Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den

Für ihn war der Weg zur "Sexy"-Variante vorgezeichnet - den
Ein Rückblick in die Entstehungsphase der "Commedia sexy all'italiana"

Dienstag, 8. Februar 2011

Riso amaro (Bitterer Reis) 1949 Giuseppe De Santis


Inhalt: Walter (Vittorio Gassmann) ist auf der Flucht vor der Polizei, die ihn wegen des Diebstahls einer wertvollen Halskette sucht. Nachdem er knapp entkommen war, übergibt er den Schmuck seiner Freundin Francesca (Doris Dowling), mit der er am Bahnhof verabredet war. Um in der Menge zu verschwinden, schließt sie sich spontan den Arbeiterinnen für die Reis-Anpflanzungen an, die in großer Zahl auf dem Weg in die Po-Ebene sind.

Als sie im Zug Silvana (Silvana Morgana) begegnet, wird ihr erst klar, worauf sie sich eingelassen hat. Da sie keinen Vertrag mit den Arbeitgebern an den Reisfeldern hat, droht ihr am Ziel die Zurückweisung. Silvana beruhigt sie, doch damit verfolgt sie eigene Ziele, denn sie hatte bemerkt, dass Francesca etwas in einem Tuch versteckt hielt. An den Reisfeldern angekommen, erfährt Francesca schnell, dass sie hier keineswegs willkommen ist. Als sie zudem feststellen muss, dass ihr Silvana den Schmuck gestohlen hatte, bleibt ihr nur noch eine Möglichkeit, bevor sie von dort wieder verschwinden muss. Gemeinsam mit anderen Arbeiterinnen, die keinen Vertrag haben, erzwingt sie den Zugang zu den Reisfeldern...



Der "Neorealismus", mit dem gerne die Phase - beginnend mit Viscontis "Ossessione"( 1942) bis in die Mitte der 50er Jahre - im italienischen Film bezeichnet wird, in dem die italienischen Filmemacher schonungslos die Realität ihres Landes auf die Leinwand brachten, verfügt über einige Schlüsselwerke - darunter befindet sich auch "Riso amaro" (Bitterer Reis) von Giuseppe De Santis aus dem Jahr 1949, dass in kaum einer Aufzählung fehlen darf.

Im Jahr zuvor, 1948, hatte Visconti mit "La terra trema" (Die Erde bebt) noch einen puristischen, stark an den Idealen des Realismus orientierten Film heraus gebracht, während Vittorio De Sica für "Ladri di biciclette" (Fahrraddiebe, 1948) die größten internationalen Ehrungen erhielt. Trotz der steigenden Reputation im internationalen Bewusstsein, waren diese Filme keine Kassenerfolge, aber ihre Anerkennung weckte Begehrlichkeiten, die sich auch zunehmend in der Zusammenarbeit mit Hollywood zeigte. Als Zwitterwesen zum Abschluss dieser Ära gilt besonders "Stazione termini" von Vittorio De Sica aus dem Jahr 1953, dass in zwei Fassungen herauskam - neben De Sicas "neorealistischer" Interpretation, noch eine gekürzte für den amerikanischen Markt.


So weit war es in "Riso amaro" noch nicht gekommen, aber einige Details wiesen auf Veränderungen hin, die nur noch wenig mit den Idealen der Phase unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs zu tun hatten. Zum Einen regierte seit 1948 mit der Cristlichen Partei Italiens wieder eine konservative Kraft (sehr schön in Samperis "Nenè" (1977) geschildert), die zwar keine Zensur ausübte, aber die Verteilung der Produktionsgelder derart beeinflusste, dass offensichtlich marxistisch geprägte Filme keine Zuschüsse mehr erhielten. Auf diese war Dino De Laurentiis sowieso nicht angewiesen, der Ende der 40er Jahre vor allem Historienfilme ("Il cavaliere misterioso" (Der geheimnisvolle Chevalier)) oder Komödien ("Adamo ed Eva") an die Kinokassen brachte. Dass er sich hier als Produzent mit einem realistischen Szenario auseinandersetzte, blieb für ihn lange Zeit eine Ausnahme, beweist aber sein Gespür für eine Mischung aus aktueller Thematik und dem, was die Zuschauer in die Kinos locken konnte.

Aus heutiger Sicht ist es geradezu frappierend, dass "Riso amaro" nach wie vor als ein Hauptwerk des "Neorealismus" gilt, beweist es damit doch, dass gutes Marketing deutlich wirksamer ist als tatsächliche Inhalte. Am ehesten könnte man "Riso amaro" als frühen Sexploitation-Film bezeichnen, nicht ganz zufällig neben De Santis von dessen langjährigem Mitstreiter Carlo Lizzani erdacht, der sich später in "L'amore in città" (1953) - allerdings deutlich zurückhaltender - den Prostituierten widmete, bevor er in den 70ern plakative Filme wie "Storie di vita e malavita" (Straßenmädchen-Report) drehte. De Laurentiis' Rechnung ging voll auf, denn der realistische Hintergrund der Arbeiterinnen in der Po-Ebene bot vielfach die Gelegenheit, sie zum Einen mit nackten Beinen bei der Reis - Anpflanzung zu zeigen, zum Anderen in Unterwäsche beim nachträglichen Zusammensein in der Frauenunterkunft. Das Massenangebot an leicht geschürzten Frauen verfehlte seine Wirkung nicht und erzeugte einen Kassen tauglichen Skandal in diesen prüden Jahren.

