Inhalt: Episode 1 „Fata Sabina“ (Regie Luciano Salce):
Sabina (Monica Vitti) rennt panikartig durch
den Wald, verfolgt von einem Mann, der sie mit allen Mitteln zu fassen
versucht. Glücklicherweise kommt ihr ein Autofahrer zu Hilfe, der die
flüchtende Frau mitnimmt. Aufgeregt schildert Sabina diesem die vorherigen Ereignisse,
alles in detaillierter Form ausmalend. Wenig später rennt sie erneut durch den
Wald…
Episode 2 „Fata Armenia“ (Regie Mario Monicelli):
Der
Kinderarzt Dr. Aldini (Gastone Moschin) ersteigt das Dach eines Palazzo, um ein
Baby zu untersuchen, das dort aus seiner Sicht in prekären Verhältnissen
lebt. Die ledige junge Mutter Armenia (Claudia Cardinale) betrachtet die
Situation dagegen sehr entspannt und konfrontiert den Doktor nicht nur mit
ihrer leichtfertigen Art, sondern auch mit einer direkten Erotik, der er nicht
gewachsen ist. Als sie am nächsten Tag mit ihrem Kind bei ihm in der Praxis
steht, selbstverständlich die Warteschlange ignorierend, ist er unfähig, ihr
Einhalt zu gebieten…
Episode 3 „Fata Elena“ (Regie Mauro Bolognini):
Luigi (Jean
Sorel) scharwenzelt um die schöne Elena (Raquel Welsh) herum und versucht einen
Kuss zu erhaschen. Diesen gewährt sie ihm, ziert sich sonst aber und widmet
sich scheinbar ihrer Handarbeit. Als plötzlich ihr Ehemann das moderne Haus
betritt, sieht Luigi zu, dass er durch den Hintereingang verschwindet, um ins
Nachbarhaus zurückzugehen…
Episode 4 „Fata Marta“ (Regie Antonio Pietrangeli):
Giovanni
(Alberto Sordi) arbeitet bei einer mondänen Abendveranstaltung als Kellner und
versucht so gut es geht, Ruhe innerhalb der immer ausgelasseneren Gesellschaft
zu bewahren. Doch als die betrunkene Marta (Capucine) ihn zu sich bestellt und
ihn unmissverständlich verführt, kann er sich nicht entziehen und schläft mit
ihr. Überraschend erfährt er am nächsten Morgen, dass ihn die Gastgeberin des
Festes als Diener und Chauffeur bei Marta und deren Mann, einem bekannten Arzt,
empfohlen hat. Erfreut nimmt er die Stelle an, in der Hoffnung Marta näher zu
kommen…
Betrachtet man die vielfältigen Filmtitel, unter denen
"Le fate" international vermarktet wurde, wirft das ein bezeichnendes
Licht auf den Versuch der Verleihfirmen, das jeweilige Publikum auf einen Film
einzustimmen, der die üblichen Erwartungshaltungen an eine frivole Komödie nicht
erfüllen wollte. Und sprach auf diese Weise das Urteil über vier schöne, erotische
Frauen, die in der ihnen jeweils gewidmeten Episode weder unbekleidet zu sehen
sind, noch beim Sex mit einem Mann. Mit Ausnahme eines sehr eingeschränkten
Beispiels in der vierten Episode "Fata Marta", haben sie überhaupt
keinen Sex.
Verleihtitel in den USA |
Die häufigste, in mehreren Sprachen gewählte Variante war
sie als "Königinnen" zu bezeichnen (US-Titel "The queens"),
vielleicht um damit ihre Unerreichbarkeit für die Männer noch zu betonen.
Weniger freundlich klang der spanische Titel "Las cuatro brujas" (Die
vier Hexen), der den Frauen Absicht bei ihrer nicht eingelösten
Verführungskunst unterstellte. Eine Ansicht, die offensichtlich auch der
französische Titel "Les ogresses" teilte, der die Frauen in die Nähe
weiblicher Ungeheuer rückte, speziell "männerfressende". Dagegen kam
der deutsche Verleihtitel "Die Gespielinnen" optimistischer daher,
löste aber das damit gegebene sexuelle Versprechen nicht ein. Außerhalb
Italiens verwendete Niemand den Originaltitel "Le fate" (Die Feen),
obwohl diese Bezeichnung den irrealen, nicht greifbaren Charakter sehr schön
erfasste – nicht allein in seiner Signifikanz für das weibliche Geschlecht,
mehr noch für die Unmöglichkeit einer funktionierenden Interaktion zwischen
Mann und Frau.
