Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Montag, 14. April 2014

L'ultimo cacciatore (Jäger der Apokalypse) 1980 Antonio Margheriti

Inhalt: Nachdem Captain Henry Morris (David Warbeck) nicht verhindern konnte, dass einer seiner besten Freunde erst einen Kameraden und dann sich selbst erschoss, ist er bereit, einen gefährlichen Auftrag anzunehmen, der ihn mitten in den vom Vietcong kontrollierten Dschungel führt. Er soll eine Radiostation zerstören, deren englischsprachige Sendung die Moral der US-Soldaten untergräbt.

Nachdem er von einem Hubschrauber abgesetzt wurde, trifft er auf eine Gruppe Soldaten und die Kriegsberichterstatterin Jane Foster (Tisa Ferrow), die ihre Aktion begleiten will. Morris macht sich sofort auf den Weg, der ihn zu einer mitten im Dschungel stationierten, von vietnamesischen Kämpfern umzingelten US-Einheit führt, die jede militärische Disziplin vermissen lässt...


Nach einer längeren Durststrecke in der ersten Hälfte der 70er Jahre - Kriegs-Action galt angesichts der Protestbewegung gegen den Vietnam-Krieg als wenig opportun - hatte die italienische Filmindustrie auch das Kriegsfilm-Genre wieder entdeckt. Umberto Lenzi brachte mit "Il grande attacco" (Die große Offensive, 1978) und "Da Dunkerque alla vittoria" (Nur Drei kamen durch, 1979) zwei mit internationaler Beteiligung gedrehte Weltkrieg II-Filme auf die Leinwand, die parallel zur beginnenden Welle der Hollywood-Epigonen und im Dschungel gedrehten Kannibalen-Filme entstanden. Auch Regisseur Antonio Margheriti hatte sich in dieser Hinsicht vorgetan, war mit "Killer-Fish" (Piranha II - Die Rache der Killerfische, 1978) auf Spielbergs "Der weiße Hai"-Spuren gewandelt und schuf mit "Apocalypse domani" (Asphalt-Kannibalen, 1980) einen Film, der die Vietnam-Thematik schon streifte, sie aber mit der aktuellen Zombie/Kannibalismuswelle verband. 

"L'ultimo cacciatore" (Jäger der Apokalypse) kam nicht nur unmittelbar nach "Apocalypse domani" in die italienischen Kinos, sondern wurde ebenfalls nach einem Drehbuch von Dardano Sacchetti auf den Philippinen gedreht. Weitere Querverbindungen sind trotz der verschiedenen Produzenten und Darsteller - wie im italienischen Film-Business gewohnt - mannigfaltig. Die Karriere von Gianfranco Couyoumdijan als Produzent und später Co-Autor fand im Erotik- („La bella Antonia, prima Monica e poi Domina“ (Wehe, wenn die Lust uns packt, 1972) und im Polizieschi-Genre („La banda del trucido“ (Die Gangster-Akademie, 1977) ihren Ursprung, bevor er mit „Zombie Holocaust“ (Zombies unter Kannibalen, 1980) seinen Beitrag zur Kannibalismus-Welle leistete. Mit Dardano Sacchetti hatte er erstmals bei „La banda del trucido“ zusammengearbeitet, der parallel das Drehbuch zu Lucio Fulcis „Paura nella città die morti viventi“ (Ein Zombie hing am Glockenseil, 1980) schrieb. In Fulcis Vorgängerfilm „Zombie 2“ (Woodoo,1979) war neben ihm und Couyoumdjian auch Tisa Ferrow schon mit an Bord, die im selben Jahr noch in D’Amatos „Antropophagus“ (Man-Eater,1980) in der weiblichen Hauptrolle auftrat, bevor sie ihre Karriere früh beendete. 

Dass die Produzenten von „Apocalypse domani“ zuvor schon an Lenzis Kriegsfilm „Nur Drei kamen durch“ beteiligt waren, überrascht da schon nicht mehr, denn „L’ultimo cacciatore“ kombinierte eine Vielzahl damals aktueller Strömungen: die Kriegsfilmthematik - konsequent an den Hollywood-Vorbildern „The deer hunter“ (Die durch die Hölle gehen, 1978) und „Apocalypse now“ (1979) orientiert - die vom Kannibalismusfilm gewohnte exotische Dschungel-Optik und diverse Splatter-Einlagen, die gemessen an den üblichen Kriegsverletzungen übertrieben wirkten. Als einer der verzichtbaren Begleit-Soldaten von einer mit angespitzten Bambushölzern ausgestatteten Falle erwischt wird, quellen gleich seine Gedärme heraus. Entsprechend wenig Reputation erfuhr Margheritis Film, der trotz der zitierten Hollywood-Antikriegsfilme schnell den Ruf eines reinen Action- und Baller-Vehikels erhielt, dass den Hintergrund des Vietnam-Kriegs nur für eine besonders gewalttätige und dreckige Umsetzung nutzte. Auch Regisseur Margheriti machte keinen Hehl aus seinen vor allem der Unterhaltung dienenden Absichten mit einem US-Soldaten als Helden im Mittelpunkt, der sich im Dschungel einem gesichtslosen Vietcong ausgesetzt sieht.

