer Mischung aus Angst und Faszination bei den Frauen entstehen, denn sie verfügen weder über emotionale Nähe, noch über die Nonchalance Bondscher Liebesabenteuer.
Wenn Lenzi tatsächlich eine Art italienischer Bond entwickeln wollte, stellt sich die Frage, warum er ausgerechnet die Comicvorlage „Kriminal“ dafür wählte. Dessen Intelligenz und Erfolg bei den Frauen, waren nur äußerliche Parallelen, genauso wie seine englische Herkunft, die hier wenig authentisch umgesetzt wurde. Der Film glänzt dagegen mit Lenzis Fähigkeit zur coolen Inszenierung und einem Drehbuch, das seine Herkunft doch nicht vollständig verleugnen kann. Aus heutiger Sicht wirkt die ambivalente Gestaltung des Protagonisten, die sich nicht an einen - auch noch heute üblichen – Moralkodex hält, mutig.
"Kriminal" Italien, Spanien 1966, Regie: Umberto Lenzi, Drehbuch: Umberto Lenzi, Max Bunker (Comic), Darsteller : Glenn Saxson, Helga Liné, Andrea Bosic, Ivano Staccioli, Maria Luisa Rispoli, Laufzeit : 93 Minuten
weitere im Blog besprochene Filme von Umberto Lenzi:
"Paranoia" (1970)
"Milano odia: la polizia non può sparare" (1974)
"Il giustiziere sfida la città" (1975)
"Milano odia: la polizia non può sparare" (1974)
"Il giustiziere sfida la città" (1975)
"Roma a mano armata" (1976)
"Il trucido e lo sbirro" (1976)
"La banda del gobbo" (1978)
"Incubo sulla città contaminata" (1980)
1 Kommentar:
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