Mitte der 60er Jahre boomte das Thema Sex. Die
Nacktdarstellungen blieben zwar noch zurückhaltend, aber die thematische
Aufarbeitung hatte nach dem Ende der prüden 50er Jahre beinahe schon
inflationäre Ausmaße angenommen, auch dank der an „Le fate“ beteiligten
Regisseure und Drehbuchautoren. Mario Monicelli, dessen Komödien schon in den
50er Jahren mit moralischen Tabus brachen, hatte eine Episode zu „Boccaccio ‘70“ (1962) beigesteuert, der Initialzündung nicht nur für den italienischen
Episodenfilm der 60er Jahre, sondern auch der Nährboden für eine respektlose
Analyse des immer gleichen Themas – der Beziehung zwischen Mann und Frau. Galt
der konkrete Umgang mit der Sexualität in den 50er Jahren noch als Provokation
links-intellektueller Regisseure wie Alberto Lattuada („La spiaggia“ (Der
Skandal, 1954)), gehörten Themen wie Sex vor der Ehe, wechselnde
Partnerschaften oder Seitensprünge in der Ehe inzwischen zum gängigen
Repertoire.
Luciano Salce hatte in „La voglia matta“ (Lockende Unschuld,
1962) auf tragi-komische Weise die Konfrontation der älteren Generation mit
einer offen ihre Sexualität lebenden Jugend thematisiert und war im Jahr zuvor
mit der vielsagenden Episode „La moglie bionda“ (Die blonde Ehefrau) am
Episodenfilm „Oggi, domani, doppodomani“ (1965) beteiligt, dessen Titel „Heute,
morgen, übermorgen“ ähnlich wie „Boccaccio ‘70“ einen Blick in die Zukunft der
Beziehungsentwicklung andeuten sollte. Mauro Bolognini konzentrierte sich
zwischen 1964 und 1967 ausschließlich auf den Episodenfilm, schuf insgesamt
neun Kurzfilme, die sich alle um das Thema Frau, Sex und Begierde drehten und
Antonio Pietrangeli galt schon seit seinem Erstling „Il sole negli occhi“ (Die
Sonne in den Augen, 1953) als profunder Dokumentar der Rolle der Frau in der
italienischen Gesellschaft. 1965 war sein exemplarisches Werk „Io la conoscevo bene“ (Ich habe sie gut gekannt) über die nur scheinbare neue Freiheit junger
Frauen entstanden.
Angesichts dieser Voraussetzungen und der illustren
weiblichen Besetzungsliste Monica Vitti, Claudia Cardinale, Raquel Welsh und
Capucine lag die Erwartungshaltung an ein frech, frivoles Werk nah. Und genau
das wurde es auch, aber ohne gängige Muster zu bedienen. Die Frauen sind das
reinste Versprechen. Die Kamera streichelt ihre Körper, deutet nur an, ohne konkret
werden zu müssen. Kleidung, Frisuren, Autos und die Architektur strahlen
Extravaganz aus - nicht zuletzt auch die ärmliche Behausung von Armenia
(Claudia Cardinale) in der 2. Episode „Fata Armenia“, die auf dem Dach eines römischen
Palazzo wohnt. Und die Männer? – Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Der
gereifte Lebemann und Cabriolet-Fahrer Gianni (Enrico Maria Salerno), Dr. Aldini
(Gastone Moschin), ein sympathisch vertrottelter Kinderarzt, der schöne Nachbar
Luigi (Jean Sorel) und der Diener und Chauffeur Giovanni (Alberto Sordi).