Angesichts der sensiblen Thematik um den erst wenige Jahre zuvor beendeten Kampfeinsatz der US-Armee, war eine differenzierte Betrachtungsweise zur Entstehungszeit des Films kaum zu erwarten, aber „L’ultimo cacciatore“ vermittelt aus heutiger Sicht trotz der ausführlich gezeigten Kampfhandlungen weder einen befriedigenden, noch heroischen Charakter und verwendete die Zitate aus „Deer hunter“ und „Apocalypse now“ eigenständig. Michael Ciminos „Deer hunter“ wird nur in einer der letzten Szenen des Films konkret kopiert, als Captain Morris (David Warbeck) in einen Wasserkäfig gesperrt wird, wo er nicht nur von Wasserratten angegriffen wird, sondern miterleben muss, wie ein Mithäftling aufgefressen wird. Wie üblich steigerten die italienischen Epigonen das Gewalt-Level der US-Vorbilder, aber damit verstießen sie auch gegen deren Tabus. Der Wahnsinn, der in Coppolas „Apocalypse now“ zum allgegenwärtigen, bewusst überzeichneten Zustand innerhalb der US-Armee wird, bekam in „L’ultimo cacciatore“ einen realistischeren Anstrich und vermittelte einen ungeschönten Blick. 

John Steiner als Befehlshaber einer mitten im Dschungel stationierten Einheit verwahrloster und unmotivierter Soldaten wirkt im Vergleich zu Marlon Brandos ähnlich angelegter Rolle in Coppolas Film zwar wie ein seriöser Offizier, schickt aber einen seiner Männer nur zum Spaß unter dem Dauerbeschuss der Vietnamesen in den Urwald, um eine Kokosnuss vom Baum zu pflücken. Besonders die Eingangssequenz, in der ein alter Freund von Captain Morris erst einen Kameraden und dann sich selbst in einem herunter gekommenen Strip-Lokal erschießt oder später die Vergewaltigungsszene um die Bildreporterin Jane Foster (Tisa Ferrow) lassen kein gutes Haar an den US-Soldaten, die gegenüber den anonym bleibenden vietnamesischen Angreifern größtenteils als wehrloses Kanonenfutter herhalten müssen. 

Margheriti verfolgte damit weder kritische Absichten, noch bemühte er gesellschaftspolitische Zusammenhänge, aber die geradlinige und kurzweilige Inszenierung lässt in ihrer kompromisslosen Direktheit keine positiven Emotionen aufkommen - zu verdanken auch dem reduzierten, in der Originalfassung wortkargen Spiel des Neuseeländers David Warbeck, der der Hauptrolle in „L’ultimo cacciatore“ nach jahrelanger Untätigkeit seine zweite Karriere als Schauspieler verdankte. Zwar schlägt er sich erfolgreich durch alle Widrigkeiten, aber patriotische Töne sind von ihm nicht zu hören. Sein gern zitierter Satz, er hasse den Vietcong nicht, sondern erschießt ihn, wirkt aus dem Zusammenhang gerissen zynisch und menschenverachtend, verliert diese Dimension aber angesichts der Beiläufigkeit, mit der Captain Morris nicht nur so die Frage der Journalistin beantwortet, sondern generell seinem Auftrag nachgeht. Der Anlass, eine die Moral der US-Armee untergrabende Radio-Station auszuheben, mag etwas konstruiert scheinen, aber die Szenen, in denen die Soldaten zu der freundlichen weiblichen Stimme abgeschlachtet werden, die ihnen empfiehlt, sich lieber nach Hause zu ihrer Freundin zu begeben, verfehlen ihre Wirkung nicht. Auch die von Mia Ferrows Schwester Tisa gespielte Kriegsberichterstatterin ist weniger klischeehaft als im Genre üblich - optisch glaubwürdig und ohne Bunny-Attitüde, verzichtete der Film auf die gebetsmühlenartigen Vorträge, dass Frauen hier nichts zu suchen hätten, und kehrte einmal sogar die Rettungssituation um.

„L’ultimo cacciatore“ reihte sich Anfang der 80er Jahre hinsichtlich seines Action- und Gewaltpotentials zwar mühelos in die parallel entstandenen Horror- und Apocalypse-Filme ein, aber die mit einem im Vergleich zu den US-Produktionen geringen Budget ausgestattete italienische Machart hielt sich nicht mit Ausgewogenheiten auf, sondern schuf einen atmosphärisch stimmigen Kriegsfilm, der ohne Verherrlichungen auskam.

"L'ultimo cacciatore" Italien 1980, Regie: Antonio Margheriti, Drehbuch: Gianfranco Couyoumdijan, Dardano Sacchetti,  Darsteller : David Warbeck, Tisa Ferrow, Tony King, Bobby Rhodes, John Steiner, Laufzeit : 97 Minuten

Abschlussfilm beim 1. Festival des italienischen Genre-Filmfestivals "Terza Visione" in Nürnberg vom 25. bis 27.04.2014


weitere im Blog besprochene Filme von Antonio Margheriti:

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.