Das war besomders Silvana Mangano zu verdanken, die als junge Arbeiterin vorteilhaft ins Bild gerückt wurde. Schon in der ersten Szene am Bahnhof, von wo die Frauen zu den Reisanbaugebieten transportiert werden sollen, tanzt sie lasziv zu Boogie-Woogie-Klängen. Der eigentliche Beginn des Films wird noch von der Stimme eines Reporters bestimmt, dessen Erläuterung des Reisanbaus einen dokumentarischen Touch vermitteln soll, aber die Tanzszene wirkt dagegen schon völlig irreal. Allein, dass Silvana (wie sie auch im Film heißt) ihren eigenen Musikapparat dabei hat, ist genauso unwahrscheinlich, wie ihre Performance inmitten von Menschen, die sich für wenig Lohn mehrere Wochen lang unter unwürdigen Bedingungen zu einer harten Arbeit verpflichtet haben. Das sich Walter (Vittorio Gassmann) auch noch als Tanzpartner andient, ist angesichts der attraktiven Silvana, noch halbwegs verständlich, nicht aber angesichts der Tatsache, dass er sich auf der Flucht vor der Polizei befindet. Prompt wird er gesehen, kann das gestohlene Kollier aber noch seiner Freundin Francesca (von der amerikanischen Darstellerin Doris Dowling gespielt, deren Gesicht dafür eine Spur zu klar und intelligent ist) geben, die spontan zu den Arbeiterinnen in den Zug steigt.

Aus der heutigen Sicht ist es schwer verständlich, warum "Riso amaro" immer noch für seine realistische Darstellung der Situation der Reisarbeiterinnen gelobt wird, denn diese kommt über die Funktion als folkloristischer Hintergrund nicht hinaus. Auch Visconti besetzte in "Ossessione" ausgesprochen attraktive Darsteller und Roberto Rossellini arbeitete in "Stromboli" 1950 mit seiner Frau Ingrid Bergman zusammen, aber der Blick auf das Italien der Nachkriegszeit blieb immer größer als seine Darsteller, die - im Gegenteil - zunehmend unter der Last der Realität zerbrachen. Davon kann trotz allem Liebesleid und Verbrechen in "Riso amaro" keine Rede sein, denn nur der Konflikt der vier Protagonisten untereinander (als zweiter Mann betritt noch Raf Vallone die Szenerie), erzeugt hier die Dramatik, die zum Ende hin fast opernhafte Züge trägt.

Das das jährliche Schauspiel der Masseneinwanderung der Arbeiterinnen auf die Reisfelder der Po-Ebene hier nur als Hintergrund dient, wird vor allem an der fehlenden politischen Relevanz deutlich. Der einzige Aufstand wird von Francesca angezettelt, weil die Geschäftsleitung die Frauen nicht zur Arbeit zulassen will, die zuvor keinen Vertrag abgeschlossen hatten. Francescas Motiv liegt aber nicht in der dringenden Notwendigkeit, Nahrung für ihre Familien besorgen zu müssen, wofür die Arbeiter damals die anstrengende und schlecht entlohnte Arbeit akzeptierten, sondern weil ihr Silvana das Kollier gestohlen hatte und sie sonst keine Chance mehr hätte, es zurück zu bekommen. Auch sonst entsteht nur durch die Optik ein gewisses kritisches Potential, während die Frauen sich in Solidarität und im gemeinsamen Gesängen üben, aber kein negatives Wort über ihre Arbeitgeber verlieren. De Santis erster Film "Caccia tragica" (Tragische Jagd, 1947), der im Gegensatz zu "Riso amaro" kaum bekannt ist, behandelte ähnliche Themen, aber komplexer und ernsthafter.

Wahrscheinlich liegt darin gerade das Geheimnis des Erfolgs des Films, denn hier konfrontierte er seine Betrachter nur dezent mit der damaligen Gegenwart, nutzte aber das Etikett "Neorealismus" für freizügige Darstellungen und eine dramatische Liebesgeschichte um den so verführerischen wie unsoliden Walter. Einen gewissen Unterhaltungswert kann man "Riso amaro" nicht absprechen, aber über die Zeitlosigkeit paralleler Werke wie etwa "Il cristo proibito" (auch mit Raf Vallone) oder "Cronaca di un amore" von Michelangelo Antonioni, die sich von den ursprünglichen Ideen des Neorealismus verabschiedet hatten, verfügt der Film nicht - dafür ist er sowohl in seinen Charakterzeichnungen, als auch beim Storyaufbau zu sehr am damaligen Massengeschmack orientiert.

"Riso amaro" Italien 1949, Regie: Giuseppe De Santis, Drehbuch: Giuseppe De Santis, Carlo Lizzani, Darsteller : Silvana Mangano, Vittorio Gassman, Doris Dowling, Raf Vallone, Checco Rissone, Laufzeit : 104 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Giuseppe De Santis:

"Caccia tragica" (1947) 

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Der Name "L'amore in città" bezieht sich auf einen Episoden Film aus dem Jahr 1953, der erstmals Regisseure in Italien dazu brachte, ihre extra dafür geschriebenen und gedrehten Kurzfilme zu einem Gesamtwerk zu vereinen. Der Episodenfilm steht symbolisch für eine lange, sehr kreative Phase im italienischen Film, die in vielerlei Hinsicht stilbildend für die Kunstform Film wurde. Die intensive Genre-übergreifende Zusammenarbeit unter den Filmschaffenden war eine wesentliche Grundlage dafür.