Gemeinsam ist allen, dass sie nicht zueinander finden. Keineswegs
in der typischen Form einseitiger Anziehung und Ablehnung, wie es die diversen
Filmtitel suggerieren, sondern in einem komplexen Wirrwarr aus unterdrückten
Emotionen und aufrecht erhaltenen Konventionen, mit denen die Regisseure und
ihre nicht weniger prominenten Drehbuchautoren – darunter Suso Checchi D’Amico,
Ruggero Macchari und Tonino Guerra – die sexuelle Liberalisierung als äußerlichen
Schein enttarnten.
Dafür griffen sie auch zu plakativen Mitteln wie in der
ersten Episode „Fata Sabina“ unter der Regie Luciano Salces. Diese beginnt
damit, dass Sabina (Monica Vitti) vor einem Mann flüchtet, der sie
offensichtlich vergewaltigen will. Er lässt erst von ihr ab, als ein anderer
Mann mit seinem Auto am Straßenrand anhält und sie mitnimmt. Aufgeregt und
empört schildert sie ihrem Retter, einem bürgerlich biederen Typen, was ihr
wiederfahren ist, dabei ganz in ihrer sexy Körperlichkeit aufgehend. Mit dem
Ergebnis, dass der Mann nach kurzer Zeit nicht mehr an sich halten kann und
ebenfalls versucht, sie zu vergewaltigen. Bis sie erneut dank der Hilfe eines
Cabriolet-Fahrers (Enrico Maria Salerno) entkommen kann. Dieser lässt sich
durch ihr exaltiertes Auftreten nicht aus der Ruhe bringen und entpuppt sich
als erfahrener Liebhaber, wie sie bei einem Telefonat mit einer anderen Frau
mitanhören muss – schließlich ist sie es, die ihn verfolgt.
Der knapp 20minütige Kurzfilm dreht sich um das Vorurteil,
dass Frauen zwar beachtet werden wollen, sich dann aber wundern, wenn ihnen ein
Mann zu Nahe tritt. Werden sie dagegen ignoriert, gefällt es ihnen auch nicht,
worauf sie vehement Aufmerksamkeit einfordern. Monica Vittis Aktionismus und
Salernos phlegmatische Reaktion wandelten die Thematik in einen überdrehten
Witz, der aber keinen Zweifel an der Verklemmtheit aller Beteiligten beließ –
und damit die Richtung für den gesamten Film vorgab. Jede Episode widmet sich
einem typischen Frauen-Klischee und spielt es in zugespitzter Form durch.
Claudia Cardinale mimt in Episode 2 „Fata Armenia“ unter Mario
Monicellis Regie eine junge ledige Mutter aus einfachen Verhältnissen, die einen Kinderarzt mit ihrer unberechenbaren, fordernden Art beinahe in den
Wahnsinn treibt, der sich ihrer erotischen Ausstrahlung aber nicht entziehen
kann, die diametral zu seinem sonstigen Umfeld steht. „Fata Armenia“ zitiert
einen klassischen Komödien-Stoff – eine quirlige junge Schönheit verführt einen
etwas steifen älteren Intellektuellen mit Vorteilen für beide Seiten. Sie
entkommt der Armut, er wird zu einem sozialen Wesen. Eine vielfach von Sophia
Loren verkörperte Rolle („It started in Naples" (Es geschah in Neapel, 1960)), die trotz ihrer offen
eingesetzten Sexualität in moralisch einwandfreie Verhältnisse münden musste. Erwartungsgemäß
wählte „Fata Armenia“ eine eigenständige Auflösung jenseits des üblichen Happy-Ends,
blieb aber innerhalb des Films die freundlichste Episode.
