Die Polizei vermutet, dass es sich in beiden Fällen um die selben Verbrecher handelt, deren Spur in ein Armenviertel Roms führt. Doch während sie unter teilweise großen Verlusten und dem Widerstand der dort lebenden Bevölkerung die ersten Verhaftungen vornehmen, ermittelt Dr.Alessi auf eigene Faust, die ihn in ganz andere Kreise führt...
Regisseur Marino Girolami, der später mit Werken wie "Zombi Holocaust" (Zombies unter kannibalen, 1980) und diversen Sex - Komödien Berühmtheit erlangte, nutzte Mitte der 70er Jahre auch die über Italien hereinbrechende Welle der Gewalt, die ihren Ursprung vor allem in der Zuspitzung des politischen Konflikts hatte. Anders als etwa Damianis "Io ho paura", der diese Kriminalität als gezielte Verunsicherung analysierte, um konservativen Kräften die Legitimation zu verschaffen, Kontrollmechanismen über die Bevölkerung und damit eigene Interessen durchzusetzen, bedienten andere Filmemacher die Vorurteile und Ängste einer Gesellschaft, die die zunehmende Gewalt als Folge der Veränderungen der 60er und frühen 70er Jahre ansahen.
In dieser Phase kristallisierte sich eine neue, schwer einzuschätzende kriminelle Spezies heraus - von ihrem materiell sorgenfreien Leben gelangweilte Männer, die nur aus Spaß Verbrechen begingen. "Fango bollente" (1975) machte diese Täter inmitten einer saturierten Bürgerschicht aus, die fast ohne Risiko vorgehen konnten, weil man die Schuldigen in anderen Kreisen suchte, verzichtete dabei aber auf Wertungen innerhalb der Gesellschaft. Girolami hob dagegen den Konflikt zwischen Arm und Reich stärker hervor, indem er zwei Verbrechen aneinander fügte, die in ihrer unmittelbaren Gewaltausübung vergleichbar scheinen - zuerst geschieht ein Raub in einer Villa, bei dem zwei Frauen verletzt werden, kurz danach ein Überfall auf eine Party in einem herrschaftlichen Gebäude. Während nach dem Raub bei der Verfolgung des Fluchtautos mehrere Polizisten zu Tode kommen, wird bei dem Überfall eine junge Frau ohne näheren Grund erschossen.
Kommissar Carli (Marcel Bozzuffi) und seine Kollegen vermuten hinter beiden Verbrechen die selben vier Männer und machen sich mit brachialen Methoden an die Arbeit. Besonders Dr.Alessi (Anthony Steffen), erfolgreicher Unternehmer und Vater der ermordeten jungen Frau, setzt sie dabei unter Druck, ermittelt aber gleichzeitig auf eigene Faust. Während die Spur der Polizei in die Armenviertel Roms führt, findet Dr.Alessi heraus, dass vier junge Männer aus wohlhabenden Familien hinter dem Mord an seiner Tochter stecken. Ganz offensichtlich sind unterschiedliche Banden für die Verbrechen verantwortlich, aber die Polizei glaubt lange an ihre ursprüngliche Theorie und setzt einen jungen Mann, den sie im Armenviertel festgenommen hatten, so unter Druck, dass er in seiner Zelle Selbstmord begeht.
Mit Subtilität und feinen Charakterzeichnungen hat der Film wenig zu tun, sondern entwickelt von Beginn an ein hohes Tempo in den Szenenwechseln, mit dem gezielt Stimmung erzeugt wird. Neben den unterschiedlichen Verfolgungsjagden und Verhaftungen, die in der Regel in Blutbädern enden, sind es vor allem Klischees, mit denen die Gegensätze hoch gepusht werden. Im Armenviertel stürzt die gesamte Bevölkerung auf die Polizei ein, als diese die Verdächtigen verhaften wollen, so dass sie sich mit Maschinengewehrschüssen befreien muss. Hier wird der Eindruck materieller Not vermittelt, der die jungen Männer in die Kriminalität zwingt, was sich dann auch mit der späteren Verzweiflungstat des Gefangenen beweist.
Im Gegensatz dazu stehen die vier jungen Männer aus bürgerlich wohlhabenden Familien, deren Intentionen letztlich keine Rolle spielen. Sie sind einfach arrogante, sich ihrer überlegenen Stellung bewusste Sprösslinge, die nichts besseres zu tun haben, als mit ihren Motorrädern herum zu fahren, Mädchen aufzugabeln und sie dann zu vergewaltigen. Eventuelle Zeugen werden entweder eingeschüchtert oder gekauft, wie es auch bei dem Floristen geschah, der sie nach dem Überfall gesehen hatte. Dr.Alessi lässt sich davon nicht täuschen, wendet selber rohe Methoden an, um die Wahrheit heraus zu bekommen, und überzeugt dann die Polizei von seiner Theorie. Doch dann muss er feststellen, dass diese gegen die reichen Eltern, die mit Anwälten und falschen Alibis aufwarten können, keine Chance hat. Als er dazu noch selbst körperlich bedroht wird, nimmt er das Gesetz in seine eigenen Hände...
"Die blutigen Spiele der Reichen" ist trotz dieser Storyentwicklung kein klassischer Revenge-Thriller, denn Dr. Alessi selbst ist auch nur Teil einer dekadenten Gesellschaftsschicht, die ihre eigenen Gesetze macht, und verfügt nie über die Sympathien des Comissarios. Seine Selbstjustiz bekommt in diesem Zusammenhang einen selbstironischen Aspekt, da ihm seine eigene Verstrickung in den Tod seiner Tochter lange nicht bewusst wird. Letztlich bleibt "Roma l'altra faccia della violenza" ein klassischer Polizeifilm, der keinen Zweifel daran lässt, wer wirklich das Gesetz vertreten sollte.
Doch zu ernst sollte man die sozialkritische Attitüde in der Gegenüberstellung zweier Gesellschaftsschichten nicht nehmen, denn dafür ist es zu offensichtlich, worum es in diesem Film wirklich geht - ständige Action, angeheizt von gängigen Vorurteilen gegenüber jungen, reichen Schnöseln und deren Eltern, die ihre Erziehungspflichten vergessen. Tragik kann der Film, trotz der vielen dramatischen Ereignisse, keinen Moment entwickeln, aber die niederen Instinkte seiner Betrachter bedient er vortrefflich.
"Roma l'altra faccia della violenza" Italien/Frankreich 1976, Regie: Marino Girolami, Drehbuch: Gianfrano Clerice, Vincenzo Mannino, Darsteller : Marcel Bozzuffi, Anthony Steffen, Ennio Girolami, Jean Favre, Sergio Fiorentini, Laufzeit : 104 Minuten
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen