Am nächsten Morgen wird er durch Musik geweckt und sieht Menschen in altmodischer Kleidung oberhalb der Küste flanieren. Vorsichtig nähert es sich diesen und kommt dabei auch wieder zurück in das Hotel, um festzustellen, dass plötzlich alles sauber und intakt ist. Nur nimmt Niemand von ihm Notiz, selbst als er sich konkret einer schönen Frau (Anna Karina) offenbart und dabei gesteht, vor der Polizei auf der Flucht zu sein...
Emidio Grido nahm für seinen ersten Film "L'invenzione di Morel" die gleichnamige Novelle des argentinischen Autors Adolfo Bioy Casares als Grundlage, der mit dieser schon 1940 ein Science-Fiction-Szenario schuf, das stilbildend werden sollte. Der Gedanke der Virtualität wurde hier erstmals von Casares durchgespielt, aber Grido nutzte die dezenten Science-Fiction-Elemente zu einer Geschichte, die deutlicher den Geist der 70er Jahre widerspiegelte. So erinnert der Beginn, als der Mann in vollständiger Einsamkeit seine Umgebung erkundet, mehr an "L'ultimo uomo della terra" (The last man on earth) von 1964 oder dessen us-amerikanische Version "The Omega man" von 1971, denn anders als im Roman trifft der Schiffbrüchige Niemanden auf der Insel an. Das scheint angesichts der abgelegenen Umgebung zuerst wenig überraschend, aber spätestens als er das mondäne Gebäude mit seinen vielen Zimmern, der luxuriösen Einrichtung und der merkwürdigen Maschine in den Kellerräumen entdeckt, entsteht das Gefühl einer unnatürlichen Abwesenheit von Leben.
Die Parallelen zu den populären Untergangs-Szenarien der 60er und 70er Jahre lassen sich durchaus fortsetzen, denn auch in "L'invenzione di Morel" basiert dieser Zustand auf einer menschlichen Erfindung, deren Nebenwirkungen unterschätzt werden, aber Grido geht es hier nicht um eine Warnung vor der Selbstzerstörung durch technischen Größenwahn, nicht einmal der "Mad-Scientist" Morel steht hier im Mittelpunkt, sondern um grundsätzliche Fragen nach Glück und Liebe - und damit letztlich nach einem erfüllten Leben. Durch das komprimierte, sich nur auf die unmittelbare Umgebung des futuristischen Gebäudes, beschränkende Szenario, entschlackt Grido die Thematik und konzentriert sich ausschließlich auf das Erleben des zufällig an dieser Küste gestrandeten Mannes.
"L'invenzione di Morel" erscheint wie ein Mischwesen aus Glück und Tragik, denn in diesem Film gibt es real kein zwischenmenschliches Gespräch und keine Berührung. Und doch ist es ein Film über tief empfundene Liebe, über die Selbstaufgabe und den Traum vom immer währenden Glück. Auch wenn das pessimistische Ende diesen scheinbar zerstört, so lässt der Film doch offen, ob die Illusion von Glück nicht gerechtfertigt ist - und nimmt damit die virtuell erschaffenen Welten der Gegenwart vorweg.
"L'invenzione di Morel" Italien 1974, Regie: Emidio Greco, Drehbuch: Emidio Greco, Andrea Barbato, Adolfo Bioy Casares (Novelle), Darsteller : Giulio Brogi, Anna Karina, John Steiner, Anna Maria Gherardi, Ezio Marano, Laufzeit :106 Minuten
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