Im Gegensatz zum dritten Teil „Fata Elena“, der sich dem
Thema „Gelangweilte Ehefrau in besten Verhältnissen hält sich einen Hausfreund“
annahm. Mauro Bolognini inszenierte diese kürzeste Episode in einem hoch
stilisierten Umfeld mit einer unterkühlt erotischen Raquel Welsh im
Mittelpunkt. Alles ist hypermodern und artifiziell. Die junge Elena vertreibt
sich die Zeit mit Handarbeiten, während der nicht minder attraktive Luigi (Jean
Sorel) charmant versucht eine Berührung oder einen Kuss von ihr zu erhaschen. Elena
ziert sich, um im nächsten Moment verführerische Nähe herzustellen – bis ihr
Ehemann auftaucht, weshalb Luigi sich durch einen Nebeneingang entfernt. In
Richtung eines im selben modernen Architektur-Stil gebauten Nachbargebäudes, wo
seine hübsche junge Ehefrau ebenfalls bei ihren Handarbeiten sitzt, während ein
anderer Mann das Haus verlässt. Pflegten die ersten beiden Episoden einen eindeutig
komödiantischen Stil, verbirgt die dritte ihren sarkastischen Humor
unter technologischer Stringenz – der Seitensprung wird zum angesagten
Bestandteil eines modernen Lebensstils.
Dass Regisseur Antonio Pietrangeli einen Ausschnitt dieser
dritten Episode „Fata Elena“ in seinem folgenden Film „Come, quando, perché“
(Wo, wann, mit wem?, 1969) zitierte – er zeigt eine Szene daraus bei einem
Kinobesuch der Protagonistin – , war als ironischer Kommentar zu verstehen, verdeutlicht
aber auch die Problematik hinsichtlich der Interpretation des Episodenfilms. Beschrieb
Pietrangeli in seinem wegen seines Unfalltods letzten Film ernsthaft und ohne
zu urteilen den Konflikt einer jungen Ehefrau zwischen Konventionen und moralischer
Liberalisierung, barg die Zuspitzung von Klischees in „Le fate“ die Gefahr
einseitiger Sympathien zugunsten der Männer. Gut an den internationalen
Filmtiteln abzulesen. Besonders die vierte unter Pietrangelis Regie entstandene
Episode „Fata Marta“ betonte dieses Ungleichgewicht durch die Gegenüberstellung
der französischen Darstellerin Capucine mit dem beliebten italienischen
Volksschauspieler Alberto Sordi.
Die damals 40jährige Capucine, ein ehemaliges Mannequin, ist
wunderschön in ihrer Rolle als standesbewusste Ehefrau eines hochangesehenen
Arztes, schläft mit ihrem Diener und Chauffeur Giovanni (Alberto Sordi) aber
nur unter Alkoholeinfluss, um ihn am nächsten Tag, ohne sich an ihre nächtlichen
Abenteuer zu erinnern, wieder wie einen Domestiken zu behandeln. Giovanni hegt
dagegen ernsthafte Gefühle für sie und spricht sie vorsichtig darauf an - mit
niederschmetterndem Ergebnis. Am Ende toleriert er ihre Erniedrigungen, um in
ihrer Nähe bleiben zu können – sein letzter Blick fällt durch den
Fahrzeug-Spiegel auf ihre Beine.
Pietrangeli nahm in „Fata Marta“ die Thematik unterdrückter
Emotionen seines nächsten Films vorweg, reihte sich aber mit seiner Episode in
den sonstigen Charakter des Films ein, die Klischeehaftigkeit dieser
Konstellationen humorvoll zu übertreiben. Angesichts der schönen Frauen und
unterhaltsam inszenierten Stories ein abwechslungsreiches Vergnügen, dessen
Erotik unterschwellig blieb. Allerdings bedarf es einer erheblichen
Abstrahierung, um den Subtext einer generellen Beziehungsunfähigkeit beider
Geschlechter zu erfassen und die Schuld nicht allein den Frauen zuzuweisen.
weitere im Blog besprochene Filme von Luciano Salce:
"La voglia matta" (1962)
"Come imparai ad amare le donne" (1966)
"Fantozzi" (1975)
- weitere im Blog besprochene Filme von Mario Monicelli :
"La ragazza con la pistola" (1968)
"I nuovi mostri" (1977)
- weitere im Blog besprochene Filme von Mauro Bolognini :
"I nuovi mostri" (1977)
- weitere im Blog besprochene Filme von Mauro Bolognini :
"Porträt Antonio Pietrangeli"
"Il sole negli occhi" (1953)
"Amori di mezzo secolo" (1954)
"Adua e le compagne" (1960)
"La parmigiana" (1963)
"La visita" (1963)
"Io la conoscevo bene" (1965)
"Come, quando, perché" (1969)
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